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Wolfgang Michels (l.) und Dr. Henner Tilgner (Fotos: privat)

Mülheim. In einer Sitzung des Fraktions-Arbeitskreises „Verkehr“ unter der Leitung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Michels war die Zukunft des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Mülheim Thema. Mit dem städtischen Verkehrs- und Planungsdezernenten Prof. Peter Vermeulen wurde das vor der Sommerpause den Ratsgremien vorgelegte „Gutachten zur mittel- und langfristigen Investitionsstrategie im schienengebundenen ÖPNV“ angeregt diskutiert.

Das neue ÖPNV-Gutachten wurde in Auftrag gegeben, da der städtische Zuschuss an die MVG mittlerweile bei jährlich über 31 Mio. € mit steigender Tendenz liegt. Dazu Wolfgang Michels: „Angesichts der Tatsache, dass dies allein etwa die Hälfte des jährlichen Gesamtdefizits im städtischen Etat (2015: – 78,7 Mio. €) ausmacht, ist der Handlungsdruck in diesem Bereich offenkundig!“   

Dieses Gutachten zeigt Möglichkeiten auf, Einsparungen zu erzielen durch Umstrukturierung des ÖPNV-Netzes. Es empfiehlt ein optimiertes Schienennetz als Rückgrat zu erhalten, aber das Busnetz so auszurichten, dass die Busse als Zubringer für die Straßenbahn dienen. Hierzu müssen sinnvolle Verknüpfungspunkte definiert werden. Im NVP wurde beispielsweise ein derartiger Verknüpfungspunkt am Friedhof Broich mit der Straßenbahnlinie 102 und den Buslinien 131 und 134 festgelegt. Der im NVP mitbeschlossene Verknüpfungspunkt „Broicher Friedhof“ muss kurzfristig geschaffen werden. Die Abfahrzeiten der dort haltenden Busse und der Bahn müssen entsprechend angepasst werden. Die CDU-Fraktion legt Wert darauf, dass kurzfristig seitens der Stadt die baulichen Maßnahmen für diesen Verknüpfungspunkt geschaffen werden.

Nach Ansicht der Christdemokraten belegt das ÖPNV-Gutachten eindrucksvoll, dass Änderungen im Schienennetz sehr kostenträchtig sein können, da praktisch die komplette Infrastruktur vom Land gefördert wurde und die Bindungsfrist dieser Förderung 25 Jahre beträgt. Würde man heute das Schienennetz vollständig aufgeben, so wären mehr als 170 Mio. € an Rückzahlung der noch laufenden Fördergelder fällig. Deshalb wäre die Umsetzung eines solchen Vorschlages in finanzieller Hinsicht katastrophal.

Eine andere untersuchte Handlungsvariante betraf die Aufgabe der in der Unterhaltung sehr teuren Tunnel und die Verlegung der unterirdischen Strecken wieder an die Oberfläche. Neben den damit verbundenen Kosten liefen die Abschreibungen und die Verzinsung weiter. Auch müssten Fördergelder in Millionenhöhe zurückgezahlt werden. Zudem müsste der zusätzliche Verkehr von den heute schon überfüllten Straßen aufgenommen werden. Diese Variante sollte daher aus Sicht der CDU-Fraktion nicht weiter verfolgt werden.

Das Gutachten zeigt weitere Szenarien auf, die wesentlich mehr Realitätsbezug haben. Im Szenario E 1 ist der Erhalt des Schienennetzes in seinem jetzigen Zustand und eine Neuordnung des Bussystems – Stichwort: Zubringer – insbesondere für die südlichen Stadtteile – vorgesehen. Das Szenario E 2 enthält die Vorschläge Einkürzung der Straba-Linie 102 vom Uhlenhorst bis Friedhof Broich, Wegfall der Kahlenberg-Straba-Linie 104 und die bereits unter E 1 geforderte Neuordnung des Busnetzes. Beim Szenario E 3 kommt neben den unter E 2 vorgeschlagenen Maßnahmen noch der vollständige Verzicht auf die Straba-Linie 112 hinzu.

Da die E-Szenarien sukzessive realisiert werden können, sprach sich der CDU-Fraktionsarbeitskreis „Verkehr“ dafür aus, möglichst schnell das Szenario E 1 umzusetzen und kurzfristig die Vorschläge des Szenarios E 2 anzupacken.

Das vom Gutachter vorgeschlagen Szenario „Zielnetz“ entspricht dem Szenario E 2 mit einer Erweiterung, nämlich einer Straßenbahn als Verlängerung der Straba-Linie 102 von der Haltestelle Heuweg über die Saarner Straße zur Alte Straße. Der CDU-Fraktionsarbeitskreis sagt ein klares Nein zu diesem Vorschlag. Es bestehen erhebliche Zweifel an der technischen Machbarkeit (Steigungen, Platzbedarf, Linienführung von Alte Straße weiter nach Saarn). Beim Vergleich der Fahrzeit mit den Buslinien über die Düsseldorfer Straße wird kein Vorteil für den millionenschweren Bau der neuen Straba-Linie gesehen. „Wir schaufeln kein ‚Millionengrab Straßenbahn’ nach Saarn!“ so Wolfgang Michels.

Die Bezirksregierung Düsseldorf und das NRW-Verkehrsministerium sorgten in den vergangenen Jahrzehnten dafür, dass im gesamten Ruhrgebiet „ein finanziell verhängnisvolles Nebeneinander an unterschiedlichen kostspieligen Schienensystemen“ entstand. Deshalb müssen sie endlich ihrer Verantwortung für die zukünftige Finanzierung des Betriebes gerecht werden. „Prinzipienreiterei der Bezirksregierung auf Kosten des Steuerzahlers“, z.B. keinen Meter der Meterspurstraßenbahn im westlichen Ruhrgebiet aufgeben zu wollen, helfe den finanziell notleidenden Städten überhaupt nicht. Dazu Dr. Henner Tilgner, Vorsitzender des städtischen Mobilitätsausschusses: „Das NRW-Verkehrsministerium und die Bezirksregierung werden dringend aufgefordert, die Initiative für eine infrastrukturelle und organisatorische Neuordnung des SPNV und des ÖPNV zu starten und zu organisieren.“

Der ständige Widerspruch innerhalb der Bezirksregierung Düsseldorf, als Kommunalaufsicht einerseits in jeder Haushaltsgenehmigung Einsparungen im ÖPNV zu verlangen und andererseits zugleich im selben Haus in einer anderen Abteilung massiv zu fordern, keine strukturellen Änderungen im ÖPNV-Netz vorzunehmen, ist endlich zu beseitigen. „Nur so kommen wir beim Defizit- und Subventionsabbau im ÖPNV für Mülheim an der Ruhr entscheidend weiter“, zieht Wolfgang Michels als Fazit.

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