Aachen. Donnernd tönen die Hammerschläge in die Stille des Aachener Doms: Es ist der Moment bei der Erhebung der Heiligtümer, bei dem alle mitzählen: Wie viele Schläge braucht der Goldschmied, um den Bügel des Schlosses am Marienschrein zu öffnen? Wie viele Schläge, bis die Heiligtümer – das Kleid Mariens, die Windel Jesu, das Enthauptungstuch des heiligen Johannes des Täufers und das Lendentuch Jesu – den Menschen wieder gezeigt werden können?
Genau 29 Hammerschläge sind es bis der Aachener Gold- und Silberschmied Thomas Zintzen das Schloss geöffnet hat. Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen und Dompropst Rolf-Peter Cremer haben zuvor die Unversehrtheit des Schlosses festgestellt.
Dr. Birgitta Falk, Leiterin der Domschatzkammer, entnimmt anschließend die vier Heiligtümer dem Marienschrein, um sie an das Domkapitel zu übergeben. Die Heiligtümer sind sorgfältig mit farbigen Seidenstoffen umhüllt, die mit Wachs versiegelt sind. Die Unversehrtheit dieser Siegel überprüfen Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen und Dompropst Rolf-Peter Cremer. Anschließend packen jeweils zwei Schwestern von vier Aachener Ordensgemeinschaften die Reliquien in der Sakristei aus. Dann werden sie zum ersten Mal nach neun Jahren den Gläubigen zur Verehrung gezeigt.
2500 Menschen im Aachener Dom und auf dem Katschhof verfolgen die Erhebungsfeier live, ungezählte weitere im Live-Stream von Domradio.de.
Der Ritus der feierlichen Erhebung beginnt mit der nach altem Brauch von Dompropst Rolf-Peter Cremer an Bischof Dr. Helmut Dieser ausgesprochenen Bitte, im Namen des Domkapitels und der Stadt Aachen die Tür des Marienschreins öffnen zu dürfen. In seiner Predigt ruft der Aachener Bischof dazu auf, Jesus bei der Heiligtumsfahrt zu entdecken. „Unsere vier Aachener Heiligtümer helfen uns, zu entdecken, worauf es ankommt, denn diese Heiligtümer spannen den gesamten Bogen unserer menschlichen Existenz auf“, betont er bei der Erhebungsfeier. „Sie zeigen uns, wer Christus ist und wer wir für ihn sind.“
Der Reiz der Einladung „Entdecke mich“ liegt nach Ansicht von Dieser darin, selbst von Jesus gefunden zu werden. Und das geschehe, wenn der Mensch zum Glauben an ihn komme. „Wir Aachener freuen uns auf viele Menschen, die auch in diesem Jahr 2023 wieder der Einladung folgen und in unsere Stadt kommen werden wie Unzählige vor ihnen alle sieben Jahre seit 1349!“, betont der Bischof. „Wer noch unentschlossen ist, möge sich anstecken lassen von diesem faszinierenden Geschehen: Kommen Sie nach Aachen, lassen Sie sich anrühren von dem Ruf: Entdecke mich!“ In seiner Predigt ruft der Aachener Bischof dazu auf, Jesus bei der Heiligtumsfahrt zu entdecken. „Unsere vier Aachener Heiligtümer helfen uns, zu entdecken, worauf es ankommt, denn diese Heiligtümer spannen den gesamten Bogen unserer menschlichen Existenz auf“, betont er bei der Erhebungsfeier. „Sie zeigen uns, wer Christus ist und wer wir für ihn sind.“
Der Reiz der Einladung „Entdecke mich“ liegt nach Ansicht von Dieser darin, selbst von Jesus gefunden zu werden. Und das geschehe, wenn der Mensch zum Glauben an ihn komme. „Wir Aachener freuen uns auf viele Menschen, die auch in diesem Jahr 2023 wieder der Einladung folgen und in unsere Stadt kommen werden wie Unzählige vor ihnen alle sieben Jahre seit 1349!“, betont der Bischof. „Wer noch unentschlossen ist, möge sich anstecken lassen von diesem faszinierenden Geschehen: Kommen Sie nach Aachen, lassen Sie sich anrühren von dem Ruf: Entdecke mich!“
Musikalisch gestaltet wird die Erhebungsfeier vom Aachener Domchor und dem Dombläserensemble unter der Leitung von Domkapellmeister Berthold Botzet.
„Durch eine lange Verehrung kostbarer geworden“
Nach Ansicht des früheren Bischofs von Osnabrück, Franz-Josef Bode, bringen die in Aachen verehrten Heiligtümer die Menschen in Berührung mit dem Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung. „Durch die Jahrhunderte lange Verehrung sind sie immer kostbarer geworden wie ein gehüteter Schatz, dessen Wert durch Alter nicht abnimmt, sondern zunimmt, und den es immer neu zu entdecken gilt“, betonte Bode.
