Podiumsgäste und Teilnehmende tauschten sich auf der Zeche Alstaden über selbstbestimmtes Sterben aus (Foto Sven Boger / Ev. Kirchenkreis Oberhausen)
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Oberhausen. Wie wollen wir sterben? Diese Frage stand im Mittelpunkt der vom Förderverein Zeche Alstaden e.V. ausgerichteten Veranstaltung. Als Podiumsgäste waren Lisa Weiler, Koordinatorin der ambulanten ökumenischen Hospizgruppe Essen-Werden, und Joachim Deterding, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Oberhausen, geladen. Das Publikum hatte die Gelegenheit, sich mit Fragen und Beiträgen an der regen Debatte zu beteiligen. Die Moderation übernahm Roland Matzdorf, Vorstandsvorsitzender des Fördervereins Zeche Alstaden.

Der erste Programmpunkt beleuchtete notwendige und sinnvolle Vorbereitungen auf das Sterben. Lisa Weiler betonte, dass das rechtzeitige Erstellen einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht einen wichtigen Anlass biete, um sich mit den persönlichen Vorstellungen im Hinblick auf den Tod zu befassen. „Die eigenen Wünsche sollte man unbedingt mit seinen Angehörigen besprechen. Das erleichtert ihnen später nicht nur den Umgang mit einer emotionalen Ausnahmesituation, sondern hilft auch, den Patientenwillen durchzusetzen.“ Zudem könnten der Hausarzt und – bei einer fortschreitenden, unheilbaren Erkrankung – ein Palliativmediziner vertrauensvolle Ansprechpersonen sein, um die Versorgung in der letzten Lebensphase zu regeln.

Die seelsorgerliche Begleitung Sterbender gestaltet sich laut Joachim Deterding heute anders als früher. „Geistliche werden immer seltener und später im Sterbeprozess hinzugezogen“, so der Oberhausener Superintendent. „Deshalb müssen wir verstärkt Angebote für Menschen schaffen, die sich keiner Kirche zugehörig fühlen. Eine solche sozialpsychologische Betreuung benötigt jedoch Ressourcen und qualifiziertes Personal.“ Hier sei in Zeiten des Fachkräftemangels und knapper kommunaler Haushalte auch die Politik gefragt.

Leben und sterben lassen?

Vor dem Hintergrund der aktuellen Bundestagsdebatte über eine Reform der Sterbehilfe standen anschließend die gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen selbstbestimmten Tod im Fokus. Für Hospiz-Koordinatorin Lisa Weiler ist eine umfassende Aufklärung über Möglichkeiten und Folgen des eigenen Handelns dabei ein entscheidender Faktor: „Nur mit dem nötigen Wissen lässt sich eine verantwortungsvolle Entscheidung für einen selbst und seine Angehörigen treffen.“

Joachim Deterding begrüßte die Absicht der Gesetzentwürfe, unnötiges Leid zu verhindern. Gleichzeitig wies er auf die Gefahr hin, dass eine liberale Gesetzgebung zu einem gesellschaftlichen Druck auf kranke und nicht mehr leistungsfähige Menschen führen könne, ihrem Umfeld nicht länger zur Last zu fallen. Ob ein Leben noch lebenswert sei, lasse sich insbesondere angesichts der historischen Erfahrungen in Deutschland stets nur individuell beantworten. „Als Kirche dürfen wir Sterbehilfe nicht verurteilen oder Pauschallösungen vorgeben, sondern sollten vielmehr für die ethischen Probleme bei der Entscheidungsfindung sensibilisieren“, unterstrich er. In diesem Zusammenhang müssten mit einer Neuregelung der Sterbehilfe strukturelle Maßnahmen zur Stärkung der Suizidprävention und zur Unterstützung Betroffener einhergehen.

Zum Abschluss stellte Moderator Roland Matzdorf die Frage in den Raum, wie eine angemessene Trauerarbeit und Nachsorge im Todesfall aussehen können. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass ein würdevolles Abschiednehmen für viele Menschen den ersten Schritt zur Bewältigung darstellt. Sich Hilfe zu suchen, sollte zudem gesellschaftlich als selbstverständlich und nicht als ein Zeichen von Schwäche gelten. Geeignete Anlaufstellen können neben der Seelsorge zum Beispiel die örtlichen ambulanten Hospizdienste und Palliativnetzwerke sein, die über Angebote wie Trauergruppen informieren. Ein dazu passender Wortbeitrag aus dem Publikum fasste die Veranstaltung treffend zusammen: „Über das Sterben zu reden, hat noch niemanden umgebracht. Wir sollten es öfter tun.“

Hintergrund: Reform der Sterbehilfe in Deutschland

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt. Dem Urteil zufolge umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben sowie die Freiheit, sich dafür Hilfe bei Dritten zu suchen. Die Beihilfe zur Selbsttötung (assistierter Suizid) muss vom Gesetzgeber daher neu geregelt werden. Am 6. Juli 2023 erzielten zwei entsprechende Gesetzentwürfe im Bundestag keine Mehrheit.

Sie oder Ihr Umfeld sind von den Themen Sterbehilfe und Suizid betroffen? Unterstützung und Beratung finden Sie bei folgenden Anlaufstellen:

Telefonseelsorge (rund um die Uhr erreichbar, anonym und kostenfrei):

Tel.: 0800 111 0 111 sowie 0800 111 0 222

Ambulantes Hospiz Oberhausen e.V.

Tel: 0208 81011 10

Palliativnetz Oberhausen

Tel.: 0208 30994 310

Evangelische Beratungsstelle Oberhausen (unabhängig von religiöser Zugehörigkeit):

Tel.: 0208 8500 87

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