Björna Althoff (Foto: privat)
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Krefeld. Der BUND Landesverband hatte die Kanzlei Günther damit beauftragt, ein Rechtsgutachten zum geplanten Krefelder Surfpark zu erstellen. Nachdem die Stadt hierauf ein „Gegengutachten“ vorgestellt hat, haben wir die uns vertretende Anwältin Dr. Verheyen um ein kurzes Statement hierzu gebeten. Sie fasst zu den Ausführungen der Kanzlei Heinemann und Partner zusammen:

“Wir nehmen zur Kenntnis, dass das Gutachten in weiten Teilen unsere Auffassung bestätigt. Die Auslegung der Rechtspflichten der Gemeinde zur Abweichung vom eigenen Klimaschutzkonzept halten wir nicht für vertretbar. Zudem ist der geplante Surfpark in keiner Weise mit einem Vorhaben vergleichbar, das die allgemeine Stromversorgung gewährleisten soll (Tagebau Garzweiler). Den Bebauungsplan zu erlassen, bleibt auch nach der Vorlage des Gutachtens ein rechtliches Risiko, sowohl für die Gemeinde als auch für den Vorhabenträger.“ (Dr. Roda Verheyen)

Wir sehen ausdrücklich davon ab, in einen vorinstanzlichen Schlagabtausch zwischen den Kanzleien zu gehen. Dieser bleibt dem üblichen gerichtlichen Verfahren vorbehalten.

Aus Gründen des öffentlichen Interesses gehe ich als Ratsfrau jedoch in Kürze ein auf eine Auswahl von Aspekten zum Klimaschutz und der kommunalen Verbindlichkeit von Klimaschutz, bei denen beide Gutachten voneinander abweichen.

Das Gutachten der Kanzlei Heinemann und Partner geht intensiv darauf ein, dass der Klimaschutzbelang nicht per se einen Vorrang gegenüber sämtlichen anderen Belangen genießt. Warum sie dies tut und dies auch in der Pressekonferenz offenbar in aller Ausgiebigkeit betont wurde, ist nicht nachvollziehbar: Das Gutachten von Dr. Verheyen, das die Rechtswidrigkeit des Surfparks erklärte, hat für den Klimaschutz keinen generellen Vorrang gegenüber sämtlichen anderen Belangen, wie z.B. mitunter Bedarf für Wohnraumangebot, zugesprochen. Hier gibt es keine unterschiedliche Rechtsauffassung und dass der Klimaschutz nicht „per se“ Vorrang gegenüber allen anderen Belangen hat, ist keine Weltneuheit, um die man eine Pressekonferenz aufbauen kann. Die Kanzlei Heinemann und Partner missachtet jedoch, dass dem Klimaschutz unter den heutigen Rahmenbedingen wissenschaftlicher Erkenntnisse, Gesetzgebung, zunehmenden Klimawandelfolgen für den Menschen und mangelnder Klimaschutzumsetzung ein relativ sehr hohes Gewicht zukommt. Dieses Gewicht sticht nicht sofort alle anderen Belange aus. Es ist jedoch juristisch entsprechend schwierig, zu rechtfertigen, diesen dem Vorhaben entgegenstehenden Klimaschutzbelang zurückzustellen, wenn auf der anderen Seite nicht objektiv gewichtigere Belange dargelegt werden können. Insbesondere, da z.B. das Sport- und Erholungsangebot der Stadt schon sehr gut aufgestellt ist und die Stadtverwaltung selbst mit einer erst zukünftig existierenden Surfer-Nutzergruppe argumentiert, also einem zukünftigen, noch anzuwerbenden Bedarf, der heute noch kaum existiert. Auch kann z.B. der Belang „Erholung“ kaum angebracht werden, da viele Bürger*innen Einwände formuliert haben oder eine Petition unterzeichnet haben, womit sie bekunden, dass sie mehr Erholung ohne Surfpark am Elfrather See empfinden.

