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Vom Aufgang neuer Sonnen … Minguet-Quartett ( © Frank Rossbach)

Duisburg/Wesel/Hamminkeln/Kamp-Lintfort. Die Muziek Biennale Niederrhein ist längst kein Pionier eines grenzübergreifenden Festivals mehr, sondern eine gesetzte Größe in der Musiklandschaft zwischen Rhein und Maas. Alle zwei Jahre bietet sie – nun zum fünften Mal – rund einen Monat lang ein Schaufenster der Spitzenleistungen in Konzert-, Kompositions- und Ausbildungsstätten.

In diesem Jahr durchkreuzt die Muziek Biennale Niederrhein Hörgewohnheiten, spielt mit Genres und richtet den Blick auf neue Generationen: Unter dem Titel „MORGEN – Zukunftsmusik an Rhein und Maas“ legt das Festival den Finger auf den Puls des Zeitgeistes und begibt sich auf eine musikalische Entdeckungsreise jenseits tradierten Schubladendenkens. Vom 3. September bis zum 20. Oktober wird in über 60 Konzerten an 29 Orten, in Musikwerkstätten mit jungen Komponisten, Ausbildungscamps für junge Rock-Pop-Talente, Sonderproduktionen sowie auf Bühnen für preisgekrönte Nachwuchstalente eine Vielfalt von Klangformaten präsentiert, die wir JETZT, MORGEN oder ÜBERMORGEN hören werden.

„Vierundzwanzig Wege in eine neue Welt“ – dies ist nicht nur der Titel eines Muziek Biennale Konzerts mit der Münchnerin Cembalistin Christine Schornsheim, die sich in Schloss Ringenberg mit Werken von Johann Caspar Ferdinand Fischer und Johann Sebastian Bach zwei Visionären des 18. Jahrhunderts widmet – es ist gleichsam der programmatische Leitfaden einer Reihe von Konzertformaten, die der Musiker, Musikhistoriker und langjährige künstlerische Leiter des Festivals, Wolfgang Kostujak, im Rahmen seiner Spurensuche nach neuen Wegen und lichtstrahlenden Visionen in der klassischen Musikliteratur für den Kreis Wesel und Duisburg kreiert hat. Im Mittelpunkt des Ringenberger Konzerts mit der Weltklasse-Musikerin Christine Schornsheim am 17. September stehen Stücke aus Fischers „Ariadne Musica“ und Bachs „Wohltemperierten Clavier“, die in tonaler Hinsicht neue Wege bahnten und alle zwölf Töne der Klaviatur zur Grundlage ihrer Kompositionen mit je einer Dur- und einer Molltonleiter machten.

Einem „Neutöner“ ist auch das Konzert am 4. September in der Bislicher Kirche St. Johannes gewidmet. Das Streichquartett B-Dur, op. 76, 4 komponierte der 65jährige Joseph Haydn als er 1797 von einer Reise nach London ins heimische Wien zurückkehrte. Da der großangelegte Crescendo-Beginn des Werks die Nachwelt immer wieder an Prozesse des aufgehenden Lichts erinnern, ist es in der Umgangssprache unter dem Beinamen „Sonnenaufgangsquartett“ bekannt geworden und weist darüber hinaus faszinierende Parallelen zu der entsprechenden Stelle in Haydns großem Oratorium „Die Schöpfung“ auf, an dem der Komponist zeitgleich arbeitete. Das international konzertierende Kölner Minguet-Quartett lässt mit seiner Interpretation so das Morgenlicht in der Bislicher Kirche St. Johannes erstrahlen.

Dass auch ein Spätwerk frische und innovative Impulse liefern kann, beweist das Konzert in der Duisburger Salvatorkirche am 25. September. Der Kantatenzyklus „Die Tageszeiten“, den der 78jährige Georg Philipp Telemann 1759 als eines seiner letzten, groß besetzten, oratorischen Werke auf den Text des fast 50 Jahre jüngeren Friedrich Wilhelm Zachariae komponiert hat, zählt mit seinen vier programmatischen Abschnitten – „Morgen“, „Mittag“, „Abend“ und „Nacht“ – zu den vitalsten tonmalerischen Beiträgen aus Telemanns Oeuvre. In der Duisburger Salvatorkirche wird  unter Leitung von Marcus Strümpe der Verlauf der gesamten Sonnenbahn – vom Aufgang bis zum Untergang – mit Telemanns bildlichen und äußerst kurzweiligen Vertonungen verfolgt.  

