v.l. Kai T. Garben, theologischer Geschäftsführer der Grafschafter Diakonie, Präses Dr. Thorsten Latzel, Superintendent Wolfram Syben (Foto: Kirchenkreis Moers)
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Moers/Duisburg/Rheinberg/ Kamp-Lintfort/Alpen. Im Kirchenkreis Moers gibt es etwas zu feiern. Vor 100 Jahren entschieden die Abgeordneten der Synode , dass es einen gemeinsamen Wohlfahrtsverband geben soll, der Menschen am Niederrhein in sozialen Notlagen und schwierigen Lebenssituationen unterstützt. Dieser wuchs seitdem zu einem der großen Wohlfahrtsverbände der Region mit sozialer Arbeit wie z. B. Drogenhilfe, Schuldnerberatung, Demenzberatung und ambulanter und stationärer Pflege. Er trägt mittlerweile den Namen „Grafschafter Diakonie“. Der erste Abend der Synode des Kirchenkreises Moers am 21. Juni 2024 in der Ev. Stadtkirche Moers wurde zur Feier des Diakoniejubiläums genutzt. Im Festgottesdienst zur Eröffnung der Kreissynode um 17 Uhr in der ev. Stadtkirche Moers predigte Dr. Thorsten Latzel, Präses der Ev. Kirche im Rheinland (EKiR), der zur Feier der 100 Jahre Diakonie im Kirchenkreis Moers aus Düsseldorf angereist war.

Predigt Präses Dr. Thorsten Latzel

„Die Arbeit der Diakonie hier im Kirchenkreis von 1924 bis heute ist ein unseres Landes“, sagte Latzel. In ihren 100 Jahren sei sie stets für die Bedarfe von Menschen in Not da gewesen: Von der Zeit der Industrialisierung, Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit in der Weimarer Zeit über die NS-Diktatur, in der die Wohlfahrtspflege vielfach gleichgeschaltet wurde, es aber auch Widerstand etwa gegen die so genannte Euthanasie und Zwangssterilisierung von Behinderten gegeben habe, bis zu den Jahren nach 1945 mit Hunger, Flucht, zerbombten Städten und die 1960er bis 1980er Jahre mit ihren sozialen Herausforderungen wie verdeckter Armut bis hin zu den Jahrzehnten nach der Wende nach 1989 bis heute, in der auf die prosperierenden Nullerjahre bald vielfältige Krisen in Klima, Migration, Pandemie, Krieg und Inflation gefolgt seien. „Stellen Sie sich nur einmal vor, es hätte in diesen Jahren keine Diakonie gegeben, niemanden, der sich für andere einsetzt. (…) Moers wäre eine Stadt, in der Sie und ich niemals leben wollten“, so der Präses. In seiner Predigt thematisierte Latzel außerdem die Jahreslosung „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (1. Kor 16,14). Die Losung sei ein passender Text für eine Kreissynode zum Thema Diakonie, denn zur Liebe gehöre es auch, dass sie immer konkret sei.

Die Kollekte des Abendmahlsgottesdienstes betrug 729, 90 Euro und soll genutzt werden für die Demenzberatung der Grafschafter Diakonie.

Grußworte

Anschließend sprach Dechant Herbert Werth ein Grußwort. Superintendent Wolfram Syben überbrachte die Grüße der Superintendenten der Nachbarkirchenkreise und begrüßte Petra Schmidt-Niersmann, zweite stellvertretende Landrätin des Kreises Wesel, unter den Gästen.

Podiumsgespräch: Braucht die Diakonie Kirche?

Nach der Konstituierung der Sitzung folgten die 100 Synodalen einem Podiumsgespräch zum Thema „Braucht die Diakonie Kirche?“ Auf der Bühne vor dem Abendmahlstisch diskutierten Oberkirchenrätin Dr. Wibke Janssen von der Ev. Kirche im Rheinland, Kai Garben, Pastor und Geschäftsführer der Grafschafter Diakonie, und Pastor Martin Simon aus Vluyn mit den Synodalen. Pfarrerin Annette Vetter moderierte.