Das städtische Gutachten betont zwar ebenfalls die Wichtigkeit der gerechten Abwägung von Belangen, geht inhaltlich aber nicht ein auf die verbotene Abwägungsdisproportionalität (das ungerechte Bevorzugen eines Belangs), die durch diese Planung eintreten würde und auch im Gutachten von Dr. Verheyen aufgeführt wurde. Damit stellt es die Verwaltung und Politik vor die unlösbare Aufgabe, eine fundierte Abwägung vorlegen zu müssen, aus der sich ableiten lässt, dass z.B. der entgegenstehende Klimaschutz, Artenschutz und Wasserschutz überwunden werden kann. Diese fundierte Abwägung ist gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber einem Gericht, aber auch gegenüber der Bezirksregierung notwendig, die das Verfahren ebenfalls noch behördlich prüfen muss. Wie die Stadt diese fundierte Abwägung „pro Surfpark“ leisten kann, ist zumindest der veröffentlichten Version des Gutachtens der Kanzlei Heinemann und Partner nicht entnehmbar. Es kann stark bezweifelt werden, dass sie dies schafft, zumal neben dem Klimaschutzbelang auch eine Reihe weiterer betroffener Belange in der Offenlage gegen das Vorhaben eingebracht wurden.

Inhaltlich führt das Gutachten beim Klimaschutz einige grob falsche Beispiele und Quellen auf.

So wurde beispielsweise die Urteilssprechung zur Lützerath-Entscheidung herangezogen, um die mit der Kohleverstromung verbundenen Mehremissionen gleichzusetzen mit einer Akzeptanz von Mehremissionen des Surfparks. Die Mehremissionen durch die Kohleverstromung wurden jedoch in der Lützerath-Abwägung in Kauf genommen unter der Annahme, dass diese notwendig(!) wären für eine angebliche „Versorgungssicherheit“. Der Surfpark dient mitnichten der Versorgungssicherheit und schafft mit seinem enormen externen Energieverbrauch vielmehr eine zusätzliche Versorgungsunsicherheit. Dieser Vergleich wird somit vor keinem Gericht standhalten.

Auch zieht das Gutachten eine grob falsche Quelle heran, um zu belegen, dass die Verwaltung keine Begründungspflicht bei einem Abweichen vom kommunalen Klimaschutzkonzept hätte. Dieser Beleg ist nicht zutreffend, da das entsprechende Urteil sich nicht auf ein Planungskonzept bezieht, durch dessen Umsetzung Grundrechte geschützt werden sollen. Überdies ging es in dem aufgeführten Fall darum, dass eine Gemeinde durch einen Bebauungsplan das vorliegende Konzept „nur“ teilweise umsetzte. Der Surfpark trägt jedoch nicht positiv zur teilweisen Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes bei, sondern konterkariert die darin enthaltenen Zielvorgaben wie etwa die angestrebte Energieeinsparung. Das Konterkarieren von Konzept- und Planungszielen wird jedoch in der gleichen(!) Randnummer kritisiert, die Heinemann und Partner aufführen, um zu versuchen, die Stadt von ihrer Begründungspflicht zu entlasten. Die Stadt kommt damit nicht umhin, begründen zu müssen, wie sie trotz der Realisierung des Surfparks die Ziele des kommunalen Klimaschutzkonzeptes einhalten kann.

