Düsseldorf/Rhein-Ruhr. Um die Kommunen in finanziell schwierigen Zeiten stärker zu entlasten, hat die Landesregierung Eckpunkte für einen Abbau des Bestandes an kommunalen Liquiditätskrediten ab 2025 vorgestellt
Trotz angespannter Haushaltslage geht das Land einen wesentlichen Schritt, um eine nachhaltige Entlastung vieler Kommunen in Nordrhein-Westfalen von ihren Altschulden zu erreichen. Damit löst die Landesregierung ein zentrales Versprechen des Koalitionsvertrags ein.
Zum Erhalt der Handlungsfähigkeit der Kommunen sehen die nun beschlossenen Eckpunkte vor, dass das Land ab 2025 jährlich 250 Millionen Euro zur nachhaltigen Beseitigung der kommunalen Altschulden bereitstellt. Über die kommenden 30 Jahre sollen so 7,5 Milliarden Euro zusätzliche Finanzmittel des Landes in die Kommunen fließen. Zusammen mit der durch den Bund zugesagten hälftigen Übernahme der Kredite würde den Kommunen so eine halbe Milliarde Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt käme es damit in den nächsten 30 Jahren zu einer Entlastung der Kommunen von 15 Milliarden Euro. Die Gespräche mit der Bundesregierung hierüber stehen bevor.
Stellungnahme von “Für die Würde unserer Städte” zur vorgeschlagenen Altschuldenlösung der NRW-Landesregierung
Dazu erklärten die Sprecher des Aktionsbündnisses “Für die Würde unserer Städte”, Christoph Gerbersmann (Erster Beigeordneter und Stadtkämmerer der Stadt Hagen) und Martin Murrack (Stadtdirektor und Stadtkämmerer der Stadt Duisburg):
„Wir begrüßen, dass die Landesregierung mit ihrem Vorschlag Bewegung in die Frage der Altschulden aus Liquiditätskrediten bringt. Nachdem der Vorschlag im vergangenen Jahr eine Bundesbeteiligung nicht möglich gemacht hatte, hat das NRW-Kabinett nun einen substantiellen finanziellen Eigenanteil angekündigt. Jährlich 250 Millionen Euro über 30 Jahre sind auch angesichts der angespannten Haushaltslage im Land ein wichtiger Schritt.
Alle Detailfragen sind noch offen. Für eine abschließende Bewertung des Konzepts kommt es deshalb auf die weiteren Gespräche zur Ausgestaltung an. Das Aktionsbündnis hält dabei an seinem Modell fest. Dieses sieht jeweils 25 Prozent Anteil von Land und Kommune sowie 50 Prozent Bundesbeteiligung vor. Übertragen auf den Vorschlag der Landesregierung würde dies 250 Millionen Euro des Landes, 250 Millionen Euro der Kommunen und 500 Millionen Euro des Bundes bedeuten. So ergäbe sich ein schlüssiges Gesamtkonzept, das allen betroffenen Kommunen hilft.
Besonders begrüßen wir, dass Ministerpräsident Hendrik Wüst einen Austausch mit unserem Aktionsbündnis noch im Juni angekündigt hat. Wir werden konstruktiv und mit unserer großen kommunalen Erfahrung in dieses Gespräch gehen. Und die Kommunen sind wie erwähnt weiterhin bereit, ihren Beitrag zur Lösung zu leisten.
Sollte der NRW-Vorschlag nun eine Bundesbeteiligung ermöglichen, wäre das auch eine gute Nachricht für unsere Mitgliedskommunen in anderen Bundesländern, etwa in Hessen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Niedersachsen. Diese Länder sind vorangegangen, haben Altschuldenregelungen für ihre Kommunen entwickelt und umgesetzt. Diese können ihre volle Wirkung aber nur entfalten, wenn der Bund seinen Anteil übernimmt.
Für die weiteren Schritte appellieren wir an die Bundesregierung, nun eine Gesetzesvorlage zur Altschuldenfrage einzubringen, und an den Bundestag und den Bundesrat, der Lösung im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse zuzustimmen. Da die Regelung eine Änderung des Grundgesetzes erfordert, sind im Parlament Regierung und Opposition gleichermaßen gefordert, die Lösung zu beschließen. Wir hoffen, dass anschließend im Bundesrat auch Länder, die nicht von der Regelung betroffen sind, in Solidarität mit den finanzschwachen Kommunen die Lösung mitbeschließen.