Pastor Martin Simon hob die historische Verbindung von Diakonie und Kirche sowie den Einfluss der christlichen Ethik auf die Diakonie hervor. Dem gegenüber stellte er den Anspruch an die Organisationsform der Diakonie, die auch unter den Bedingungen des Marktes funktionieren müsse. Er erklärte aus dem Blickwinkel der Gemeinden, dass die Diakonie von der Kirche profitiere, z. B. wo ehrenamtliches Engagement durch die Kirche unterstützt werde, dass Zugänge und Kontakte zu den Menschen in ihrem Sozialraum entstünden, etwa über Taufen, Trauungen, Beerdigungen und Besuchsdienste. Die Diakonie strebe danach, mehr als nur eine Organisation zu sein. „In der Vernetzung von Diakonie und Kirche liegt dieses ‚Mehr‘, diese Ergänzung, diese Bereicherung beider Handlungsfelder.“

Kai T. Garben, theologischer Geschäftsführer der Grafschafter Diakonie, erklärte, dass das Doppelgebot der Liebe im Neuen Testament die Grundlage der Diakonie bildet. Dies bedeute, Gott zu lieben und den Nächsten bzw. die Nächste. Das beinhalte,  sich um Menschen in Not zu kümmern. „Diakonie ist Ausdruck des lebendigen Glaubens und einer lebendigen Gemeinschaft Christi. Sie braucht die christliche, gemeindliche Praxis, um sich zu entfalten“, so Garben.

Einige Aufgaben, wie Pflege und soziale Beratung, erfordern besondere Fachkenntnisse. Die Diakonie handelt wirtschaftlich, aber braucht auch finanzielle Unterstützung sowie Gebete und praktisches Engagement. Garben betonte mit Verweis auf den biblischen Korintherbrief: „In Jesu Namen erledigen wir als verschiedene Glieder des Leibes Christi unterschiedliche Aufgaben (1. Kor. 12). Die institutionelle Diakonie verkündigt das Evangelium Christi durch alltagsnahe und bedarfsgerechte Taten.“
Er warnte davor, Kirche und Diakonie voneinander zu trennen und riet dazu, gemeinsam vorwärtszuschauen. Die Frage müsse lauten. „Wie meistern wir unsere Aufgaben als zwei Glieder des Leibes Christi?“

Oberkirchenrätin Dr. Wibke Janssen, Ev. Kirche im Rheinland vertrat ergänzend die Position, dass Diakonie Kirche nur brauchen könne, wenn sie auch etwas anderes verkörpere. Diakonie benötige Kirche nicht nur im praktischen Sinne als ein im Kern verbundenes Gegenüber. Diakonie sei auf  Kirche angewiesen vor allem auch bei schwerwiegenden Fragen wie beim Finden ihrer Haltung und Antworten zum assistierten Suizid oder dem Abbruch von Schwangerschaften. Sie gab außerdem die Ergebnisse einer Umfrage weiter, nach der 60 Prozent der Bevölkerung großes Vertrauen in die Qualität diakonischer Angebote angegeben hätte. Sie stellte die Frage zur Diskussion, ob diese Wahrnehmung mit der Verbindung zur Kirche zu tun haben könne.

Der Diskussion folgten Wortbeiträge und Fragen der Synodalen.

Vom Stadtkirchengespräch zum Konzerttag mit Diakoniedorf

Anschließend gab Kai T. Garben den Synodalen einen Überblick über die Feste, die die Grafschafter Diakonie für das Jubiläumsjahr im Weiteren geplant hat, darunter ein Stadtkirchengespräch am 12. September zum Thema „Diakonie im Resonanzraum des Evangeliums“ und der Konzerttag „100 Jahre Diakonie im Kirchenkreis Moers“ am 14.09. in der Ev. Stadtkirche Moers, Klosterstr. 5, Moers, ab 10 Uhr. Zu erleben seien dort ein Posaunenchor mit überraschender Blasmusik, ein Mitmachkonzert für Kinder, ein Auftritt des Stadtkirchenorchesters mit Rock, Blues und mehr, der Gospelchor „joyful voices“ und ein Diakoniegottesdienst werde gemeinsam gefeiert. Den ganzenTag bilden Stände das Diakoniedorf mit einem Markt der Möglichkeiten, Informationen sowie Attraktionen für Klein und Groß und Kulinarischem. Der Abend schloss mit dem Segen um 21:30 Uhr.

Zweiter Tag (22. Juni) – Beschlüsse und Wahlen

Mit einer Andacht von Pfarrerin Anke Prumbaum begannen die Synodalen um 8.30 Uhr den zweiten Tag der Synode. Diesmal waren sie der Einladung der Emmauskirchengemeinde in Rheinhausen gefolgt und tagten im Gemeindehaus an der Christuskirche.

