Duisburg. Die sogenannte Aspiration, also das Einatmen von Fremdkörpern, ist eine der gefährlichsten Notfalldiagnosen bei Kindern. Die Haupt-Risikogruppe bilden dabei Kinder in den ersten vier Lebensjahren. Lebensmittel wie etwa Nüsse und kleine Spielzeugteile stellen die größte Gefahr dar. Warum sich die Fälle besonders in der Vorweihnachtszeit häufen und was Eltern zum Thema wissen sollten, darüber spricht Dr. med. Robert Schmitz, Kinder-Pneumologe und Oberarzt der Kinder- und Jugendmedizin an der Helios St. Johannes Klinik Duisburg.
Was passiert bei einer Aspiration genau und warum sind Kleinkinder so häufig betroffen?
Rein medizinisch ausgedrückt, ist damit das Eindringen von Flüssigkeiten oder festen Stoffen in die Atemwege und die Lunge gemeint. Kinder unter vier Jahren sind dafür besonders anfällig, da sie oft Dinge in den Mund nehmen und dabei zeitgleich noch nicht die notwendige Koordination haben, um zwischen Essen und Atmen ausreichend zu trennen. So können etwa feste Teile, die eigentlich in die Speiseröhre gehören, in die Atemwege gelangen. Dazu kommt, dass aufgrund der noch sehr kleinen Atemwege schon kleinste Fremdkörper eine lebensbedrohliche Gefahr darstellen können.
Welche Fremdkörper „begegnen“ Ihnen im Klinikalltag am häufigsten?
Nüsse, vor allem Erdnüsse, gehören mit etwa zwei Dritteln all unserer Fälle zu den häufigsten Fremdkörpern, die Kleinkinder einatmen, da sie klein und hart sind und oft leicht in die Atemwege gelangen können und dort stecken bleiben. Leider häufen sich die Fälle vor allem in der Vorweihnachtszeit, wenn Nüsse mit auf vielen Plätzchentellern liegen. Daher gilt hier besonders: Kinder dürfen Nüsse erst essen, wenn sie Nüsse schreiben können. Gleich dahinter kommen übrigens kleine, oft nur wenige Millimeter große Spielzeugteile wie Bügelperlen oder Lego, gefolgt von anderen Lebensmitteln wie Apfel, Möhre oder Kernen.
Woran erkenne ich, dass mein Kind einen Fremdkörper eingeatmet hat?
Im schlimmsten Fall kann das Einatmen direkt den Luftweg blockieren und zu einer lebensgefährlichen Atemnot führen. Das ist natürlich ein akuter Notfall. Das Kind schnappt dann nach Luft, wird eventuell bewusstlos und die Haut färbt sich blau. Hier muss sofort erste Hilfe, sprich Mund-zu-Mund-Beatmung geleistet und der Rettungsdienst verständigt werden. Fast noch häufiger sind aber die Fälle, bei denen ein Fremdkörper nicht direkt den gesamten Atemweg behindert, sondern sich in der Lunge so festsetzt, dass das Kind zwar noch Luft bekommt, aber sehr viel und stark husten muss. Oftmals ist dann auch ein pfeifendes Atemgeräusch zu hören. Wird das Einatmen zunächst nicht bemerkt, kann innerhalb von Tagen in den Atemwegen eine schwere Lungenentzündung entstehen, was zu anhaltendem Husten, Fieber und einer Verschlechterung der Atemfunktion führen kann.
Wie behandeln Sie diese Fälle in der Klinik?
Das hängt sehr vom Zustand des Kindes und der Lage des Fremdkörpers ab. Im akuten Notfall versuchen wir das Kind zunächst zu stabilisieren. Dann muss der Fremdköper so schnell wie möglich entfernt werden. Eine Lungenspiegelung (Bronchoskopie) ist in diesen Fällen die sinnvollste und vor allem sicherste Untersuchung. Dabei wird ein dünnes, flexibles Instrument mit einer Kamera in die Atemwege eingeführt, um den Fremdkörper zu lokalisieren und zu entfernen. Das Kind liegt dafür in Narkose. Hat der Fremdkörper bereits eine Entzündung verursacht, kommen zusätzlich Antibiotika und gegebenenfalls weitere Medikamente zum Einsatz.