Die Gutachter blenden darüber hinaus auch aus, dass sich eine juristisch andere objektive Bewertungssituation dadurch ergibt, dass es für den Belang Klimaschutz eine hohe Notwendigkeit und Dringlichkeit gibt und das Gewicht für diesen Belang allein dadurch als sehr hoch einzustufen ist, dass die Umsetzung des angestrebten Klimaschutzes auf allen Ebenen nur mangelhaft erfolgt: Auf nationaler Ebene liegt das Zweijahresgutachten des gesetzlich eingerichteten Expertenrats für Klimafragen vor, auf kommunaler Ebene der Controllingbericht zur Umsetzung des kommunalen Klimaschutzkonzeptes (mit dem Ziel der Klimaneutralität erst 2050). Beide Berichte zeigen die Verfehlung von Klimazielen über alle Sektoren auf, sodass rein objektiv nicht mehr angenommen werden kann, dass eine zusätzliche Verfehlung durch andere Sektoren aufgefangen werden könne. Urteile, die z.B. vor dem Zweijahresgutachten des Expertenrats gesprochen wurden, würden heute, mit diesem Gutachten zum Teil jedoch anders formuliert werden.  Im städtischen Gutachten werden diese Sachstände ignoriert. Die Annahme, in anderen Bereichen kompensieren zu können, ist jedoch notwendig, wenn die Stadt aufführen möchte, dass der Beitrag des Surfparks zur Klimabelastung nur „marginal“ sei: Schafft die Stadt bereits heute nicht die Umsetzung ihrer selbst gesetzten Ziele, schafft sie in der logischen Schlussfolgerung auch nicht die Kompensation einer nur „marginalen“ weiteren Zusatzbelastung, für die überdies bis dato jeder Lösungsansatz fehlt. Gleichzeitig zeigt sich, dass im Verhältnis zu den bisherigen städtischen Einflussmöglichkeiten die negativen Auswirkungen des Surfparks auf die Energiewende nicht als „marginal“ zu bewerten ist: Der der Kommune bislang mögliche zusätzliche Ausbau von Photovoltaikmodulen auf kommunalen Liegenschaften kann den externen Strombezug des Surfparks nicht annähernd abdecken und geht mit siebenstelligen Ausgaben von Staatsmitteln einher. Relativ zu ihren Einflussmöglichkeiten ist die zusätzliche Belastung durch den Surfpark also extrem hoch. Ob eine zusätzliche Belastung nur „marginal“ ist, kann somit nicht in Verhältnis zur bevorstehenden Gesamtbelastung gesetzt werden, sondern muss gemessen werden an den bisherigen und zukünftigen kommunalen Maßnahmen, die aufzeigen können, welche Belastungskapazität und welche möglichen Kompensationsmaßnahmen die Kommune überhaupt zur Verfügung hat. Dies kann man ableiten aus der baurechtlich üblichen Praxis von Ökopunkten und Ökokonten einer Stadt. Kann die Stadt keine Ökopunkte vergeben z.B. zum Ausgleich von versiegelter Fläche, kann das Vorhaben nicht kompensiert geplant und durchgeführt werden. Die Stadt Krefeld steht selbst aktuell im Klimaschutz so weit zurück und benötigt z.B. selbst so viele Flächen für den Ausbau erneuerbarer Energien, dass hier nicht einmal für die „marginale“ Zusatzbelastung des Surfparks Kompensationsmaßnahmen und -möglichkeiten „übrig“ sind. Dies ist auch erkennbar daran, dass die Stadtverwaltung keine einzige öffentliche Anfrage inhaltlich beantworten kann, in der sie danach gefragt wird, wie sie gedenkt, den Surfpark zusätzlich(!) zu den für die Klimaneutralität 2035 notwendigen Maßnahmen kompensieren zu können.

Das Gutachten von Dr. Verheyen, das die Rechtswidrigkeit der Surfparkplanung aufzeigte, wurde in Kenntnis dessen vorgelegt, dass die darin vorgebrachten Mängel durch Nachbesserungen von der Stadt teilweise geheilt werden könnten. Entgegen der Kanzlei Heinemann und Partner bleibt die Einschätzung bestehen, dass die vorhersehbaren Ergebnisse auch durch Nachbesserungen nicht dazu führen werden, einen materiell-rechtlich vertretbaren und abwägungsfehlerfreien Satzungsbeschluss herbeiführen zu können.

Dementsprechend raten der BUND Krefeld, die Bürgerinitiative BIENE und Fridays for Future Krefeld dem Stadtrat weiterhin, die Planung unverzüglich einzustellen und einen Satzungsbeschluss abzulehnen. Sollte der Stadtrat den Satzungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan beschließen, wird die Kanzlei unmittelbar folgend einen Normenkontrollantrag mit einstweiliger Anordnung stellen und die Initiativen werden zeitgleich damit beginnen, eine weitere Spendenkampagne für den Klageweg zu starten. Die Klageschrift wird dann selbstredend deutlich hinausgehen über das Rechtsgutachten, das im Dezember vorgelegt wurde.

 

Ein KlarKlick von Björna Althoff – Krefeld, Ratsfrau, Einzelvertreterin für die Klimaliste Deutschland, Kommunalpolitische Sprecherin Fridays for Future Krefeld

Anmerkung der Redaktion: Unter KlarKlick versteht die LokalKlick-Redaktion Gastkommentare, die zur gesellschaftlichen Diskussion führen. Sie geben nur die Meinung des Gastkommentatoren wieder und sind nicht unbedingt die Meinung der Redaktion.

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