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Kamp-Lintfort. Mit dem einen Ohr noch bei der Predigt, mit dem anderen schon an der Theke – so ähnlich mag es damals dem einen oder anderen Gottesdienstbesucher ergangen sein, der sich sonntags auf den Weg nach Saalhoff bei Kamp-Lintfort gemacht hatte. Denn ursprünglich bestand das Gebäude, das in diesem Jahr sein 300-jähriges Bestehen feiert, zweigeteilt: mit einem Schankraum auf der einen Seite und der Kapelle auf der anderen. Eine lange Brautradition ist belegt, selbst Josef Diebels versorgte von Saalhoff aus die Menschen mit Bier, bevor er 1874 in das nicht weit entfernte Issum zog, wo er mehr Platz hatte.

Diese Tradition hat ein Fenster hinterlassen, das man sonst wohl in keiner Kirche findet – das Bierglasfenster. Zusammengesetzt aus 26 bunten Glasscheiben, die an die Braukunst am Niederrhein erinnern. Die ältesten Stammen aus dem Jahr 1724, die jüngste Scheibe erinnert erst seit wenigen Jahren an den Brauer mit dem prominenten Namen: Die Nachfahren von Josef Diebels hatten vor einigen Jahren die Restaurierung des Fensters ermöglicht und durften an einer freien Stelle eine Diebels-Scheibe einsetzen. Hans-Dieter Dormann lächelt: „Mit der Familie Bösken-Diebels haben wir seither einen sehr guten Kontakt“, sagt er. Jedes große Projekt braucht Menschen mit guten Kontakten, für die Kapelle in Saalhoff ist Dormann einer von ihnen. Ohne ihn und seine Mitstreiter wäre das große Fest, das am kommenden Sonntag, 19. Juni, gefeiert wird, kaum möglich. Denn die 300 Jahre, die das Gemäuer bereits steht, sind nicht nur ein Grund zur Freude, sie hatten auch Spuren hinterlassen.

Dormann guckt sich in der Kapelle um. Es gab Jahre, in denen fraglich war, ob sie noch zu retten ist. „Ich bin auf jedem Schützenfest mit einem Sparschwein herumgegangen, dafür war ich am Ende schon bekannt“, sagt Dormann und lächelt. Am Ende kamen knapp 100.000 Euro an Spenden zusammen, die in die Renovierung der Kapellen flossen. Dazu unzählige Arbeitsstunden und das Engagement vieler Betriebe aus dem Ort, die ihre Hilfe zusagten, wenn Dormann anklopfte. „Alle haben mit angepackt, das geht nur mit tatkräftiger Unterstützung“, betont er. Immer wieder fällt der Name der St.-Michael-Schützenbruderschaft. Der Name verpflichtet: Die Kapelle ist Patronatskirche für die Schützen, die alte Fahne ist dort ebenso zu sehen wie das alte Schützensilber. Dormann weist auf eine Plakette in der Mitte des Königsbehangs: „Das ist das Original aus dem Gründungsjahr unserer Bruderschaft – das war 1520“, erzählt er mit einer Mischung aus Stolz und Ehrfurcht. Er selbst hat sich auch in die lange Reihe der Schützenkönige eingereiht und wurde – wie alle Schützenkönige in Saalhoff – in der Kapelle proklamiert. „Das ist schon ein ganz besonderer Augenblick“, sagt Dormann.

Die Besucher, die am 19. Juni nach Saalhoff kommen, dürfen sich auf eine prächtige Feier freuen. Weihbischof Wilfried Theising reist an und wird vom Feuerwehrhaus in einem kleinen Festzug zur Kapelle begleitet. Fahnenschwenker zeigen ihr Können, der Chor singt, Fahnenabordnungen aus der ganzen Umgebung sind zu Gast. Es werden kaum alle in der Kapelle Platz finden, aber es ist vorgesorgt: Der Gottesdienst wird per Beamer ins Festzelt übertragen. Die Messe beginnt um 10 Uhr, anschließend wird rund um den Hoogenhof, zu dem das Gebäude gehört, gefeiert.

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