Symbolfoto (Foto: Pixabay)
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Kreis Wesel. Am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag – der Tag, der daran erinnert, dass Millionen von Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Derzeit sind 110.000.000 Menschen auf der Flucht, so viele wie nie zuvor. Hinter dieser nüchternen Zahl stehen ebenso viele Schicksale. Es sind Menschen, die täglich den Mut und die Kraft aufbringen müssen, sich in einem neuen Leben – häufig gegen gesellschaftliche Widerstände – einzufinden. Dies sollten wir würdigen. Ein Kommentar von AWO-Mitarbeiter*innen der Flüchtlingsberatungsstellen im Kreis Wesel, unter der Fachbereichsleitung von Olga Weinknecht.

„Wir haben unser Zuhause und dann die Vertrautheit des Alltags verloren. Wir haben unseren Beruf verloren und damit das Vertrauen eingebüßt, in dieser Welt irgendwie von Nutzen zu sein. Wir haben unsere Sprache verloren und mit ihr die Natürlichkeit unserer Reaktionen, die Einfachheit unserer Gebärden und den ungezwungenen Ausdruck unserer Gefühle.“ Hannah Arendt, Essay „We Refugees“.

Wir in Deutschland sprechen sehr viel über Flüchtlinge, über die Asylpolitik, darüber, was ein Flüchtling zu tun und zu lassen hat, wie Geflüchtete die Gesellschaft und die wirtschaftliche Situation in Deutschland beeinflussen. Manchen machen Geflüchtete Angst, manche machen Geflüchtete für materielle Wohlstandseinbußen und Kriminalität verantwortlich. In der Regel bemühen sich die Menschen, die Geflüchtete zum größten gesellschaftlichen Problem erheben, nur selten, ihre Behauptungen mit Fakten zu belegen. Wirtschaftswissenschaftler*innen und Soziolog*innen dagegen rechnen uns regelmäßig vor, dass die alternde deutsche Gesellschaft ohne Zuwanderung ihren Lebensstandard nicht halten und in jeder Hinsicht schrumpfen wird.

Am 20. Juni ist der Weltflüchtlingstag. Wie wäre es, wenn wir wenigstens an diesem einem Tag alle Dispute beiseitelegen und einfach Mal mit einem Geflüchteten reden?

Viel zu wenig hören wir als Gesellschaft Geflüchteten zu. Hannah Arendt war Geflüchtete, 1943 hat sie aufgeschrieben, wie es sich anfühlt, Flüchtling zu sein.

Ja, wir geben uns Mühe als Gesellschaft, vielen Geflüchteten hier einen guten Start zu ermöglichen. Ist es uns aber bewusst, welche seelischen und intellektuellen Leistungen viele geflüchtete Menschen täglich vollbringen müssen, wie schmerzlich und lang dieser Prozess ist, sich von seiner alten Identität verabschieden zu müssen, die neue Welt zu verstehen und sich in sie einzufügen?

Zur Info: Die Arbeiterwohlfahrt hat im Kreis Wesel mehr als 10 verschiedene Einrichtungen und Dienste, die Geflüchtete und Migrant*innen in ihren jeweiligen Lebenslagen beraten und begleiten. Neu in Deutschland ankommende Menschen erfahren hier alles über ihre Rechte und Möglichkeiten sowie Unterstützungsangebote zu deren Inanspruchnahme.

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