Ankunft der 80 kranken und verletzen Kinder in Düsseldorf (Foto: Sandro)
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Oberhausen/Dinslaken. Erdbeben erschüttert Kabul

Die erfolgreiche Durchführung des 89. Afghanistan-Hilfseinsatzes stand für das Friedensdorf für einen kurzen Moment in Frage. Das Hilfseinsatz-Team um Birgit Hellmuth, Claudia Peppmüller und den ehrenamtlich tätigen Arzt Dr. Ralf Steinen-Perschke war einige Tage vor dem Abflug des Charters nach Kabul gereist, um gemeinsam mit der Partnerorganisation, dem Afghanischen Roten Halbmond (ARCS), 80 ausgewählte Kinder unter anderem mit letzten Verbandswechseln und Coronatests auf den Flug nach Deutschland vorzubereiten. Nach Abschluss der letzten Vorbereitungen bebte am Abend des 21. März im Nordwesten Afghanistans und auch in Kabul die Erde. „Wir wurden vom Erdbeben völlig überrascht. Das ganze Gästehaus hat mächtig gewackelt. Uns war sofort klar, dass es kein kleines Beben war. Über die Nachrichtenlage haben wir erfahren, dass das Beben in Tadschikistan noch andauerte. Wir machten uns große Sorgen um unseren tadschikischen Partner, aber auch, dass uns weitere Erschütterungen in Kabul erwarten. Alle hatten sofort die Bilder aus der Türkei und Syrien im Kopf“, berichtet Claudia Peppmüller von den Ereignissen. „Nach dem großen Schock waren wir am nächsten Tag erleichtert zu erfahren, dass unseren 80 Schützlingen nichts zugestoßen ist. Im Nachgang sind wir froh, dass in Kabul nichts passiert ist. Andere Regionen, wie z.B. die Grenzregion zu Pakistan, in der ganze Dörfer zerstört wurden, hatten nicht so viel Glück.“ Nur ein Tag nach dem Erdbeben wurde die nördliche Provinz Balkh zusätzlich von einer Sturzflut erfasst. Das Ausmaß der Zerstörung ist riesig, wie Claudia Peppmüller vom ARCS erfahren hat: „Aufgrund der Bauweise in der Region können die Häuser den Wassermassen nicht standhalten. Die Lehm- und kleinen Steinbauten werden mühelos von den Fluten mitgerissen. Das Wenige, was die Familien bis dahin besessen haben, wurde ihnen von jetzt auf gleich genommen.“ Die Situation ist besonders für die Kinder tragisch. Da Afghanistan zu den Ländern weltweit gehört, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind, wird die Situation der Kinder zukünftig immer katastrophaler. Angesichts der landesweiten Mangellage in allen Lebensbereichen ist dies eine besonders bittere Aussicht.

Rührende Szenen des Wiedersehens in Kabul

Parallel zu den letzten Vorbereitungen in Kabul gab es im Oberhausener Friedensdorf 49 große und kleine Rückkehrer, die sich jubelnd mit den Worten „nach Hause“ verabschiedeten und in den Flieger nach Kabul stiegen. Bei ihrer Ankunf in der afghanischen Hauptstadt wurden sie im Hauptgebäude auf dem Gelände des Roten Halbmondesoffiziell in Empfang genommen. Die Begrüßung der Kinder war ein besonderes Event für alle Beteiligten, was viel Organisation seitens des Partners bedeutete und nur dank einer guten Teamarbeit durchgeführt werden konnte. Beim Wiedersehen von Eltern und Kindern spielten sich im „Theatersaal“, in den sowohl zu den Kindervorstellungen als auch zum Wiedersehen geladen wird, Szenen der Rührung ab: Mit Tränen der Freude in den Augen versuchten die Eltern ihre Kinder innerhalb der Gruppe der kleinen Rückkehrer zu erblicken, um sie endlich wieder in ihre Arme schließen zu können.

Während das Team in Kabul die letzten Kinder in Einzelgesprächen, für die sich Mitarbeiter des ARCS und Claudia Peppmüller insgesamt mehrere Stunden Zeit nehmen, an die Eltern übergaben, kam die gute Nachricht, dass Birgit Hellmuth und Dr. Ralf Steinen-Perschke gemeinsam mit den 80 kranken und verletzten Kindern am Düsseldorfer Flughafen gelandet waren. Birgit Hellmuth zeigte sich über die Versorgungslage in Afghanistan zunehmend schockiert: „Der Allgemein- und Ernährungszustand der Kinder bereitet uns immer größere Sorgen. Bei den meisten fühlt man bei den Untersuchungen nur noch die Rippen. Auch sehen wir wieder viele Wunden und eitrige Knochenentzündungen, die nur mit einfachen Lappen abgedeckt sind, und das oft über einen längeren Zeitraum. Die Situation wird immer dramatischer.“ Für Verbände, eine medizinische Behandlung oder eine warme Mahlzeit haben 90 Prozent im Land kein Geld mehr zur Verfügung. Deshalb sind die Familien der 80 Kinder, die nun in der Obhut des Friedensdorfes sind, erleichtert, ihren Nachwuchs in medizinischer Behandlung zu wissen.

Fischkonserven – diesmal wichtiges Hilfsgut

Im Februar hatte das Friedensdorf angesichts der aussichtslosen Lage zu einer Sammlung von Winterkleidung und Fischkonserven unter anderem für die „Marastoon“-Projekte aufgerufen, in denen Frauen mit ihren Kindern sowie Waisen leben. Diese Hilfsgüter wurden im März mit dem Charterflug nach Kabul geflogen. Zusätzlich flog die Kinderhilfsorganisation medizinische Hilfsgüter in das Land. Diese Spenden kamen genau richtig, denn das zentrale Hilfsgüter-Depot des Roten Halbmonds war bereits erschreckend leer, wie Claudia Peppmüller, die die Ankunft der Hilfsgüter in Kabul begleitete, sehen konnte. „Unsere Partner haben diese Hilfe überaus dankbar angenommen und haben uns gebeten, diesen Dank an alle Spenderinnen und Spender weiterzugeben. Die große Spendenbereitschaft wird als ein deutliches Zeichen der Solidarität von dem Menschen im Land wahrgenommen. Sie freuen sich, dass viele in Deutschland das Schicksal der Kinder in Afghanistan nicht egal ist. Auch schenkt das den Ärmsten im Land Hoffnung, dass sie nicht vergessen werden“, erklärt Birgit Stifter. Besonders große Freude herrschte über die in Deutschland gesammelten Fischkonserven, die eine nährstoffreiche Ernährung gewährleisten. Auch zukünftig wird die Hilfe des Friedensdorfes für Afghanistan in Zusammenarbeit mit dem ARCS weitergehen. In Kürze sollen weitere 2.000 Lebensmittelpakete finanziert werden, deren Verteilung vor Ort der Afghanische Rote Halbmond organisieren wird.

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