„Es atmet Geschichte“
„An genau dieses Urereignis unseres Heils, mehr noch an ihn, den Heiland Jesus Christus selbst, erinnern uns die heiligen Sachen, die seit Jahrhunderten in Aachen aufbewahrt und verehrt werden.“ Für sie sei die großartige Chorhalle des unvergleichlichen Aachener Domes als kostbare, lichtdurchflutete Schatulle gebaut worden. Mit mehr als 1000 Menschen feierte Franz-Josef Bode den ersten Pilgergottesdienst auf dem Katschhof. Schon in seiner Ansprache betonte der emeritierte Bischof: „Es ist ein Gänsehaut-Gefühl dieses Lendentuch in Händen zu halten. Es atmet Geschichte.“
Bode, dessen Rücktritt als Bischof von Osnabrück vor wenigen Wochen von Papst Franziskus angenommen worden war, berichtete, dass er gerade dabei sei, aus dem großen Bischofshaus in Osnabrück auszuziehen und sich für den Ruhestand in eine kleinere Wohnung zu begeben. Dabei stehe er vor der schwierigen Frage, was er in die neue Wohnung mitnehmen solle und welche Dinge so unverzichtbar seien, dass er nicht ohne sie in die neue Zeit gehen wolle. „Wenn wir Menschen schon so im ganz normalen Leben unsere ,Heiligtümer´ haben als Erinnerung an glückliche Stunden und liebe Personen, wie sehr müssen uns erst alle Dinge wichtig sein, die uns in die Nähe des Geheimnisses der Menschwerdung Gottes und unserer Erlösung bringen“, unterstrich Bode. Der verstorbene frühere Bischof von Aachen, Klaus Hemmerle, habe einmal formuliert: „Wir gehen in Aachen mit dem Heiligen auf Tuchfühlung.“
Diese Entdeckung, diese Tuchfühlung mit dem Heiligen könne aber nur geschehen, wenn Menschen sich berühren ließen von der Person Jesu Christi und von seinem Lebensstil, wenn sie ihm nachfolgten und wenn die Erinnerungsstücke dazu dienten, sich des Lebens Jesu zu „erinnern“ im tiefen Sinn des Wortes, es für sich neu zu entdecken. „Nur der- und diejenige geht mit dem Geheimnis Christi auf Tuchfühlung, lässt sich bis heute davon berühren, der / die sich auf Tuchfühlung, auf Entdeckung des Menschen neben ihm begibt“, betonte Bode.
Die Macht der Erinnerung, die Macht der Jahrhunderte alten Geschichte der Verehrung der heiligen Gegenstände wolle den Menschen – mit Augen zu sehen – klarmachen, was gerade in unserer Zeit und Welt heute so unendlich wichtig sein müsste, wo der Glaube an den ganz konkret menschgewordenen Gott verdunste oder in Vergessenheit gerate, weil das Bild von ihm so nebulös und inhaltslos geworden sei, statt wirklich geerdet und menschennah zu sein.
Echtheit ist nicht die entscheidende Frage
„Deshalb ist die alles entscheidende Frage bei der Verehrung dieser Gegenstände nicht: Wie echt oder wie alt oder wie wertvoll sind sie? Die entscheidende Frage lautet: Wer ist der, zu dem diese Dinge gehören?“, hob der frühere Bischof von Osnabrück mit großem Nachdruck hervor. „Nicht, was man denkt und tut, nicht, wofür man diesen Jesus hält, ist entscheidend bei der Verehrung dieser Heiligtümer, sondern wofür wir, wofür ich, wofür jeder und jede Einzelne ihn hält und was er ihm und ihr bedeutet.“ Es gehe um die lebendige Beziehung zu der Person Jesus Christus, die geboren sei, gelebt habe, gestorben und auferstanden sei. Sie wolle immer neu entdeckt werden, so Bode.
Zur vollen und tiefen Beziehung zu diesem Christus gehöre die Annahme der ganzen Wirklichkeit mit all ihren Höhen und Tiefen, und das nicht in Verzweiflung, sondern in Hoffnung, in Vertrauen und Liebe, weil genau dieser Jesus schon alles mit und für uns Menschen durchgetragen habe. „Nichts anderes bezeugen wir mit der Verehrung der Heiligtümer in Aachen“, erklärte Bode. „Mit keinem Geringeren als dem Gottmenschen selbst gehen wir mitten in Zweifel, Angst und Not auf Tuchfühlung; wir entdecken ihn neu, um darin Halt zu finden.“ Die Heiligtumsfahrt öffne die Menschen neu für die große Liebe Gottes in der Eucharistie und nehme sie schrittweise mit in das tiefste Geheimnis des Glaubens. „Eine Kirche, in der das bleibt, dieses Suchen und Tasten, diese Nähe, diese Tuchfühlung und Berührung mit Gott und allen Menschen, wird Zukunft haben, davon bin ich fest überzeugt“, schloss Bode.