
Bochum/Ruhr-Bistum. Elisabeth Hartmann-Kulla aus Bochum-Wattenscheid ist eine von rund 70 Ehrenamtlichen im Bistum Essen, die kirchliche Beerdigungsfeiern leiten. Sie legt Wert auf persönliche Kondolenzgespräche und individuell passende Bibelstellen und bezeichnet sich auch bei ungewöhnlichen Musikwünschen als „schmerzfrei“. Nur mit „Highway to hell“ sollte man ihr nicht kommen.
„Bei jeder Beisetzung sollte es auch etwas zum Schmunzeln geben.“ Wer es bei einem Trauerfall mit Elisabeth Hartmann-Kulla zu tun bekommt, wird schnell feststellen, dass die von ihr gestalteten Beisetzungsfeiern zwar ernst, aber eben nicht todernst ablaufen. Die pensionierte Lehrerin in Bochum-Wattenscheid ist eine von rund 70 ehrenamtlichen Beerdigungsleiterinnen und -leitern im Bistum Essen – sie selbst nennt sich Beerdigungsseelsorgerin. Seit rund zehn Jahren gibt es dieses besondere Ehrenamt in vielen Pfarreien im Ruhrgebiet und im Märkischen Sauerland. Ein Dienst, der viel mehr ist als nur Lückenbüßerin zu sein, wenn es zu viele Bestattungen für zu wenig hauptamtlich Seelsorgende gibt. „Natürlich fülle ich mit diesem Dienst eine Lücke“, sagt Hartmann-Kulla selbstbewusst, „aber ich mache das nicht, weil diese Lücke da ist, sondern weil ich es kann und weil ich es will“.
Seit fünfeinhalb Jahren leitet die pensionierte Deutsch- und Religionslehrerin Beisetzungsfeiern in der Wattenscheider Propsteipfarrei St. Gertrud von Brabant. Mit dem Pfarrbüro stimmt sie jeweils einen Tag pro Woche als Bereitschaftstag ab: Meldet ein Bestattungsunternehmen für diesen Tag eine Beisetzung an und kann diese kein hauptamtliches Mitglied des Pastoralteams übernehmen, kommt Hartmann-Kulla zum Einsatz. „Ich nehme so schnell wie möglich Kontakt zu den Angehörigen auf.“ Ein bis zwei Stunden könne ein Kondolenzgespräch mit ihr dann schon dauern. Entweder trifft sie sich bei den Leuten zuhause oder in Räumen der Pfarrei – Kondolenzgespräche am Telefon gab es bei ihr nur während der Corona-Zeit. Sie schätzt den persönlichen Kontakt: „Ich bin in diesen Runden die einzige, die die verstorbene Person nicht kennt.“ Also hört sie zu und fragt, zum Beispiel: „Was verbinden Sie mit dem oder der Verstorbenen?“ Oft kämen dann im Gespräch sehr bewegende Erinnerungen hoch.
Hartmann-Kulla kann sich Zeit nehmen, die viele Hauptamtliche nicht haben
Insgesamt 81 Bestattungen hat Hartmann-Kulla seit ihrer Beauftragung im Mai 2019 bislang gefeiert. Gemeindepriester oder Diakone würden über eine solche Statistik nur müde lächeln, sagt Hartmann-Kulla. Aber sie kümmere sich eben im Ehrenamt um die Beerdigungen – und kann sich deshalb für die Vorbereitung der für sie viel selteneren Bestattungen Zeit nehmen, die die Hauptamtlichen oft gar nicht haben. So geht sie mit den Informationen aus dem Kondolenzgespräch an den heimischen Schreibtisch und plant den Beisetzungs-Gottesdienst, sucht Texte heraus und überlegt sich passende Worte für ihre Ansprache. „Ich versuche, eine Bibelstelle zu finden, die zu dem Verstorbenen oder zur Situation der Trauernden passt.“ So las sie bei der Beisetzung eines bekannten Sportwagen- und Oldtimer-Fans aus dem 21. Kapitel der Offenbarung den Satz „Die Straße der Stadt ist aus reinem Gold, wie aus klarem Glas.“ Und bei der Bestattung eines langjährig Verheirateten trug sie aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth die von vielen Hochzeitsfeiern bekannte Lesung über „Glaube, Hoffnung, Liebe“ vor, weil der Trauspruch des Verstorbenen aus diesem Text stammte.