Gibt es noch etwas, dass Sie Eltern mit auf den Weg geben möchten?
Wenn der Verdacht auf eine Fremdkörper-Aspiration besteht, sollte wirklich immer die Kinderärztin, der Kinderarzt oder die nächstgelegene Kindernotaufnahme aufgesucht werden. Dort wird dann entschieden, ob eine Lungenspiegelung notwendig ist. Fremdkörper, die unerkannt längere Zeit in der Lunge verbleiben, verursachen schwere und teilweise irreparable Schäden. Daher sollte im Zweifelsfall immer nachgeschaut werden, um die Kinder vor den schwerwiegenden Folgen zu schützen. Für die Duisburger Eltern sei noch gesagt, dass wir am Standort St. Johannes in Hamborn hier diese besondere Expertise vorhalten und so 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr bereitstehen, um den Kindern im Notfall zu helfen.
Zusätzliche Informationen
Häufigkeit
Aspirationen von Fremdkörpern sind bei kleinen Kindern relativ häufig und stellen eine bedeutende Notfallsituation dar. In Deutschland gibt es jährlich schätzungsweise etwa 15 bis 20 Fälle von Aspiration pro 100.000 Kindern unter 4 Jahren. Da ist es für Eltern einfach wichtig, über die Schritte zur Ersten Hilfe Bescheid zu wissen.
Welches sind die richtigen Erste Hilfe Maßnahmen?
- Bei leichtem Husten: Ermutigen Sie das Kind zum weiteren Husten, da dies den Fremdkörper manchmal lösen kann.
- Bei Atemnot oder starker Atembehinderung:
- Kleinkinder: Das Kind über den Unterarm legen, mit dem Kopf nach unten. Dann sanft, aber fest 5-mal zwischen die Schulterblätter klopfen.
- Ältere Kinder ab 3 Jahren: Die Heimlich-Handgriff-Methode kann bei älteren Kindern vorsichtig angewendet werden. Dazu steht man hinter dem Kind, umschlingt es mit den Armen und übt mit einer Faust unterhalb des Brustkorbs kräftige Stöße nach oben aus, um den Fremdkörper herauszudrücken.
- Falls das Kind bewusstlos wird oder die Atmung aufhört, ist eine sofortige Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) nötig, bis medizinische Hilfe eintrifft.
- Noch wichtig:
Auch wenn der Fremdkörper scheinbar entfernt wurde, ist ein Arztbesuch ratsam, um mögliche verbleibende Rückstände und Reizungen abzuklären.
Der Einsatz etwaiger Hilfsmittel (z.b. rezeptfreie Absauggeräte) wurde bislang von keiner medizinischen Fachgesellschaft empfohlen und könnte im schlimmsten Fall sogar wirkungsvollere Erste-Hilfe-Maßnahmen verzögern.
Präventionstipps für Eltern
Um das Risiko einer Aspiration zu verringern, können Eltern folgende Vorsichtsmaßnahmen treffen:
- Vermeiden Sie feste Nüsse: Bis etwa zum Alter von fünf oder sechs Jahren sollten Kinder ganze Nüsse nicht bekommen, da die Gefahr des Einatmens hoch ist.
- Aufsicht beim Essen: Sorgen Sie dafür, dass Kinder beim Essen ruhig sitzen und sich nicht während des Spielens oder Herumlaufens die Nahrung in den Mund stecken.
- Sprechen Sie über die Gefahr von kleinen Objekten: Ab einem bestimmten Alter kann man Kindern auch erklären, dass kleine Dinge nicht in den Mund gehören.