Ludger Hovest, Wesel, SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Wesel (Foto: Markus Joosten)
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Wesel/Berlin/Rhein-Ruhr. An den Parteivorsitz Saskia Esken und Lars Klingbeil

Liebe Saskia, lieber Lars,

nun bin ich erst seit 54 Jahren auf vielen Ebenen Funktionär der SPD in unserer Partei und habe schon viele dolle Siege und bittere Niederlagen miterlebt. So, wie die SPD im Augenblick personell und inhaltlich aufgestellt ist, sieht man „Kein Licht mehr am Ende des Tunnels“!

In allen Themen, die die Menschen in Deutschland bewegen und insbesondere die Themen, die die „kleinen Leute“ bewegen, ist die SPD nicht mehr an der Spitze der Bewegung, sondern sie wird getrieben!

Getrieben wird die SPD in der Migrationspolitik, Sozialpolitik …. Egal, wo man hinschaut, wenn andere Parteien in der Ampel oder in der Opposition und der Presse lange genug gemeckert und diskutiert haben und Vorschläge gemacht haben, egal ob zu Recht oder zu Unrecht, läuft die SPD den Themen nach und macht das, was sie monatelang abgelehnt hat, dann doch.

Die stationären Grenzkontrollen, das Abschieben von Straftätern, die Frage des Mindestlohns oder die Rentenpolitik sind nur einige Beispiele.

Was steht angeblich auf der Habenseite? Ein Gesetz über die Selbstbestimmung – in Zukunft kann jeder sein Geschlecht einmal im Jahr ändern lassen oder das Cannabis nun freigegeben ist? Glaubt Ihr wirklich, dass Deutschland auf diese Gesetze sehnsüchtig gewartet hat?

Die verkorkste Ukrainepolitik – kein Mensch glaubt, dass in der Ukraine mit dieser Politik die aktuelle Frontlinie nennenswert verändert wird!

Milliarden von Euro werden jetzt zu spät und halbherzig in Waffen gesteckt. In einigen Jahren ist die Ukraine zerbombt und wird von unseren Steuergeldern wiederaufgebaut. Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr so Wahlen gewinnt und so gute Politik für Deutschland gemacht wird?

Als überzeugter Sozialdemokrat und Kämpfer für die Menschen, die mich gewählt haben, habe ich mich mit meinen Freunden in Wesel immer wieder auf den Prüfstand gestellt und inhaltlich und personell, wenn es notwendig war, neu aufgestellt.

Es gibt nach diesen schlimmen Wahlergebnissen und zwar nicht nur bei der Europawahl, sondern auch bei den gleichzeitig stattgefundenen Kommunalwahlen, ein kleines Zeitfenster, wo man sich als SPD neu aufstellen kann. Das ist dringend notwendig! Der personelle Neuanfang muss an der Spitze passieren. Die SPD steht am Scheideweg. Wir können es schaffen, wie es die Sozialdemokraten in Dänemark geschafft haben und wieder die führende Kraft für die Menschen werden oder wir verschwinden in der Bedeutungslosigkeit, wie unsere französischen Genossinnen und Genossen.

Schlimmer geht immer – haben wir am Niederrhein gedacht und mussten mit dem Unvermögen umgehen, dass der Parteivorstand es nicht geschafft hat, die Genossinnen und Genossen rechtzeitig in der Kampagne für die Europawahl vor Ort mitzunehmen und mit Material zu versorgen.

Ich bin so frei, euch dies offen zu schreiben und auch, wenn ihr möglicherweise nicht viele solcher Briefe bekommt, geht mal davon aus, so oder so ähnlich, wie ich das beschreibe, tickt die Basis der SPD. Wenn ihr die Genossinnen und Genossen in den Ortsvereinen und in den Kommunalparlamenten nicht mehr motivieren könnt und verliert, braucht ihr euch um erfolgreiche Landtagswahlen und Bundestagswahlen keine Gedanken mehr machen.

PS: In Wesel sind über 100 ukrainische Männer im wehrfähigen Alter, die überwiegend nicht arbeiten und Bürgergeld bekommen. Die Menschen, bei denen Geld, Wohnraum und Arbeitslohn knapp ist, denken und sagen: „Das darf doch alles nicht wahr sein!“ und dafür sollen wir die SPD wählen?

 

Ein KlarKlick von Ludger Hovest, Wesel, SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Wesel

Anmerkung der Redaktion: Unter KlarKlick versteht die LokalKlick-Redaktion Gastkommentare, die zur gesellschaftlichen Diskussion führen. Sie geben nur die Meinung des Gastkommentatoren wieder und sind nicht unbedingt die Meinung der Redaktion.

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