Kreis Kleve. Insgesamt sind bei der Petition zur Rettung der Sprach-Kitas mehr als 203.000 Unterschriften zusammengekommen. Damit gehört sie zu den erfolgreichsten der vergangenen 15 Jahre. Die Zukunft des Bundesprogramms ist allerdings immer noch ungewiss. Dabei benötigen Träger, Einrichtungen und Fachkräfte möglichst bald eine Entscheidung.
Sie haben alles gegeben. Die Rede ist von den Sprach-Kitas im Kreis Kleve und Kreis Borken. Gemeinsam mit ihren Fachberatungen der Caritas Kleve, Juliane Hasselaar und Kristina Timmer, haben sie in den vergangenen fünf Wochen bis zuletzt alle Hebel in Bewegung gesetzt und Unterschriften gesammelt – bei Eltern, Großeltern, Kolleg:innen und anderen Fachkräften, bei Politiker:innen, Grundschulen, Trägern und Verbänden . „Wir haben viel Aufmerksamkeit geweckt, auch medial, und so mehr als 2100 Unterschriften an den Bundestag in Berlin geschickt“, freut sich Juliane Hasselaar. Ziel sei es gewesen, bundesweit die 50.000er-Marke zu knacken. „Schlussendlich sind es mehr als 203.000 Mitzeichnungen geworden. Damit ist #SprachKitasretten eine der erfolgreichsten Petitionen der vergangenen Jahre überhaupt. Und damit kommt es voraussichtlich am 17. Oktober 2022 zu einer offiziellen Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, an der auch die Bundesfamilienministerin oder eine Vertreterin des Bundesfamilienministeriums teilnehmen wird.“
Juliane Hasselaar, die seit fünf Jahren für den Caritasverband als Fachberatung Sprach-Kita arbeitet, hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Wir fordern, dass das Bundesprogramm um weitere zwei Jahre fortgeführt wird. Bis dahin kann ein Transfer in die Länder gut vorbereitet werden.“ Kristina Timmer, seit vier Jahren Fachberatung Sprach-Kita bei der Caritas Kleve, fügt hinzu, dass es wichtig ist, dass die Länder die gewachsenen Strukturen übernehmen. Nach Möglichkeit solle das Programm auch auf andere Kindertagesstätten übertragen werden. „Die wissenschaftlichen Untersuchungen belegen, dass das Bundesprogramm einen effektiven Beitrag zur Chancengleichheit der Kinder leistet. Den dürfen wir nicht wieder abbauen!“
Zum Hintergrund: Seit 2016 finanziert der Bund mit dem Programm „Sprach-Kitas“ zusätzliches Fachpersonal in Kindertagesstätten mit einem hohen Migrationsanteil. Sie kümmern sich in den Einrichtungen vorrangig um die Themen „alltagsintegrierte Sprachbildung“, „Inklusive Pädagogik“ und „Zusammenarbeit mit Familien“. „Zuletzt kam auch noch das weite Feld der digitalen Medien hinzu“, erklärt Kristina Timmer. „Das Besondere an dem Programm ist, dass durch die zusätzlichen Fachkräfte das gesamte Kita-Team geschult wird und die alltagintegrierte Sprachbildung alle Kinder erreicht, nicht nur einzelne. Außerdem ist in der inklusiven Pädagogik die Vielfalt unserer Gesellschaft zentral“, ergänzt Juliane Hasselaar. Als Fachberatung begleiten Kristina Timmer und Juliane Hasselaar die Fachkräfte und Leitungen in den jeweiligen Einrichtungen und bilden diese fort. Deutschlandweit nehmen rund 6800 Kindertagesstätten an dem Programm teil. In NRW sind es etwa 1400 Kitas. Die Caritas Kleve betreut 21 Einrichtungen in den Kreisen Kleve und Borken.
Als Mitte Juli dann plötzlich bekannt wurde, dass Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) das Programm „Sprach-Kita“ zum Ende des Jahres auslaufen lassen möchte, regte sich landauf, landab Protest. Fachkräfte, Träger, Gewerkschaften und Sozialverbände liefen Sturm. Mittlerweile fordert sogar der Bundesrat die Bundesregierung auf, das Förderprogramm über 2022 zu verlängern und als dauerhaftes Bundesprogramm zu verstetigen. Gleiches fordert ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, der nun in die Ausschüsse verwiesen wurde. „Inhaltlich waren sich alle einig, dass die Sprach-Kitas erhalten bleiben sollen – und zwar mit den heutigen Strukturen“, sagt Juliane Hasselaar, die die Debatte im Bundestag am vergangenen Mittwochabend (21. September 2022) verfolgt hatte. Ihr Eindruck: „Die Kuh ist noch nicht vom Eis, aber das Eis ist deutlich dicker geworden.“
Das muss es auch. Denn die Fachkräfte, Einrichtungen und Träger benötigen möglichst bald eine Entscheidung, wie Elke Kotthoff, Fachbereichsleitung Kinder, Jugend und Familie bei der Caritas Kleve, betont. „Wir haben keine Zeit für ein Ping-Pong-Spiel zwischen Bund und Land. Meine Mitarbeiterinnen müssen sich, wenn das Programm zum Ende des Jahres ausläuft, zum 1. Oktober arbeitssuchend melden.“
Aufgeben wollen die Sprach-Kitas im Kreis Kleve aber noch nicht. „Wir haben wahre Solidarität erfahren. Mehr als 203.000 Unterschriften sind ein starkes Zeichen“, sagt Kristina Timmer. Aus diesem Grunde sind auch weitere Aktionen in Planung. „Die Kampagne #SprachKitasretten organisiert beispielsweise am 19. Oktober einen bundesweiten Aktionstag, an dem sich die Sprach-Kitas im Kreis Kleve und Borken beteiligen. Außerdem arbeiten wir derzeit eine Idee aus unseren Verbünden aus, die bundesweit aufgegriffen werden soll.“