v.l. Marius Künzel vom Bildungspark Mönchengladbach, Dr. Leah Floh, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mönchengladbach und Oberbürgermeister Felix Heinrichs (Foto: © Stadt Mönchengladbach)
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Mönchengladbach. Zum 85. Mal jährte sich gestern (9. November) die Reichspogromnacht, in der auch in Mönchengladbach Synagogen in Flammen aufgingen und zerstört wurden. Damit begann auch am Ort die Ausgrenzung, Deportation und Ermordung jüdischer Bürgerinnen und Bürger. Der Stadt Mönchengladbach ist es ein wichtiges Anliegen, die Erinnerung an die Menschen, denen grausames Unrecht geschah, aufrecht zu erhalten. Das Gedenken galt auch allen weiteren Gruppen, die nicht in die Schablone des Faschismus und die menschenverachtende Kategorie der „Volksgesundheit“ passten oder sich ihm widersetzten wie Sinti und Roma, engagierte Christen, Sozialdemokraten, Kommunisten, Humanisten und Pazifisten sowie Homosexuelle und behinderte Menschen. Zum gemeinsamen Gedenken an diese Ereignisse lud Oberbürgermeister Felix Heinrichs im Beisein der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Mönchengladbach, Dr. Leah Floh, und rund 300 Bürgerinnen und Bürgern in den Innenhof des Rathauses Abtei ein.

Die Gedenkfeier wurde musikalisch durch den Mönchengladbacher Musiker Francis Norman sowie durch das Ensemble TODA und den Chor der Jüdischen Gemeinde gestaltet. Außerdem präsentierte Marius Künzel vom Bildungspark Mönchengladbach, der Teil des Vereins Lernort Stadion ist in Zusammenarbeit mit dem Verein De Kull eine kleine und eindrucksvolle Ausstellung als eines der Ergebnisse präventiver Bildungsarbeit. Dargestellt wurden in Text und Bildern die Lebensgeschichte der beiden Mönchengladbacher Familien Kurt Liffmann und Wilhelm Brocke. Sie spielten eine Zeit lang bei Borussia Fußball und wurden im Laufe des Zweiten Weltkriegs aus dem Verein ausgeschlossen.

„Wir können uns gemeinsam darin bestärken, dass die menschenverachtenden Taten der Nationalsozialisten nie wieder auch nur im Ansatz geschehen dürfen“, betonte Oberbürgermeister Felix Heinrichs in seiner Rede, in der er auch auf den Nahostkonflikt einging: “Die Bilder, die uns seit dem 7. Oktober aus Israel erreichen, geben Anlass zu großer Sorge. Sie bestürzen uns. Gerade wir Deutsche haben eine gemeinsame Verantwortung, jüdisches Leben weltweit zu schützen“, betonte er und machte auf die aktuelle Ausstellung in der City-Kirche „1948“ zur Gründung des Staates Israel vor 75 Jahren aufmerksam, die noch bis zum 17. November zu sehen ist. „Die Ausstellung klärt auf und zeigt, wie dieser Staat, der für die Juden weltweit eine Lebensversicherung darstellt und dessen Sicherheit und Existenzrecht für unser Land zur Staatsräson gehört, aufgebaut worden ist. Israel ist eine Demokratie, in der Menschen frei leben können, egal wen sie lieben oder woher sie kommen“, so Oberbürgermeister Felix Heinrichs, der in diesem Zusammenhang auf den Mönchengladbacher Philosophen und Religionswissenschaftler Hans Jonas, zugleich Ehrenbürger der Stadt, einging. „Er glaubte von Beginn an die Idee Israel“. Und weiter: Für mich ist klar, dass es keine Relativierung des Terrorangriffs der Hamas auf Israel geben darf. Unser Mitgefühl gilt allen Zivilisten, die Opfer des Krieges sind“. Mit Terroristen könne man nicht verhandeln, „denn deren Ziel ist keine friedliche Lösung, sondern die Vernichtung des Staates Israel und die Vernichtung von Juden. Das darf keine Haltung sein, die auf deutschen Straßen propagiert wird und Applaus bekommt“, mahnte der Oberbürgermeister.

„Israel wird nie mehr so sein wie vor dem 7. Oktober. Aber Europa und die Welt auch nicht“, sagte Leah Floh, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mönchengladbach. Und weiter: “Für Juden ist das Leben in mehrere Teile geteilt oder in mehrere Glasscherben: vom 9. November 1938 bis 1945., als der Staat Israel gegründet wurde. Dann von 1945 bis 1948 und danach von 1948 bis zum 7. Oktober 2023“. Mit Dankbarkeit wandte sie sich an Oberbürgermeister Felix Heinrichs: „Die Jüdische Gemeinde hat einen wertvollen Freund: Das ist unser Oberbürgermeister Felix Heinrichs. In großen und in kleinen Sachen sind er und seine Kollegen für die Jüdische Gemeinde Mönchengladbach und deren Mitglieder immer da, und man kann auf ihn und auf sie zählen. Vielen, vielen Dank dafür“.

Einen Hoffnungsschimmer sieht Oberbürgermeister Felix Heinrichs in den vielen Kontakten zwischen Mönchengladbach und Israel. „Schulen, die miteinander arbeiten und Menschen, die Begegnungen ermöglichen. Diese Kontakte werde ich aufnehmen und unter Beteiligung der jüdischen Gemeinde und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit einen runden Tisch zusammenrufen, um den Ausbau unserer Kontakte nach Israel voran zu bringen. Dieser Prozess führt uns – so denke ich – zu einer engen und belastbaren Freundschaft, die in eine Städtepartnerschaft münden kann“, betonte Oberbürgermeister Felix Heinrichs, der an diesem Abend die positive Nachricht mitteilen konnte, dass das Land dem von der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen in Mönchengladbach und im Raum Aachen realisierten Projekt „We, the six million“, in dem anhand von Biografien das Leben und die Verfolgung von Juden aus dem Rheinland während des NS-Regimes aufgezeigt werden, eine weitere Förderung zusicherte. „Hoffen wir nun, dass Mönchengladbacher Schulen Israel besuchen – und umgekehrt. Hoffen wir auf Frieden im Heiligen Land“, sagte der Oberbürgermeister. Das Geschehene dürfe nicht Geschichte bleiben, sondern müsse die Menschen in der Gegenwart erreichen. Dann sei „nie wieder“ nicht nur eine Hoffnung, sondern eine Haltung.

Im Anschluss an die Gedenkfeier legten Oberbürgermeister Felix Heinrichs und Dr. Leah Floh einen Kranz an der Wilhelm-Strater-Straße am Standort der ehemaligen Synagoge in Rheydt nieder.

Die Rede von Oberbürgermeister Felix Heinrichs im Wortlaut unter https://stadt.mg/Reden-OB

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