Die Weidtman-Orgel der Ev. Kirche in Hoerstgen, die älteste spielbare Orgel der Niederrheinregion aus dem Jahr 1731, hat sich in den zurückliegenden Biennale-Durchgängen schon mehrfach als Ort zum Wachküssen schlummernder Schätze der Musikliteratur bewährt. Diesmal ist es der Kölner Organist und Cembalist Léon Berben, der den Morgenstern über alten Handschriften – aus der Feder von Jan Pieterszoon Sweelinck, Dieterich Buxtehude und Samuel Scheidt – am 2. Oktober aufziehen lässt.  

 

Konzerte in chronologischer Übersicht:

04.09.2016, 17:00- Katholische Kirche St. Johannes, Wesel

Vom Aufgang neuer Sonnen…

Minguet-Quartett | Ulrich Isfort, Violine | Annette Reisinger, Violine | Arona Sorin, Viola | Matthias Diener, Violoncello

TICKETS: 13,- €, (6-, €*)
VVK LOKAL: Stadtinformation, Wesel, Buchhandlung Korn, Wesel, R. Droste, Wesel-Bislich, Buch & Präsent, Bülowstr. 4, Voerde-Friedrichsfeld, Le Café Crème, Hamminkeln-Dingden oder direkt unter Tel.: +49(0)2859/599 + 901844, Fax: +49(0)2859/205316, info@pro-musica-bislich.de

Es gehört zu den vornehmsten Herausforderungen von programmatischer Musik, in musikalischer Manier Dinge zu schildern, die mit Musik und Klang eigentlich erst einmal überhaupt nichts zu tun haben. Umgekehrt lassen sich aber aus Musik auch allerhand außermusikalische Dinge herauslauschen, die vielleicht nicht einmal ihrem Komponisten bewusst waren. Im Fall des Streichquartetts B-Dur, op. 76, 4 von Joseph Haydn ist das so. Als der 65jährige Meister 1797 von einer Reise nach London ins heimische Wien zurückkehrte, schuf er ein Werk, dessen großangelegter Crescendo-Beginn die Nachwelt immer wieder an Prozesse des aufgehenden Lichts erinnern und daher in der Umgangssprache unter dem Beinamen „Sonnenaufgangsquartett“ berühmt werden sollte.

Tatsächlich gibt es faszinierende Parallelen zu der entsprechenden Stelle in Haydns großem Oratorium „Die Schöpfung“, an dem er zeitgleich arbeitete. Mehr als irgendein anderes Werk dieses Genres von Joseph Haydn hat der Beginn des Streichquartetts in B-Dur die romantische Wertschätzung für dessen Oeuvre geprägt – und damit selbst den Morgen eines neuen künstlerischen Zeitalters aufgestoßen.

 

17.09.2016, 20:00 – Atelier- und Ausstellungszentrum Schloss Ringenberg, Hamminkeln

Vierundzwanzig Wege in eine neue Welt

Musik aus der „Ariadne Musica“ von Johann Caspar Ferdinand Fischer (1662 – 1746) und aus dem „Wohltemperierten Clavier“ von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)

Christine Schornsheim, Cembalo

TICKETS: 15,- € (10,- €*) Kinder bis 14 Jahre frei | Kinderen onder de 14 gratis | Reservierung | Reservering: Tel.: +49(0)2852-9659950

Im Jahr 1722 stellt Johann Sebastian Bach 24 Praeludien und Fugen zu einem Album zusammen. Er tut das – wie er selbst sagt – „zum Nutzen und Gebrauch der Lehr-begierigen Musicalischen Jugend“ und zu deren „besonderem Zeit Vertreib“.