Bevor die Synodalen in die Tagessordnung starteten, stellte Pfarrer Yoram Karusya von der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM) das Projekt „Green Solidarity“ vor und bat die Kirchengemeinden um ihre Unterstützung. Bei dem Projekt baut die VEM in Zusammenarbeit mit der Ev. Kirche im Rheinland im ostafrikanischen Dar es Salaam in Tansania ein ökologisch nachhaltig gestaltetes Zentrum für die 9 Millionen Mitglieder der 17 dortigen Kirchenkreise auf. Es soll als Kirche, Versammlungsraum und Ort der Entwicklung von Konzepten dienen und mit Wasseraufbereitung, begrünten Dächern und Solarenergie ökologisch vorbildlich gestaltet sein.

Ev. Familien- und Erwachsenenbildung

Bereits im Jahr 2022 hatten die Synodalen beschlossen, die Bildungseinrichtungen Erwachsenenbildung und Familienbildungswerk zu einer Bildungseinrichtung mit zwei Arbeitsbereichen zusammenzufassen mit der Erwachsenenbildung als Zweigstelle des Ev. Erwachsenenbildungswerks und der Familienbildung als Einrichtung des Ev. Erwachsenenbildungswerks Nordrhein. Jetzt vollzogen sie im ersten Tagesordnungspunkt mit der Satzungsänderung und einem neuen Namen die beschlossenen Änderungen. Die Familien- und die Erwachsenenbildung wird durch einen gemeinsamen Fachausschuss begleitet und steht nach dem Wechsel in den Ruhestand der bisherigen beiden Leitungskräfte künftig unter einer Leitung.

Gebäudebedarfsplanung

Bis zum Jahr 2035 sollen nach dem Beschluss der Landessynode alle kirchlich genutzten Gebäude der Gemeinden und Kirchenkreise klimaneutral sein. Gleichzeitig zeigen die Prognosen, dass künftig weniger Gebäude für die kirchliche Arbeit notwendig und angesichts rückgehender Einnahmen zu halten sind. Deswegen hat der Kirchenkreis Moers eine Arbeitsgruppe zur Gebäudebedarfsplanung eingerichtet, die Überlegungen anstellt, die den Gemeinden bei ihren Planungen helfen sollen. Weil bei dem Umstrukturierungsprozess viele Bedingungen zu berücksichtigen sind (Zustand der Gebäude, Wunsch der Gemeindeglieder, kostengünstige Alternativen, künftige Arbeitsfelder in sich verändernden Gemeinden etc.), ist der Kirchenkreis Moers auf die Firma der badischen Kirche „Projektentwicklung und Projektsteuerung für Kirchliches Bauen in Baden mbH“ (Pro-KiBa) zugegangen. Die badische Kirche ist im Prozess der Gebäudebedarfsplanung bereits weit fortgeschritten und die Gemeinden am Niederrhein können von dem Know How profitieren. Darüber berichteten Synodalassessor Matthias Immer und KSV-Mitglied Rüdiger Erbe.

Stand der Präventionsarbeit zu sexualisierter Gewalt

Im nächsten Punkt informierten Petra Kurek vom Familienbildungswerk und Multiplikatorin sowie Synodalassessor Matthias Immer die Synodalen über die Schulungen zur Prävention von sexualisierter Gewalt. Zudem dankten sie den Synodalen für ihre Arbeit an den Schutzkonzepten der Gemeinden, die inzwischen nahezu abgeschlossen sind. Schließlich warben sie um Rückmeldungen zu den Schulungen und zur Arbeit an den Konzepten, die dem Kirchenkreis helfen, ihre Schulungsangebote und Unterstützung bei den Konzepten zu verbessern. Und eine wichtige Botschaft für die Zukunft gaben sie den Versammelten mit: Präventionsarbeit wird niemals abgeschlossen sein, sondern bleibt eine vordringliche Aufgabe. „Bitte macht Eure Schutzkonzepte zu Eurer lebendigen Leitlinie“, bat Superintendent Wolfram Syben.

Thema für nächste Synode im November: Umgang mit sinkende Kirchensteuereinnahmen

Die Entwicklung der Kirchensteuer für das Jahr 2023 hat nicht die prognostizierten Einnahmen erbracht, sondern eine Entnahme von Finanzmitteln in Höhe 1,15 Mio Euro aus der Rücklage erforderlich gemacht, damit die Gemeinden weiterhin ihre Aufgaben leisten können. Für das Jahr 2024 sind es 1,25 Mio., die an Einnahmen für die kirchliche Arbeit fehlen. Dieses Thema werden die Synodalen während ihrer Zusammenkunft im November zu bearbeiten haben.

