MuseumMobil (Foto: Gerd Kaemper/ gkfoto.de)
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Gelsenkirchen. Oberbürgermeisterin Karin Welge übergibt Möbelstück als Dauerleihgabe

Ein ganz besonderes Möbelstück aus Gelsenkirchen wird die Sammlung des künftigen Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalen bereichern: ein Wohnküchenschrank im Stil des „Gelsenkirchener Barock“ aus dem Jahr 1953. Oberbürgermeisterin Karin Welge und Wiltrud Apfeld, Leiterin des Kulturraums die flora und Kuratorin der städtischen Sammlung „Gelsenkirchener Barock“, haben den Schrank heute (12. November) als Dauerleihgabe an Dr. Gabriele Uelsberg und Prof. Heinrich Theodor Grütter vom Präsidium Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen (symbolisch) übergeben.

„Gelsenkirchener Barock: Was lange als Kitsch galt und belächelt wurde, ist heute museumswürdig“, freute sich Oberbürgermeisterin Welge anlässlich der heutigen Übergabe des Möbelstücks an die Stiftung Haus der Geschichte NRW.

Mit der Dauerleihgabe erhält das Museum ein namentlich eng mit der Stadtgeschichte verbundenes Exponat, in dem sich zugleich ein bedeutender Teil der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Landes NRW widerspiegelt. Der gebürtige Gelsenkirchener Heinrich Theodor Grütter und Gabriele Uelsberg vom Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen bedankten sich für den besonderen Sammlungszugang: „Wir freuen uns sehr, dass dieses wunderbare Möbelstück des Gelsenkirchener Barocks aus den frühen 1950er Jahren, das für die Zeit des Wirtschaftswunders in Nordrhein-Westfalen steht, nun als Dauerleihgabe Teil unserer Sammlung zur nordrhein-westfälischen Landesgeschichte wird“, sagte Sammlungsleiterin Uelsberg.

Ab Anfang der 1930er Jahre hat der Küchenschranktypus im Stil des Gelsenkirchener Barock die Wohnküchen von Arbeiter- und Kleinbürgerhaushalten in ganz Deutschland erobert. Diese Haushalte waren endlich nach jahrzehntelanger entbehrungsreicher Notmöblierung zu etwas Wohlstand gekommen. Ihr Traum war bürgerlichem Wohnstil nachempfunden und die wuchtigen, nussbaumfurnierten, mit zahlreichen Schwingungen und Schnitzereien verzierten Schränke kamen diesem Traum entgegen. Außen barockig rund, innen funktional mit Brotfach, Kühlfach, Glasschütten für Mehl, Zucker und allerlei Anderem. Hochwertige Modelle hatten verspiegelte Barfächer, später sogar elektrische Kühlfächer.

Interessanterweise ist bis heute nicht gesichert, warum der Name des Schranktypus und die Stadt Gelsenkirchen diese enge Symbiose eingingen. „Gesichert ist jedoch, dass dies nichts mit Geschmacksfragen oder gar mit Gelsenkirchener Geschmacksverirrungen zu tun hat, denn der Gelsenkirchener Barock war ein landesweit verbreitetes Phänomen“, erklärte Wiltrud Apfeld anlässlich der Übergabe des Schrankes. „Möglicherweise hat die Symbiose ganz im Gegenteil mit der besonderen wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt Gelsenkirchen zu tun, die in den 1920er- und 1930er-Jahren zu den großen prosperierenden Industriestädten gehörte. „Gelsenkirchen“ stand für Fortschritt und Erfolg und auch die Schränke im Stile des Gelsenkirchener Barock standen für Wohlstand und gesellschaftlichen Aufstieg.“

Der von der Stadt gemeinsam mit der Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen als Leihgabe ausgewählte Schrank ist ein typisches Beispiel für den Möbelstil des Gelsenkirchener Barock und stammt aus der lippischen Möbelindustrie. Er wurde 1953 von der Firma G. Müller in Elverdissen bei Herford hergestellt. Bis heute sind die zahlreichen Firmen in der Gegend um Herford, Lage und Lohne führend in der Küchenherstellung. Über viele Jahrzehnte wurden dort einfache Kiefernschränke, später Schränke im Stil des Gelsenkirchener Barock, dann moderne Einbauküchen produziert. Das zwei Meter breite Möbel stand jahrzehntelang in der Wohnküche einer Familie in Witten, bis es im Frühjahr 1991 für die Ausstellung zum Gelsenkirchener Barock vom damaligen Städtischen Museum angekauft wurde. Glänzend poliertes Nussbaumfurnier, Messinggriffe und -beschläge, aufgeleimtes Knorpelwerk zur Betonung von Kanten und Rundungen, Goldschnitt in den Vitrinenscheiben prägen den barocken Charakter des Möbels, das Kühlfach mit regelbarem Lüftungsschlitz im Unterschrank, die ausziehbare Ablage zum Schneiden von Brot und anders mehr weisen den Schrank als Küchenmöbel aus.

Der etwas in die Jahre gekommene Schrank wird nun noch umfassend restauriert und sich dann auf die Reise nach Düsseldorf in das künftige Haus der Geschichte NRW machen.

Weitere Informationen zum Haus der Geschichte NRW unter: www.hdgnrw.de

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