Das jugendliche Publikum repräsentiert seinerzeit die große Hoffnung auf Morgenluft für ein Projekt, das alle zwölf Töne der Klaviatur zur Grundlage je einer Dur- und einer Molltonleiter erklärt, nachdem sich die Menschen zuvor jahrhundertelang vollkommen widerspruchslos mit weniger als der Hälfte zufrieden gegeben und führende Mathematiker immer wieder einen großen Teil des Quintenzirkels zur musikalischen No-Go-Area erklärt hatten. Für die einen ist das, was Bach fordert, eine Unverschämtheit, für andere ist es ein Luftschloss. Dabei hatte Johann Caspar Ferdinand Fischer 20 Jahre eher unter dem Titel „Ariadne Musica“ schon einmal eine ganz ähnliche Sammlung von Praeludien, Fugen und Ricercari veröffentlicht, mit der er die Ecclesiasticas Cantilenas „nach all den Herrgottszeiten von Jahren endlich aus dem Labyrinth der Bedrängnis“ ans Licht zu führen gedachte, wie er im lateinischen Vorwort schreibt. Die Muziek Biennale Niederrhein 2016 widmet den beiden Visionären des 18. Jahrhunderts mit ihrer Zukunftsmusik ein Podium im Schloss Ringenberg. Zu Gast ist die Weltklasse-Cembalistin Christine Schornsheim aus München, auf der Bühne steht ein Cembalo nach Pierre Donzelague von Detmar Hungerberg.

 

25.09.2016, 17:00 – Salvatorkirche – Evangelische Citykirche für Duisburg

„Der Morgen kömmt, mit ihm die Freude…“

Nacht, Dämmerung – die ganze Sonnenbahn als Klang

Melanie Spitau, Sopran | Agnes Kovacs, Alt | Cézar Dima, Tenor | Gregor Finke, Bass | Kantorei und Orchester der Salvatorkirche | Marcus Strümpe, Leitung

TICKETS: 15,- € (9,- €*) VVK LOKAL: Ticketshop Falta (gegenüber Königsgalerie, Tel. +49(0)203-26464), Musikbüro, Junkernstr. 4, D-47051 Duisburg, Tel.: +49(0)203-287431, karten@salvatorkirche.de, www.salvatorkirche.de

Der Kantatenzyklus „Die Tageszeiten“, den der 78jährige Georg Philipp Telemann 1759 als eines seiner letzten, groß besetzten, oratorischen Werke auf den Text des fast 50 Jahre jüngeren Friedrich Wilhelm Zachariae komponiert hat, zählt mit seinen vier programmatischen Abschnitten – „Morgen“, „Mittag“, „Abend“ und „Nacht“ – zu den vitalsten tonmalerischen Beiträgen aus Telemanns Oeuvre. Im programmatischen Kontext der Muziek-Biennale repräsentiert insbesondere der „Morgen“ als Geburtsstunde von Freude, Erkenntnis und physisch-spiritueller Erleuchtung die GrundlaGrundlage für ein neuartiges, von den Naturbildern der frühen Aufklärung geprägtes Weltbild.

Eine Steilvorlage für Wolfgang Amadeus Mozarts Serenade Nr. 13 in G-Dur als Ouvertüre: Immerhin bezeichnet der Meister das Stück in seinem Werkverzeichnis höchstpersönlich als „Eine kleine Nachtmusik“.

 

02.10.2016 – Evangelische Kirche Hoerstgen, Kamp-Lintfort

„Wie schön leuchtet der Morgenstern“

Léon Berben, älteste spielbare Orgel der Niederrheinregion von Thomas Weidtman, 1731

Eintritt frei | Gratis entree
Kollekte am Ausgang | Collecte bij de uitgang

Ein mystisches Brautlied hatte der lutherische Hofprediger von Herdecke und Pfarrer von Unna Philipp Nicolai zu Papier bringen wollen, als er im Jahr 1597 unter dem Titel „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ einen Zusammenschnitt des 45. Psalms, dem Hohen Lied der Liebe und der Offenbarung des Johannes verfasst hat – und dann noch prompt eine Melodie hinzukomponierte. Seitdem hat das Stück immer wieder als Vorlage für vielfältige musikalische Bearbeitungen herhalten müssen. Einige davon gehören – wie etwa Dietrich Buxtehudes und Max Regers Choralfantasien – zum Kernbestand des Konzertrepertoires, andere verbringen einen Dornröschenschlaf abseits vom spielerischen Standardprogramm der Organisten – oder sie schlummern gar unveröffentlicht in abgelegenen Archiven und Bibliotheken.

Die Weidtman-Orgel von Hoerstgen hat sich in den zurückliegenden Biennale-Durchgängen schon mehrfach als Ort zum Wachküssen schlummernder Schätze der Musikliteratur bewährt. Diesmal ist es der Kölner Organist und Cembalist Léon Berben, der den Morgenstern über alten Handschriften – aus der Feder von Jan Pieterszoon Sweelinck, Dieterich Buxtehude und Samuel Scheidt – aufziehen lässt.

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