(Foto: privat)
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Dormagen. Sie ist eine trutzige Wehranlage und zugleich Lebensraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten: Nach rund vier Monaten ist die Sanierung der mittelalterlichen Westmauer in Zons jetzt nahezu abgeschlossen. Der Zahn der Zeit hatte an der mehr als sechs Meter hohen Stadtbefestigung genagt, sodass vor allem die Brüstung oberhalb des früheren Wehrgangs nicht mehr standsicher war. „Die besondere Herausforderung war, dass wir bei der Instandsetzung Rücksicht auf den Naturschutz nehmen mussten, denn von ihrer Flora und Fauna her ist die Zonser Stadtmauer von überregionaler Bedeutung. Hier siedeln vor allem wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten“, sagt der städtische Denkmalschutzbeauftragte Harald Schlimgen.

Mit Unterstützung durch die Biologische Station in Knechtsteden, dem Landschaftsverband Rheinland und vielen weiteren Partnern gelang es dem zuständigen Eigenbetrieb der Stadt Dormagen, die Baumaßnahme als Pilotprojekt einer ökologisch-denkmalgerechten Sanierung am Niederrhein zu gestalten. „Durch die sehr behutsame Herangehensweise konnten wir nicht nur den Lebensraum schützen, sondern zugleich so viel wie möglich von der historischen Bausubstanz erhalten. Das erforderte intensive Abstimmungen und die Bereitschaft von Baufachleuten und Biologen, sich immer wieder auf andere Denkweisen einzulassen“, so Schlimgen.

Im Vorfeld der Instandsetzung wurde eine exakte Schadenskartierung durch das Restauratorenbüro Kartäuserhof vorgenommen. Parallel dazu erfolgte eine Bestandsaufnahme der Flora und Fauna durch die Biologische Station. Auf dieser Grundlage wurde gemeinsam ein Konzept entwickelt, das von vorangegangenen Sanierungen deutlich abweicht. So blieben größere Bereiche des knapp 50 Meter langen Mauerabschnitts völlig unangetastet. Bevor die Arbeiten starteten, siedelte das Team der Biologischen Station bereits zahlreiche Tiere und Pflanzen vorübergehend um. Auch Erdablagerungen mit Samenmaterial wurden vorsorglich gesichert.

Einen neuen Weg beschritten die Beteiligten bei der Wiederherstellung der Mauerkrone. Sie wird nun nach historischen Vorbildern wieder durch eine Grassode (ausgestochenes Stück Grasnarbe) gegen die Witterung geschützt. Das ist der Grund, warum dort vorübergehend noch Schalbretter angebracht sind, bis die Pflanzen angewachsen sind. Besondere Sorgfalt galt ebenso bei der Auswahl des Kalkmörtels, der sowohl dem Mauerwerk gerecht wird als auch Nährstoff für die Pflanzen ist. Darüber hinaus ist der Mörtel CO2-neutral. An der Schloßstraße, wo sich einstmals das Feldtor an die Mauer anschloss, ist die Abbruchkante nach der Sanierung weiterhin sichtbar. Hier schauen auch schwere Basalte aus dem Mauerkern hervor.

„Um Denkmalschutz und Naturschutz unter einen Hut zu bringen, waren Kompromisse erforderlich“, sagt Schlimgen. Aus ökologischen Gründen konnte die Brustwehr (brusthoher Schutzwall) an drei Stellen trotz mangelnder Festigkeit nicht erneuert werden. Hier sorgen stählerne Fangnetze und die Injektion von Bindemitteln nun für die nötige Sicherheit. Nach dem Abbau der Gerüste nimmt die Firma Schleiff als letzte Baumaßnahme derzeit noch Verfugungen im Sockelbereich vor.

Über die Flora und Fauna der Stadtmauer können sich Zons-Gäste in Zukunft umfangreich informieren. Im Auftrag der Stadt kümmert sich die Biologische Station um eine Schautafel und eine Audio-Station, die beide am Eingang zur Altstadt vor der Westmauer installiert werden sollen. Bis zur Eröffnung der Tourismus-Saison am 1. Mai sollen sie aufgestellt sein. Dort erfahren Interessierte Wissenswertes über die Zahnlose Schließmundschnecke, die als seltene Tierart auf der Mauer siedelt, ebenso wie das in Zons nach vielen Jahrzehnten wiederentdeckte Zwiebelrispengras. „Mit der Infotafel möchten wir den Gästen erklären, warum auch diese Arten besonders erhaltenswert sind“, sagt Schlimgen.

Den Kostenrahmen von 300.000 Euro für die Mauersanierung konnte der städtische Eigenbetrieb einhalten. Finanziell gefördert wurde das Projekt durch Bundesmittel und eine Spende der NRW-Stiftung an den Zonser Denkmalschutzverein.

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