(Foto: Klaus Dieker)
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Moers/Kreis Wesel. Reduzierung von Öffnungszeiten, Schließung von Angeboten und drohende Insolvenzen: Das leise Sterben der sozialen Infrastruktur in NRW hat begonnen. „NRW bleib sozial!“ Unter diesem Motto haben am 19. Oktober mehr als 20.000 Menschen vor dem Landtag gegen die Kürzungen im Sozialhaushalt demonstriert. Diese Veranstaltung der freien Wohlfahrtspflege NRW, denen u.a. Arbeiterwohlfahrt (AWO), Caritas, Diakonie, der Paritätische (DPWV), das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und der Landesverband der jüdischen Gemeinden angehören, war ein wiederholter und nun sehr lauter und sichtbarer Hilferuf an die Politik.

Der AWO-Kreisverband Wesel hat am vergangenen Donnerstag einen Großteil seiner Beratungs- und Geschäftsstellen geschlossen und war mit fünf Bussen und 200 Teilnehmern in Düsseldorf präsent. Dezentrale Aktionen in den nicht geschlossenen 24 Kitas und fünf stationären Pflegeeinrichtungen ergänzten den Protest.

Denn galoppierende Preise bei Energie, hohe Tarifabschlüsse, steigende Preise bei Lebensmittel, Hygiene und Reinigung bei gleichbleibenden öffentlichen Leistungsentgelten bzw. sinkender Förderung auf Länder- und Bundesebene, machen auch vor einem großen Wohlfahrtsverband wie der AWO im Kreis Wesel mit rund 100 Einrichtungen und 1.300 Beschäftigten nicht halt. Die Kürzungen im Sozialhaushalt erschweren die Lage.

„Präsidium und Vorstand beobachten die Entwicklungen seit einiger Zeit mit Sorge und waren sich im Spätsommer dieses Jahres einig“, so Kreis-AWO-Präsident Ibrahim Yetim, „im Rahmen eines intelligenten Verfahrens finanzielle Potentiale für eine Stabilisierung der Verbandsfinanzen zu ermitteln, die die Beibehaltung des Betriebs möglichst aller 100 sozialen Einrichtungen sicherstellt.“ Was das konkret bedeutet? „Keine pauschalen Kürzungen ohne Kenntnis der betrieblichen Auswirkungen und Weiterbeschäftigung des bewährten Personals bei vollem Tarifgehalt, ansonsten keine Denkverbote“, ergänzt Yetim.

Jochen Gottke, Vorstandsvorsitzender des AWO-Kreisverbands, hat im Rahmen eines wirkungsorientierten Verfahrens mit seinem Team intensiv an Lösungsansätzen gearbeitet. „Der Erhalt unserer Einrichtungen und damit die Weiterbeschäftigung unserer Mitarbeitenden hat für uns die höchste Priorität“, erklärt Gottke. Um das zu leisten hat die AWO ihr Immobilien-Portfolio überprüft. „Nach den Personalausgaben stehen Aufwendungen im Immobilienbereich an zweiter Stelle im Ressourcen-Verbrauch“. Standort-Zusammenführungen im Geschäftsstellen- und Beratungsvergleich werden bereits im kommenden Jahr deutliche Kostenvorteile bringen. Auch ein Verkauf von Mietwohnungs-Immobilien, deren Erträge dem Kreisverband in früheren Jahren oft einen Ausgleich zu fehlenden öffentlichen Zuschüssen brachten, sollen weiterhelfen. „Wir trennen uns von etwa einem Drittel unseres überwiegend älteren Wohnungsbestandes, für die künftig zum Teil bisher nicht geplante Instandhaltungsaufwände erforderlich geworden wären“, so Gottke weiter. Die dabei zu erzielenden Verkaufs-Erlöse sollen in notwendige Instandhaltungen und Sanierungen eigengenutzter sozialer Einrichtungen nachhaltig investiert werden. Allein die aktuell anstehende Sanierung der 30 Jahre alten stationären Pflegeeinrichtung Willy-Brandt-Haus in Moers, für deren Betrieb ein hoher Wohn- und Pflegebedarf besteht, verschlingt über 4 Millionen Euro. „Geld, das wir sonst nicht hätten und zurzeit teuer finanzieren müssten“, sind sich Präsident Yetim und der Kreisvorsitzende Gottke einig.

„Der Verkauf der Immobilien hat keine Konsequenzen für die Bewohner*innen“, ergänzt Gottke, „die aktuellen Mietverträge behalten auch bei einem neuen Eigentümer ihre Gültigkeit!“

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