Geldern. Fast auf den Tag genau drei Jahre war Pfarrer Stephan Kern evangelischer Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Geldern-Pont. Nun wurde er vom Superintendenten des Evangelischen Kirchenkreises Kleve, Robert Arndt, in einem Gottesdienst verabschiedet. Den 58-Jährigen zieht es weiter in die JVA nach Düsseldorf.
„Noch nie war ich so als Pfarrer und Seelsorger so gefragt, wie hier in der JVA.“ Menschen beschäftigen dort existenzielle Dinge. Fragen nach Schuld, Verantwortung, Sünde, Sühne und Vergebung sind an der Tagesordnung. Dabei hat der Seelsorger Schweigepflicht, ihm vertrauen die Gefangenen. Beim Gottesdienst zur Verabschiedung steht Stephan Kern an der Türe zur Gefängniskirche und begrüßt jeden einzelnen. „Diese Kirche werde ich vermissen“, sagt er. In vielen Anstalten sei die Kirche ein Mehrzweckraum, der auch für viele andere Veranstaltungen genutzt wird.
Anna Maria Wüst spielt ein Eingangsstück auf dem Keyboard. Die Gefangenen mögen lieber das Keyboard als die Orgel, welche auch in dem Kirchraum vorhanden ist. Pfarrer Kern ist die Nervosität anzumerken. Es macht etwas mit ihm, dass er sich nun von den Gefangenen, die ihm sein Herz ausgeschüttet haben, seiner Gemeinde, die er begleitet hat, Lebewohl sagen muss. Zwischen 30 und 40 Menschen besuchen regelmäßig die Gottesdienste in der JVA. Besondere Momente sind zum Beispiel die gemeinsamen Abendmahle, in denen die Gegenwart Gottes für Kern und Inhaftierte spürbar wird. Gefängnispfarrer zu sein liegt vielleicht nicht jedem. „Bei unserem Gespräch damals in Xanten war mir relativ schnell klar, dass du diesen Dienst gut hinbekommen wirst“ erinnerte sich Arndt, bevor er Kern per Handschlag von seinen Aufgaben in der JVA Geldern entpflichtet. Ein Inhaftierter hilft Pfarrer Kern als ehrenamtlicher Küster. Bereitet den Raum für die Gottesdienste vor. Er ist es auch, der nach dem Segen durch Robert Arndt dem scheidenden Pfarrer ein Segenswort zuspricht.
„Ich habe hier viel gelernt“, sagt Kern. Auf wen werde ich im Gefängnis treffen, fragte er sich im Vorfeld. „Ich habe hier nur Menschen getroffen“. Menschen, die die Sehnsucht haben, ein Teil der Gesellschaft draußen zu sein. Einige Menschen, die sich trotz der Mauern innerlich frei fühlen können. Und Menschen, die einen guten Job machen wollen, damit Inhaftierte es irgendwann draußen „schaffen“ können.
Dass Menschen in der JVA geholfen werden kann und sie es draußen schaffen, daran knüpfte Kern jedoch „Umkehr und Abkehr“. Umkehr dahingehend, dass Menschen empathischer werden. Dass sie auch andere Menschen verstehen lernen. Dass sie verstehen, was Straftaten für Opfer und Angehörige bedeuten. Abkehr hieße, nicht selbst Gott spielen zu wollen, in dem von anderen Menschen Eigentum oder das Leben genommen würde.
„Vielen Dank, dass sie mich in ihr Leben gelassen haben“, sagte Kern zum Schluss und bedauerte, nicht mit jedem Häftling in den drei Jahren gesprochen zu haben. Der Evangelische Kirchenkreis Kleve hat die Stelle bereits ausgeschrieben. Neben der JVA in Geldern gibt es mit Pfarrer Hauke Faust auch einen evangelischen Seelsorger in der JVA Kleve.