Gemeinsam mit den Angehörigen der Familie Aron enthüllte Bürgermeister Christoph Tesche vor dem Haus an der Bochumer Straße 73 vier Stolpersteine, die an Kurt, Minna und Gerd Aron sowie an Clara Saalberg erinnern. Mitgestaltet wurde die Feierstunde durch Schülerinnen und Schüler des THG (Foto: Stadt RE)
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Recklinghausen. Das Verlegen von Stolpersteinen ist ein wichtiger Baustein in der Erinnerungskultur der Stadt Recklinghausen. Am Montag, 15. August, wurden an der Bochumer Straße 73 vier dieser Steine enthüllt, die in der Südstadt an Kurt, Minna und Gerd Aron sowie Clara Saalberg erinnern. Sie waren dort zu Hause, bis sie in eines von fünf sogenannten Judenhäusern an der Paulusstraße ziehen mussten. Von dort wurden Sie 1942 nach Riga verschleppt.

„Wichtig ist nicht nur, dass wir mit diesen Steinen an die Opfer der Nazi-Diktatur erinnern. Vielmehr setzen wir uns auch mit ihren Biografien auseinander und schreiben diese im Online-Gedenkbuch der Stadt nieder. Wir haben die Pflicht, auf das Schicksal dieser Menschen aufmerksam zu machen, ihnen ein Gesicht zu geben und die Erinnerung wachzuhalten. Damit das, was geschehen ist, nie wieder passiert“, sagte Bürgermeister Christoph Tesche bei einer Feierstunde in der Mensa des Theodor-Heuss-Gymnasiums (THG).

An der Veranstaltung nahmen auch Angehörige der Familie Aron teil, die auf Einladung der Stadt eigens aus London und Jerusalem angereist waren. „Für unsere Familie ist es sehr bedeutsam, dass diese Stolpersteine nun vor ihrem Haus verlegt wurden und wir die Möglichkeit haben, einer so erstaunlichen, selbstlosen Frau zu gedenken, die unvorstellbare Verluste erlitt, aber der Gesellschaft weiterhin so viel gab“, sagte Diana Aron. Die Ehefrau des inzwischen verstorbenen Riga-Überlebenden Rolf Aron nahm in ihrer Rede insbesondere die Tante ihres Mannes, Minna Aron, in den Fokus.

Diese hatte den Holocaust wie durch ein Wunder überlebt, kehrte zurück in das Land ihrer Peiniger und engagierte sich beim Wiederaufbau der Jüdischen Kultusgemeinde, deren Vorsitzende sie von 1958 bis 1978 war, und war Mitbegründerin der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Bevor Diana Aron ans Rednerpult getreten war, hatte Georg Möllers, der Vorsitzende des Vereins für Orts- und Heimatkunde, die Biographie von Minna Aron vorgestellt. Unterstützt wurde er von Schülerinnen und Schülern des THG, die Textstellen aus dem Nachlass der ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Kultusgemeinde vortrugen. Sie hielten bei der Enthüllung der Stolpersteine dann auch die Bilder der Opfer in den Händen.

An der Zeremonie nahmen neben Vertretern des Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage auch Dr. Mark Gutkin, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde, Kantor Isaac Tourgman, die Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Gerda E.H. Koch, THG-Schulleiter Jörg Schürmann und Vertreter*innen des THG-Kollegiums teil.

Initiiert wurde die Verlegung von Stolpersteinen durch den Künstler Gunter Demnig bereits im Jahr 1996. Er erinnert an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einlässt. Inzwischen liegen Stolpersteine in 1265 Kommunen Deutschlands und in einundzwanzig Ländern Europas. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, zitiert Gunter Demnig den Talmud.

In Recklinghausen wurden 2014 auf Initiative von Polizeipräsidentin Friederike Zurhausen die ersten beiden Stolpersteine vor dem Präsidium am Westerholter Weg verlegt, die an Albert Funk und Hermann Vörding erinnern. Im selben Jahr fasst der Rat der Stadt einen Grundsatzbeschluss, an menschliche Schicksale durch die Erarbeitung ihrer Biographien und der anschließenden Verlegung von Stolpersteinen zu gedenken.

Die Biografien sind im Online-Gedenkbuch der Stadt zu finden. Das Projekt soll auf Jahrzehnte ausgelegt sein und vor allem auch junge Menschen zur Beschäftigung mit konkreten Lebenswegen zu motivieren. Seit dem Ratsbeschluss vor acht Jahren wurden jedes Jahr im gesamten Stadtgebiete Stolpersteine enthüllt.

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