Ausbildung ehrenamtlicher Seelsorgender

Die Zahl der hauptamtlichen Seelsorgenden geht zurück, der Bedarf an Seelsorge aber bleibt hoch. Im November des Jahres 2022 hatten die Synodalen beschlossen, ehrenamtliche Seelsorgende in den unterschiedlichen Bereichen der Seelsorge (u. a. Krankenhaus, Altenheim, Gemeinde und andere Einsatzfelder) auszubilden. Ihre Qualifizierung und Begleitung sollte Krankenhausseelsorgerin Anke Prumbaum mit einer halben Stelle übernehmen. Mittlerweile haben die Nachbarkirchenkreise Kleve und Krefeld-Viersen aus inhaltlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Gründen Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Kirchenkreis Moers geäußert. Ausbildung und Steuerung sollen gemeinsam bewerkstelligt werden. Die Kosten für die Ausbildung der ehrenamtlich Seelsorgenden liegen bei 140.500 Euro. Die Verteilung der Kosten berechnet sich anteilig nach der Zahl der Gemeindeglieder der Kirchenkreise.

Wahlen und Berufungen

Abgeordnete für die Landessynode

Zur Landessynode entsendet der Kirchenkreis Moers auch Abgeordnete. Konkret den Superintendenten, eine Pfarrerin oder einen Pfarrer und drei nichttheologische Abgeordnete. Sie werden von der Synode berufen. Ebenso Personen, die sie vertreten können.

Pfarrerin Kirsten-Luisa Wegmann aus der ev. Kirchengemeinde Schwafheim wurde zur theologischen Abgeordneten des Kirchenkreises Moers für die Landessynode gewählt, Pfarrerin Laura Bowinkelmann, ev. Kirchengemeinde Scherpenberg, zur 1. Stellvertreterin, Pfarrer Michael Hammes, ev. Kirchengemeinde Lintfort, zum 2. Stellvertretenden.

Dirk Kamann wählten die Synodalen zum ersten, Brigitta Müller-Osenberg zur zweiten, und Svenja Muntenbeck zur dritten nichttheologischen Abgeordneten. Michael Lammersdorf wurde zum ersten Stellvertreter für die nichttheologischen Abgeordneten, Christiane Culp zur 2. Stellvertretung und Marcel Bauer zur 3. Stellvertretung.

Nominierungsausschuss

Im November stehen viele Wahlen auf dem Programm der Synodalen. Unter anderem muss der Superintendent gewählt werden. Wahlvorschläge erstellt der Nominierungsausschuss. Als Mitglieder wurden berufen:

Region 1 (Alpen, Bönninghardt, Budberg, Orsoy, Rheinberg, Wallach-Ossenberg-Borth):

  1. Vertreterin: Pfarrerin Ulrike Thölke (Vorsitzende)
  2. Vertreter: Andreas Oesterwind

Region 2 (Baerl, Essenberg-Hochheide, Homberg):

  1. Vertreter: Pfarrer Andreas Klumb
  2. Vertreterin: Christa Becker

Region 3 (Emmauskirchengemeinde – Gemeindebereiche Christus-/Erlöserkirche, Friedenskirche, Friemersheim, Rumeln-Kaldenhausen):

  1. Vertreterin: Pfarrerin Uta Bülbring.
  2. Vertreterin: Anne Eichhorn

Region 4 (Kapellen, Moers, Moers-Asberg, Moers-Hochstraß, Moers-Scherpenberg, Schwafheim):

  1. Vertreterin: Pfarrerin Kirsten Luisa Wegmann.
  2. Vertreter: Rüdiger Erbe

Region 5 (Rheinkamp):

  1. Vertreterin: Gabriele Süßer
  2. Vertreterin: Birgit Sielaff

Region 6 (Hoerstgen, Lintfort, Neukirchen, Vluyn):

  1. Vertreter: Pfarrer Stefan Vogt
  2. Vertreter: Helmut Haß.

Kreissynodalvorstand:

Vertreter: Dirk Kamann

Ausschuss „Kita und Gemeinde in Kontakt“

Andrea Malkus aus dem Presbyterium Bönninghardt wurde in den Ausschuss „Kita und Gemeinde in Kontakt“ berufen als Nachfolgerin für Christiane Culp.

Die Synode schloss gegen 13.00 Uhr mit einem Lied und dem Segen.

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