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Kreis Wesel/Moers. In einem Positionspapier veröffentlicht der AWO Kreisverband Wesel seine Meinung zur Leiharbeit in der Pflege. „Die Leiharbeit in der Pflege ist auch für den AWO Kreisverband Wesel in den vergangenen Jahren zu einem immer größeren Problem für die Senioreneinrichtungen geworden“, erklärt Dr. Bernd Riekemann, Vorstand Fachpolitik.

„Wurde Leiharbeit früher zur Abdeckung von kurzfristigen Personalausfällen oder Belastungsspitzen eingesetzt und bot gleichzeitig den Leiharbeitnehmer*innen die Möglichkeit einer dauerhaften Übernahme, so hat sich diese in der Zwischenzeit zu einem eigenen verfestigten Arbeitsmarkt entwickelt. Leiharbeit war und ist zukünftig auch weiterhin erforderlich, da die Bewerbungen nicht ausreichend sind, um die erforderlichen Stellen nachzubesetzen. Die Bewerbersituation ist und bleibt angespannt, obwohl wir als Arbeitgeber mittlerweile Willkommensprämien, Bleibeprämien, Mitarbeiter*innen werben Mitarbeiter*innen-Prämien vergüten und zahlreiche Benefits für Beschäftigte anbieten wie zum Beispiel E-Bike-Leasing, Einkaufsvorteile, Angebote der Gesundheitsförderung und vieles andere mehr”, erklärt Dr. Riekemann.

Eine Gefahr im Hinblick auf die Fachkräftesicherung

Susanne Strate-Nürnberg, Fachbereichsleitung Stationäre Pflege ergänzt: „Die Abwanderung von Pflegepersonal in die Leiharbeit ist für die Senioreneinrichtungen zu einer ernsthaften Gefahr im Hinblick auf die Fachkräftesicherung und damit auch für die Gewährleistung der Bewohnerversorgung geworden. Während sich Leiharbeitnehmer*innen immer häufiger Wunscharbeitszeiten zusichern lassen, muss die Stammbelegschaft die verbleibenden, teils unattraktiven Dienste an Wochenenden, Feiertagen und nachts überproportional häufig übernehmen, was die Arbeits-Lebens-Balance langfristig einschränkt und zu zusätzlichen Belastungen führt. Darüber hinaus müssen die angestellten Pflegekräfte die Einarbeitung der Zeitarbeitskräfte übernehmen. Das spaltet am Ende die Belegschaft und verschlechtert die Arbeitsbedingungen. Dies wiederum führt zu einer Abwärtsspirale, da sich unzufriedenes Stammpersonal dann ebenfalls der Zeitarbeit anschließt.“

Leiharbeit sei laut AWO nicht nur wirtschaftlich nicht mehr tragbar, sondern sei zudem mit Qualitätseinbußen verbunden, da Leiharbeitnehmer*innen durch eine fehlende Bindung an die Einrichtung häufig unmotiviert wären und die Anforderungen, die die AWO an ihre eigenen Beschäftigten stellt, oftmals nicht erfüllen würden.

Ein weiterer Aspekt sei die Bewohner*innen-Situation. Der Einsatz von Leiharbeitnehmer*innen hat zur Konsequenz, dass sich die Bewohner*innen stetig an neue Pflegekräfte gewöhnen müssen. Aus Sicht der Bewohner*innen, gerade im Hinblick auf dementiell veränderte Bewohner*innen, sei dies eine sehr schwierige Situation.

Problematische Kostenentwicklung

Auch die Kostenentwicklung in der Leiharbeit sei für die Einrichtungen weiterhin höchst problematisch, erklärt die Arbeiterwohlfahrt. Leiharbeitskräfte sind deutlich teurer als festangestellte und tarifvertraglich entlohnte Beschäftigte. Im Durchschnitt sind die Personalkosten für Leiharbeitskräfte doppelt so hoch wie für festangestellte Mitarbeiter*innen. Teilweise würde sogar das Vierfache verlangt. In den vier vollstationären Einrichtungen des AWO Kreisverbands Wesel e.V. betrugen die Ausgaben für Leasing-Personal im Jahr 2022 insgesamt rund 290.000 EUR. Vergleicht man die Stundenvergütung einer Pflegefachkraft der Stammmitarbeiter*innen (ohne Zuschläge durchschnittlich ca. 20.00-21.00 EUR) liegen die Stundenverrechnungssätze für einen Leiharbeitnehmer*innen je nach Anbieter zwischen 60.00 und 70.00 EUR. Zeitarbeitsfirmen würden, nach Meinung der AWO, die angespannte Arbeitsmarktlage nutzen, die letztlich aus ihrem eigenen aggressiven Abwerbeverhalten inklusive horrender An und Abwerbeprämien resultiere, und könnten somit die Entleihbedingungen zum Teil nach Belieben diktieren. Die Gewinnmargen der Zeitarbeit führen zu einem kontinuierlichen Abfluss von finanziellen Mitteln aus den Einnahmen der Solidargemeinschaft. Dies sei nicht länger hinnehmbar.

Forderungen der AWO

Die AWO fordert in ihrem Positionspapier eine Ausweitung der Ausbildungsmöglichkeiten in den Pflegeschulen und Berufskollegs, eine Ausbildungsumlage für Zeitarbeitsfirmen in der pflegerischen Arbeit, eine Reglementierung und Begrenzung der Leiharbeit in der öffentlichen Daseinsfürsorge. Zudem fordert sie bessere Finanzierung der pflegerischen Arbeit durch die öffentliche Hand, um Mitarbeitenden das bieten zu können, was sie für ihre Arbeit verdienen sollten. Und der Wohlfahrtsverband fordert die Entbürokratisierung der pflegerischen Arbeit, um das Arbeitsfeld endlich attraktiver zu gestalten. “Denn”, so Dr. Bernd Riekemann, “klatschen in Krisensituationen allein nützt wenig!”

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