Das Aktionsbündnis hat in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich gemacht, wie gravierend die kommunale Finanzkrise ist und wie dringend Hilfe für die Betroffenen gefunden werden muss. Hohe Zinsen, die Inflation, die Tariferhöhungen sowie weiterwachsende Soziallasten haben diese Krise verursacht und gefährden die Handlungsfähigkeit der Kommunen. Die Umkehr dieser Entwicklung setzt neben der Altschuldenlösung eine angemessene Finanzausstattung der Städte und Kreise voraus, damit keine Neuschulden entstehen, und idealerweise eine Reform der Förderpolitik von Bund und Ländern.“
Hintergrund
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hat am 4. Juni 2024 auf einer Landespressekonferenz den Vorschlag der Landesregierung für eine Altschuldenregelung des Landes präsentiert. Diese sieht eine Beteiligung des Landes in Höhe von 250 Millionen Euro jährlich über 30 Jahre ab dem 1. Januar 2025 vor. Dieses Geld stammt nicht aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz.
Im Aktionsbündnis haben sich 70 finanzschwache Kommunen aus acht Bundesländern zusammengeschlossen. Sie vertreten mehr als 8,6 Millionen Menschen. 41 dieser Städte und Kreise liegen in Nordrhein-Westfalen. Dies sind: Bochum, Bottrop, Castrop-Rauxel, Dinslaken, Dorsten, Dortmund, Duisburg, Ennepe-Ruhr-Kreis, Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Hagen, Hamm, Hattingen, Herne, Herten, Krefeld, Leverkusen, Löhne, Lünen, Mettmann, Moers, Mönchengladbach, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen, Oer-Erkenschwick, Recklinghausen, Kreis Recklinghausen, Remscheid, Schwerte, Solingen, Kreis Unna, Voerde, Waldbröl, Waltrop, Werne, Wesel, Kreis Wesel, Witten, Wülfrath und Wuppertal.
Altschulden-Drama setzt sich fort – FDP fordert kommunale Schuldenbremse
Zu den Eckpunkten der schwarz-grünen Landesregierung für eine kommunale Altschuldenlösung sagt Henning Höne, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion NRW:
„Ministerpräsident Hendrik Wüst führt mit seinem Kabinett ein inszeniertes Schauspiel um die Altschulden auf. Gemeinsam mit seinen Ministerinnen Neubaur und Scharrenbach kam Wüst nach Berlin wie die drei Weisen aus dem Morgenland. Doch statt kostbare Geschenke in Form gut durchdachter politischer Lösungen mitzubringen, werfen die Pläne vor allem neue Fragen auf.
Ein gutes Signal ist zwar, dass das Land nun erstmals die Kommunen mit eigenem Geld unterstützen will. Damit würde Nordrhein-Westfalen eine wichtige Vorbedingung des Bundes einlösen. Die weiteren Details, insbesondere wie genau das Geld an die Kommunen verteilt werden soll, ließ Wüst jedoch völlig offen.
Zur Erinnerung: Im Sommer 2023 hatte der Ministerpräsident noch vorgeschlagen, erst den Kommunen Geld wegzunehmen, um damit einen Schuldenfonds zu refinanzieren. Diesen ersten Akt des Dramas hatte Hendrik Wüst mit einer krachenden Niederlage beendet. Die Städte und Gemeinden waren dermaßen auf den Barrikaden, dass Wüst seinen ersten Vorschlag zurückziehen musste.
Für uns ist sicher, die Landesregierung muss jetzt weitere Klarheit schaffen, damit diese Fortsetzung nicht zum Fiasko wird. Schwarz-Grün muss kollegial mit der Bundesregierung und den Städten und Gemeinden zusammenarbeiten. Nur so werden wir diese besondere Herausforderung parteiübergreifend lösen können. Insbesondere, weil für eine Verfassungsänderung die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sowie die übrigen Länder im Bundesrat mitmachen müssen. Schwarz-Grün muss eigene Anstrengungen unternehmen, damit dieser Entwurf konsensfähig wird.
Wir wollen eine gerechte Lösung: CDU und Grüne haben schon einmal vorschlagen, die kommunalen Schulden zu vergemeinschaften. Damit hätte sich die Landesregierung an engagierten Kommunen versündigt, die unter größten Anstrengungen ihre Bilanzen verbessern, während andere Kommunen noch nie gespart haben.
Wir wollen eine nachhaltige Lösung: Wenn Bund und Länder die verschuldeten Kommunen entlasten, müssen wir sicherstellen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Wie Wüst eine Neuverschuldung verhindern will, bleibt nebulös. Wir fordern eine kommunale Schuldenbremse!“