Fragt man Hartmann-Kulla, wie sie zu ihrem Ehrenamt gekommen ist, fängt sie bei ihrer Arbeit als Religionslehrerin an. „Mit dem Thema Tod und Trauer konnte ich in der 9. Klasse meiner Gesamtschule fast alle erreichen.“ Einige hatten da schon Oma oder Opa beerdigt oder hatten Trauer bei Freunden und Verwandten erlebt. Als dann in Wattenscheid die Idee aufkam, aus der Gemeindekirche St. Pius ein Kolumbarium, also eine Beisetzungsstätte für Urnen, zu machen, „war ich davon von Beginn an begeistert“. Hartmann-Kulla gestaltete Trauercafés und Beratungsangebote mit – und als sie 2018 in den Ruhestand ging, ließ sie sich für den Beerdigungsdienst qualifizieren. Anfangs hat sie oft Bestattungen im Kolumbarium geleitet, auch weil sie gleich gegenüber wohnt. Weil es dort im Moment an freien Plätzen mangelt, ist sie derzeit häufiger auf den Wattenscheider Friedhöfen im Einsatz.
Leidenschaft für die Menschen – und für Texte
Wenn sie von ihrem Ehrenamt erzählt, ist bei Hartmann-Kulla ganz viel Leidenschaft zu spüren. Leidenschaft für die Menschen, denen sie in der Bestattungs-Vorbereitung begegnet und für die sie „eine würdige und respektvolle Feier“ plant – das ist ihr ganz wichtig. Aber auch Leidenschaft für die Texte, mit denen sie die Feier gestaltet. Auch einige offizielle Gebete der kirchlichen Trauerfeier hat sie „aus der kirchischen Sprache in verständliches Deutsch“ übertragen, sagt Hartmann-Kulla. „Da kommt dann wahrscheinlich die Lehrerin bei mir durch, aber diese Freiheit nehme ich mir.“ Sie möchte verstanden werden, um den Gästen einer Beisetzung Trost zu spenden und Hoffnungs-Perspektiven aufzuzeigen.
Dazu gehört natürlich auch die Musik. „Da bin ich ziemlich schmerzfrei“, sagt Hartmann-Kulla. Ob jemand Kirchenlieder auf der Orgel spielt, man gemeinsam singt oder Musik aus der Bluetooth-Box erklingt … – oft finde sie gerade im weltlichen Liedprogramm der Angehörigen Anregungen für ihre Predigt: „Udo Jürgens‘ ‚Und immer immer wieder geht die Sonne auf‘ hat doch eine tolle Auferstehungsperspektive.“ Nur den AC/DC-Hit „Highway to hell“ (deutsch: „Autobahn zur Hölle“) habe sie von Beginn an kategorisch für sich ausgeschlossen, „es hat mich aber auch noch niemand danach gefragt“.
Eine besondere Herausforderung sind Bestattungen von guten Freunden und engen Bekannten. Das ist bei jemandem wie Elisabeth Hartmann-Kulla, die seit Jahrzehnten in der Nachbarschaft und der Gemeinde verwurzelt ist und sich in der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd) und vielen anderen Bereichen engagiert, nicht unwahrscheinlich. Ihr „Trick“: „In solchen Fällen sage ich einfach zu Beginn, dass auch mir der oder die Verstorbene sehr nahestand und dass es sein kann, dass man mir dies während der Feier anmerkt, zum Beispiel weil meine Stimme bricht.“ Mit der Sicherheit, dass sie ihre Gefühle dann nicht krampfhaft beherrschen müsse, käme sie erstaunlicherweise besonders gut durch solche Gottesdienste. Und nach der Beisetzung einer kfd-Frau aus ihrer Gemeinde hätten ihr andere Mitglieder für diese Offenheit gedankt: „‚Du hast uns das Weinen erlaubt‘, haben sie gesagt.“ Eigentlich hätten sich die Damen nämlich vor der Kirche vorgenommen, nicht zu weinen– doch dann hätte Hartmann-Kullas Eingangsbemerkung wie eine Befreiung gewirkt.
Nein, als Lückenbüßerin fühlt sie sich in ihrem Ehrenamt wirklich nicht, betont Hartmann-Kulla, auch nicht als Alternative oder gar Konkurrenz zu den hauptamtlich Seelsorgenden, von denen sie „viel Wertschätzung“ erfahre. Es sei einfach gut, dass es im Bistum Essen Laiinnen und Laien für den Beerdigungsdienst gibt: „Wir bringen da noch mal ein ganz anderes Charisma mit“.
INFO: Neuer Qualifizierungskurs startet Ende Februar
Wer sich für ein Ehrenamt im Beerdigungsdienst interessiert, muss getauft und gefirmt und mindestens 25 Jahre alt sein. Mit der örtlichen Pfarrei (Kontakt über das Pfarrbüro) sollte dann geklärt werden, ob dort Bedarf für weitere Ehrenamtliche ist und die Pfarrei bereit ist, den- oder diejenige für den Beerdigungsdienst einzusetzen. Die Pfarrei meldet Ehrenamtliche dann für einen Qualifizierungskurs an, der Ende Februar startet und sechs in der Regel zweitägige Termine umfasst. Weitere Informationen gibt es hier: https://www.bistum-essen.de/info/seelsorge-glaube/liturgie unter „Qualifizierungskurse liturgische Dienste im Ehrenamt“.