Andrea Flasch (l.) und Marion Müller (Foto: Helios)
Anzeige

Schwelm. 20 Jahre Nachtdienste und noch immer nicht müde!

Es ist ein Freitagvormittag. Andrea Flasch und Marion Müller schreiten auf den Personaleingang zu. Sie gehen zielstrebig die Treppen hoch in die 2. Etage. Die Stationstür der 2 E öffnen sie mit einer vierstelligen Tastenkombination. Auf der Intensivstation angekommen auf dem Weg zum Tresen begrüßen die Kolleginnen und Kollegen die beiden Frauen herzlich. Siebewegen sich durch die Räumlichkeiten der Intensivstation, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Und so ist es: Andrea Flasch arbeitete 41 Jahre und Marion Müller 21 Jahre auf der Intensivstation des Helios Klinikums Schwelm. Jetzt soll es genug sein –der wohlverdiente Ruhestand ruft. Doch vorher packen die „beiden Stationsmuttis“ (liebevolle Bezeichnung durch die jüngeren Kolleg:innen)ihre Erfahrungen und Erinnerungen aus:

Arbeiten auf der Intensivstation -für Beide ein erfüllender Beruf, verbunden mit viel Verantwortung und täglich neuen Herausforderungen. „Während meiner Einarbeitung auf der Intensivstation, wo es häufig um Leben und Tod geht, fühlte ich mich anfangs schon sehr herausgefordert. Die fachübergreifende Zusammenarbeit war sehr viel und anstrengend”, erinnert sich Marion Müller, die vorher internistisch und in der Altenpflege arbeitete. „Zum Glück hatte ich immer tolle Kollegen, mit denen ich darüber sprechen konnte. Das hat mir sehr geholfen.” Andrea Flasch weiß noch ganz genau, dass es mit Beginn ihrer Tätigkeit noch keine Stationsleitung gab. „Wir hatten einen Schichtführer. Der Teamgedanke war damals noch gar nicht vorhanden. Der hat sich viel später entwickelt und ist im Laufe der Jahre immer weitergewachsen.“ Auch die Zusammenarbeit mit den Ärzten, so ergänzt sie, sei dabei auf Augenhöhe. Es herrsche ein reger und konstruktiver Austausch zwischen Ärzten und Pflegekräften. Und junge Ärzte profitierten von ihrer Erfahrung.

Die lange Zeit, die sie auf „der Intensiv“ verbracht haben, wollen die Frauen nicht missen. Sie berichten von gesteigerter Stressresistenz, Verantwortungsbewusstsein, Arbeit in einem multiprofessionellen Team und von ganz viel Empathie -Kompetenzen, die sie über die vielen Jahre aufgebaut haben.

Beide lachen viel während sie erzählen und sich gemeinsam erinnern. Ihr Miteinander ist vertraut. Sie sind mehr als nur Kolleginnen. Sie sind Freundinnen. Natürlich rücke man zusammen –beruflich wie privat. „Wir arbeiten hier wirklich eng zusammen, im wahrsten Sinne des Wortes“, erzählt Andrea Flasch. „Wenn Patienten gelagert werden oder Notfallhandlungen nötig sind, müssen wir auch oft zu zweit oder mit mehreren Hand in Hand anpacken. Hier arbeitet ein eingespieltes Team.“

Und da sind diese Momente, die in besonderer Erinnerung geblieben sind, wenn bei Patienten und Angehörigen Tränen über die Wange rollen. „Natürlich ist man dann auch mal nah am Wasser gebaut, das gehört dazu“, weiß Andrea Flasch. „Unsere Arbeit lässt niemanden kalt. “Ganz viel Kommunikation erfolge über Mimik oder wie Patienten auf Berührungen reagieren. „Fingerspitzengefühl, Humor und gute Laune, das ist hier enorm wichtig.“

„Weißt du noch der Patient mit der schweren Hirnhautentzündung“, Marion Müller blickt lächelnd zu ihrer Kollegin. „Seine Genesung war lange Zeit fraglich“, berichtet sie. „Doch eines nachts spannten sich ein wenig seine Muskeln an und wieder zwei Nächte später blinzelte er. Wochen später war er wach. Nach eineinhalb Jahren habe ich ihn dann gutgelaunt vor einem Kaufhaus wiedergesehen.“ Auch das gehört zu ihrer Arbeit: Die freudigen Ereignisse, wenn Menschen, die dem Tod nah waren, die Intensivstation wieder verlassen können. Und man das Gefühl bekomme, geholfen zu haben. „Es gibt viele schöne Erlebnisse auf der Intensivstation, die man gerne in Erinnerung behält”, berichten Beide. „Wir sollten ein Buch schreiben.“

Darüber hinaus bemerkenswert: Andrea Flasch und Marion Müller haben die letzten Jahrzehnte ausschließlich Nachtdienste absolviert –20 und 10 Jahre lang. Beiden passte der Nachtdienst in die private Lebenssituation, beispielsweise zur Betreuung der Enkelkinder tagsüber. Doch schätzen sie vor allem, dass sie sich nachts ruhiger um die Patienten kümmern können. „Ich arbeite gerne mit und vor allem für die Menschen”, berichtet Andrea Flasch. „Nachts klingelt weniger das Telefon und man kann ungestörter für die Patienten da sein.“

Intensivmedizin bedeutet Tempo: Schnelles Handeln ist zu jeder Zeit gefragt, Situationen müssen sofort erfasst werden. „Die Arbeit war weder körperlich noch psychisch leicht. Mein Schrittzähler hat mal in einer Nacht 11 Kilometer erfasst. Irgendwann merkt man dann doch sein Alter“, berichtet Marion Müller Augen zwinkernd. „Beim Rea-Ruf sind in den letzten Monaten die jüngeren Kolleginnen und Kollegen mit dem schweren Rucksack losgerannt. Da haben wir gerne den Vortritt gelassen.“ (Bei der „Rea=Reanimation“ kommt ein innerklinisches Notfallteam sofort zusammen.)

Die examinierten Pflegekräfteerzählen lebendig, können stundenlang berichten. In jeder Sekunde merkt man ihre Leidenschaft für die Intensivmedizin. Sie wissen um die Herausforderung für den Nachwuchs in der Pflege und bestärken: „Es geht nicht darum, wieso man sich für den Beruf entscheidet, sondern warum man dabeibleibt.“

Ein letztes Mal betreten die Frauen die Umkleidekabine im Helios Klinikum. Die weißen Hosen und blauen Kasacks werfen Sie in die dafür vorgesehenen Automaten. Sie lachen und freuen sich auf die Rente. Marion Müller möchte mit dem Wohnmobil die Welt erkunden und ein Kochbuch für ihre Kinder schreiben. AndreaFlasch krempelt die Ärmel schon wieder hoch: Ich werde renovieren und im Garten Gemüse anbauen. Der Blick zurück fällt ihnen leicht. „Wir sehen unsere Kolleginnen und Kollegen natürlich wieder.“

Beitrag drucken
Anzeige