
Krefeld. Im neuen „SKL Glücksranking 2025″, einer Befragung zur Bürgerzufriedenheit in deutschen Großstädten, liegt Krefeld deutschlandweit auf dem zweiten Platz. Die Lebenszufriedenheit der Menschen in Krefeld ist nach der neuen Studie eines Teams um den Freiburger Wissenschaftler Professor Dr. Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg abermals gestiegen. Im Interview spricht der Wissenschaftler über die Studie und seine Deutung für Krefeld.
Herr Professor Dr. Raffelhüschen, im neuen Städteranking zur Zufriedenheit landet Krefeld auf dem zweiten Platz. Krefeld ist somit die zweitglücklichste Stadt Deutschlands. Sie haben die Studie wissenschaftlich begleitet. Wie sehr sind Sie vom Ergebnis überrascht?
Raffelhüschen: Die Studie zeigt, wie sehr die Lebensrealität der Menschen von dem entfernt ist, was manche Nachrichten und insbesondere in den Sozialen Medien uns glauben lassen. Wir untersuchen im Institut für Finanzwissenschaft und Sozialpolitik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg schon lange die Zufriedenheit der Menschen. In Deutschland haben wir bis zur Corona-Delle immer nur steigende Lebenszufriedenheit festgestellt. Und nach Corona sind wir deutlich auf einem Erholungskurs. Die Zufriedenheit wächst durch das nahe Umfeld mehr, als dass sie durch die großen Krisen sinkt. So kann man auch das Ergebnis für Krefeld interpretieren.
Sie sind seit 1995 Professor für Finanzwissenschaft, haben mit ihrem Team die Studie erarbeitet. Wie sind Sie dabei wissenschaftlich-empirisch vorgegangen?
Raffelhüschen: Wir machen seit 15 Jahren die Zufriedenheitsforschung, im Institut in Freiburg haben wir über die Jahre eine große Datenbank entwickelt, auch mithilfe des Sponsors SKL. Das Datenmaterial des Glücksatlas dient auch als Grundlage für Dissertationen, es handelt sich um eine seriöse Basis. Für das Städteranking 2025 wurden insgesamt 23.468 Menschen (zwischen 16 bis 78 Jahren) vom Institut für Demoskopie Allensbach im Zeitraum von 2022 bis 2025 repräsentativ kontaktiert. Zwischen 600 und 1.500 Menschen sind – anteilig nach der Größe der Stadt – befragt worden, in Krefeld waren es rund 750. Konkret sind die Menschen befragt worden, wie zufrieden sie auf einer Skala von 0 – also ganz und gar nicht zufrieden – bis 10 – also völlig zufrieden – sind. Dabei ist in jeder Stadt auf eine Verteilung der Postleitzahlen geachtet worden, damit alle Stadtteile berücksichtigt werden. Die Rohdaten aus den Befragungen wurden dann meinem Institut für Finanzwissenschaft und Sozialpolitik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zugeleitet. Wir haben die Daten mithilfe eines statistischen Analyseprogramms ausgewertet.
Die Krefelder haben sich in hohem Maße zufrieden gezeigt. Was leiten Sie davon ab, auch vor dem Hintergrund der städtischen Voraussetzungen?
Raffelhüschen: Krefeld ist aufgrund der objektiven Kriterien im Vergleich zu Düsseldorf oder München eigentlich nicht prädestiniert, so weit oben im Zufriedenheitsranking zu landen. Die Krefelder sind mit ihrem Leben deutlich zufriedener als es die objektiv verfügbaren Statistiken erwarten lassen. Entscheidend für Glück sind jedoch vier Faktoren, bei denen Krefeld gut abschneidet. Wir nennen sie die vier Gs: Gesundheit, Gemeinschaft, Geld und Genetische Disposition, mit Letzterem beschreiben wir Mentalität. Im Städteranking ist deutlich geworden, dass besonders das G wie Gemeinschaft das größte Gewicht hat – intakte Nachbarschaftsstruktur, Freunde, Familie, Verein. Das scheint bei Ihnen in Krefeld zu stimmen.
Welche weiteren Entwicklungen sind für Krefeld erkennbar?
Raffelhüschen: Man sieht, dass es bei Ihnen in der Stadt nur sehr wenige sehr unzufriedene Menschen gibt, die Varianz ist nicht sehr groß. Wenn man unter Menschen lebt, die alle ähnliche Lebensvoraussetzungen wie man selbst in finanzieller Hinsicht haben, dann kann man leichter glücklich sein. Man bemisst sein Glück dann nicht so sehr am Nachbarn, es gibt weniger Neid. Die Ungleichheit ist in Krefeld nur gering ausgeprägt, die Einwohner empfinden größtenteils ein ähnlich hohes Glücksniveau. Das ist in vielen Städten anders. In Krefeld sind alle auf einem hohen Niveau zufrieden. Günstig wirkt sich aus, dass es einen hohen Wohnraum pro Kopf und eine gute Wohnsituation gibt. Krefeld hat unter den 40 Städten die vierthöchste Eigentumsquote, viele Krefelder leben in Ein- oder Zweifamilienhäusern auf einer großen Wohnfläche. Man sieht auch, dass es eine hohe Umweltqualität und eine gute Verkehrsanbindung mit nur wenigen Staus gibt.
Was ist aus wissenschaftlicher Sicht das Kernergebnis der Studie in Bezug auf Großstädte?
Raffelhüschen: Die subjektive Einschätzung von dem, was wir von oben herab beurteilen, liegt weit von der Realität entfernt. Das erkennen wir immer wieder. Das sieht man auch an der Diskrepanz von objektiven Kriterien und der subjektiven Zufriedenheit der Krefelder. In mittleren Städte sind die Menschen eher zufrieden als in Großstädten. Die Menschen fühlen sich wohl in Beschaulichkeit und mit Übersicht. Große Großstädte ziehen viele Menschen an, aber sobald man dort ankommt merkt man, was fehlt.
Was können die Krefelder, was können die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland aus dieser Studie mitnehmen, was würden Sie sich wünschen?
Raffelhüschen: Es ist jedenfalls spannend zu sehen, wie viele Menschen glücklich sind, obwohl es objektive Kriterien nicht hergeben. Die Studie ist vielleicht eine Ermunterung, am Glück zu arbeiten. Zufriedenheit ist etwas Infektiöses. Das merken wir auch in der Studie – denn auch die Düsseldorfer, die Mönchengladbacher und die Duisburger scheinen sehr zufrieden zu sein. Die Krefelder leben ganz offenbar in einer zufriedenheitsinfektiösen Region. Das ist doch eine schöne Botschaft für den Niederrhein und das Umland von Krefeld.