Führten über die Baustelle (v.l.) Dr. Gregor Bonin, Stadtdirektor und Technischer Beigeordneter, Michael Brützel, Anderhalten Architekten, Thomas Kopelke, Projektleiter gmmg sowie Raimund Eckers und Katja Becker-Lis, Betriebsleitung gmmg. (Foto: © Stadt Mönchengladbach)
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Mönchengladbach. Das Gebäude für die Freiwillige Feuerwehr und den Rettungsdienst am Stockholtweg baut die Stadt nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Ein Baustellenrundgang

Die Temperaturen mäßig, der Regen stark. Bei so einem Wetter braucht man auf der Baustelle meist viel Fantasie, um sich gemütliche Räumlichkeiten vorzustellen. Im Rheydter Neubau für die Freiwillige Feuerwehr und den Rettungsdienst am Stockholtweg ist das anders. Hier sorgen in den Aufenthaltsbereichen natürliche Materialien wie Lehmbauplatten und Nadelholz für ein gesundes Raumklima und einen angenehmen Duft. Die Materialwahl ist ein wesentlicher Aspekt des kreislaufwirtschaftlichen Ansatzes bei dem nachhaltigen Projekt. Über das Konzept und die Baufortschritte informierte die Stadt jetzt bei einem Baustellenrundgang.

„Im Grunde muss man sich das ganze Gebäude als ein Lager für Rohstoffe vorstellen – und damit auch für Finanzmittel“, erklärt Stadtdirektor und Technischer Beigeordneter Dr. Gregor Bonin bei dem Rundgang das Prinzip des „Cradle to cradle“ (C2C), das beim Neubau an der Ecke Stockholtweg / Keplerstraße umgesetzt wird. Übersetzt bedeutet das „von der Wiege bis zur Wiege“ und soll als Abwandlung des Ausdrucks „von der Wiege bis zur Bahre“ dem Kreislaufgedanken Rechnung tragen. Die Idee: Möglichst alle Rohstoffe sollen so ausgewählt und verbaut werden, dass sie eines Tages wieder sauber voneinander getrennt und wiederverwertet werden können. Die Stadt hat das beim Neubau konsequent umgesetzt, wenngleich diese Anforderung bei einem so komplexen Projekt aktuell noch nicht vollständig erfüllt werden kann. Die verwendeten Materialien sind darüber hinaus nachhaltig und schadstofffrei und werden sparsam eingesetzt werden.

Verkohltes Holz, Sichtbeton und ein wenig Klinker

Doch nicht nur nachhaltig und mit hoher Aufenthaltsqualität soll das knapp 90 Meter lange und bis zu 16 Meter hohe Gebäude sein, sondern auch in seiner Außenwirkung überzeugen. „Der Baukörper schmiegt sich förmlich an die gebogene Straßenführung der Keplerstraße an“, beschreibt Thomas Kopelke, Projektleiter beim städtischen Gebäudemanagement (gmmg). Über dem Sockelgeschoss aus teilweise recycletem und nach außen sichtbaren Stahlbeton erheben sich zwei weitere Geschosse, im Kopfbau an der Ecke Stockholtweg sogar vier. Sie werden eine Verkleidung aus karbonisiertem Holz erhalten. Karbonisiertes Holz wird gezielt verkohlt, erhält dadurch eine dunkle Farbe und wird auf umweltfreundliche Weise und ohne chemische Mittel robust und witterungsbeständig gemacht.

Die Zufahrt auf den Betriebshof ermöglicht eine Unterbrechung im Sockelgeschoss. Rechts der Durchfahrt kragt das Gebäude über die bestehende Schlauchwäsche im Bestandsgebäude. Optisch sollen Alt und Neu über eine gemeinsame Klinkerfassade miteinander verbunden werden. Innen ist die Gestaltung zumeist schlicht. Viele Leitungen bleiben offen liegen, viele Holz- und auch Betonwände unverkleidet und ohne Putz. „Die DNA des Gebäudes liegt gewissermaßen offen. Das passt einerseits gut, weil es sich um ein technisches Gebäude handelt. Andererseits brauchen wir so weniger Material und erhöhen die Wiederverwertbarkeit“, erklärt Objektplaner Michael Brützel vom Büro Anderhalten Architekten. „Putz und Beton beispielsweise sind schwer wieder voneinander zu trennen. Das wird in der Praxis oftmals schlicht nicht gemacht.“

Darauf dürfen sich Feuerwehrleute und Rettungssanitäter freuen 

Nutzen werden den Neubau die Freiwillige Feuerwehr und der Rettungsdienst. Beide sind derzeit noch in Containern auf dem Betriebshof untergebracht. Für die Freiwillige Feuerwehr werden in dem Bau mehrere Umkleiden, ein Büro, ein Mehrzweckraum, eine Küche und eine Fahrzeughalle mit drei Stellplätzen realisiert. Die zwei übrigen Fahrzeughallen mit insgesamt sechs Stellplätzen sind für den Rettungsdienst vorgesehen. Darüber hinaus erwarten die Einsatzkräfte Umkleiden samt Nebenräumen, 12 Ruheräume mit geteilten Bädern, zwei Auszubildendenräume, ein Büro, eine Teeküche und ein Ausbildungsraum. Herausragend ist der Sportbereich, der sich als offener Raum über zwei Geschosshöhen erstreckt. „Das wirkt hier wie eine hölzerne Kathedrale“, beschreibt es Projektleiter Kopelke.

Beheizt werden wird das Gebäude mit niedrigen Temperaturen über eine Fußbodenheizung. Die Kühlung im Sommer erfolgt über die Lüftung. Neben den Raumlufttechnischen Anlagen wird dafür eine Kältemaschine auf dem Dach aufgestellt. Daneben werden auch eine Dachterasse und eine Photovoltaik-Anlage samt Batteriespeicher Platz auf dem Gebäude finden. Die Solaranlage soll rund 36.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr produzieren. Der etwas höhere Kopfbau wird auf dem Dach extensiv begrünt. Im Gebäudeinnern dürfen bei der Ausstattung natürlich auch eine Brandmeldeanlage und die Rutschstange nicht fehlen.

Stadt investiert rund 14 Millionen Euro 

Voraussichtlich Mitte 2024 wird das Gebäude an die Feuerwehr übergeben. Rund 14 Millionen Euro wird das Projekt bis dahin gekostet haben. Damit wird der Bau rund ein halbes Jahr später fertig und etwa 20 Prozent teurer als ursprünglich geplant. Ein Ergebnis, mit dem sich die Verantwortlichen beim Baustellenrundgang zufrieden zeigten, da sowohl die Corona-Krise als auch der Ukrainekrieg ihre Auswirkungen auf die Maßnahme hatten. Die finanziellen Anstrengungen für das Projekt dürften sich zudem langfristig auszahlen. Nicht nur, weil die Rohstoffe am Ende des Gebäude-Lebenszyklus noch einmal verwendet werden können, sondern auch, weil bei einer nachhaltigen Bauweise vergleichsweise höheren Investitionen langfristig niedrigere Betriebskosten gegenüberstehen.

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