Künstler Gunter Demnig, Oberbürgermeister Felix Heinrichs und Borussias Geschäftsführer Markus Aretz (v.l.) vor dem Haus, in dem Familie Rosen vor der Deportation gewohnt hatte (Foto: © Stadt MG)
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Mönchengladbach. Mit seinen STOLPERSTEINEN erinnert der Künstler Gunter Demnig seit Jahren an die Opfer der NS-Zeit, indem er vor ihrem letzten Wohnort Gedenktafeln aus Messing in den Bürgersteig einlässt. Mit den Steinen vor den Häusern wird die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst hier wohnten. Auf den Steinen steht geschrieben: HIER WOHNTE… Ein Stein. Ein Name. Ein Mensch. Seit dem 27. Januar 2006, dem Gedenktag für die Opfer des Holocaust, wurden in Mönchengladbach an 102 Stellen 335 Stolpersteine sowie eine Stolperschwelle vor dem ehemaligen jüdischen Altenheim in der Friedrich-Ebert-Straße 82-84 verlegt.

Heute (14.12.) verlegte Gunter Demnig 17 weitere Stolpersteine an 11 Orten im Stadtgebiet, unter anderem drei Steine vor dem Haus Nummer 360 in der Hindenburgstraße in Gedenken an Alfred, Frieda und Edith Rosen. Für die Verlegung dieser Stolpersteine hat der VfL Borussia die Patenschaft übernommen. Geschäftsführer Markus Aretz wohnte der Verlegung ebenso bei wie auch eine Schulklasse des Berufskollegs Volksgartenstraße, die sich im Rahmen eines Projektes mit dem Schicksal der Familie Rosen auseinandergesetzt hat und die Dokumentation für eine Ausstellung aufbereitet hat. Die Verlegung wurde musikalisch von Alexandra Hillebrands (Akkordeon) und Martin Döller (Geige) begleitet.

Das Haus Hindenburgstraße 360 gehörte in der NS-Zeit insofern zu den bekannten und berüchtigten Häusern am Rande der Mönchengladbacher Innenstadt, als es von den Nationalsozialisten nach und nach zu einem sogenannten „Judenhaus“ umfunktioniert wurde, das heißt zu einem Haus, in dem Juden nach Ausweisung aus ihren Wohnungen zwangsweise untergebracht wurden. Bis dahin ist es ein Haus gewesen, in dem wie anderswo auch sowohl Christen und als auch Juden gewohnt haben. Hier wohnten viele Jahre lang drei Generationen der Familie Rosen.

Alfred Rosen wurde 1890 in M.Gladbach als Sohn von Samson Rosen und Juliana Rosen geborene Harf geboren. Sein Vater betrieb um 1910 einen Kleinhandel im Haus Hindenburgstraße 360. Alfred Rosen heiratete 1919 die aus Rheydt stammende Kontoristin Frieda Horn, die Tochter Edith wurde 1920 geboren. Rosen, der sportlich veranlagt war, spielte nach dem Ersten Weltkrieg eine Zeitlang im Kader von Borussia Mönchengladbach Fußball. Danach übernahm er in seiner Freizeit die Rolle des Schiedsrichters bei Fußballspielen der Sportabteilung des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten. Beruflich führte er das Geschäft seines Vaters weiter, baute dieses aber um und betrieb dort ein Einzelhandelsgeschäft für Tabakwaren und Lebensmittel. Unter dem Druck der Nationalsozialisten überschrieb er das Geschäft auf den Namen seiner Tochter, doch war auch diese schließlich nach der Pogromnacht 1938 gezwungen, das Gewerbe abzumelden. 1941 wurde Familie Rosen über Düsseldorf in das Ghetto Riga-Salaspils im heutigen Lettland deportiert. Alfred Rosen wurde dort nach Aussage von überlebenden Zeugen im Januar 1942 erschossen. Nach dem Krieg wurde er zum 8. Mai 1945 für tot erklärt. Trotz der schlimmen Haftbedingungen überlebten Frieda und Edith Rosen. Nach Auflösung des Rigaer Ghettos wurden sie in die Festung Thorn verbracht, wo Frieda schwere Arbeit zu leisten hatte, die ihre Gesundheit ruinierte. Nur alle 13 Tage durfte sie ans Tageslicht. Schließlich gelang es ihr und ihrer Tochter im Chaos der letzten Kriegstage, die Freiheit wiederzuerlangen. Beide emigrierten in die USA, wo sie hochbetagt starben.

Für Oberbürgermeister Felix Heinrichs sind die Stolpersteine ein wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur: „Erinnern für die Zukunft ist unsere gemeinsame Aufgabe. Denn hinter jedem dieser Steine steckt ein Menschenleben, eine Geschichte und vor allem ein Schicksal, das sich nie wieder wiederholen darf“.

Deswegen seien die Stolpersteine nicht nur eine Erinnerung an diese Menschen, sondern auch eine Mahnung: Es darf keinen Platz für Extremismus in unserer Gesellschaft geben. „Wir alle können dafür einstehen, dass nicht Ausgrenzung, sondern Offenheit und Toleranz unsere Gesellschaft ausmacht,“ so Heinrichs weiter.

Weitere Stolpersteine wurden heute in Gedenken an nachfolgende Personen verlegt:

• Werner Joseph (Dünner Straße 172)
• Friederike Wallach (Eickener Straße 41)
• Amalie Jung (Goethestraße 3)
• Max und Erna Manasse (Aachener Straße 2)
• Julius Sieger (Gasthausstraße 8)
• Regina Altbaum (Hofstraße 149)
• Louis, Herta und Hildegard Harf (Hauptstraße 126)
• Albertine Friedländer (Hauptstraße 91)
• Siegfried und Elisabeth ‚Betty‘ Levy (Friedrich-Ebert-Straße 264) und
• Matthias Wassenberg (Beecker Straße 7).

Auf der Internetseite der Stadt sind alle Standorte von Stolpersteinen zu finden. Hier gibt es auch die Möglichkeit, die Schicksale der Opfer, an welche die Steine erinnern, nachzulesen. Zusätzlich gibt es Informationen, wie man das Projekt unterstützen kann.
https://www.moenchengladbach.de/de/stolpersteine

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