Frank Müller (Foto: Daniel Behmenburg)
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Essen. SPD-Unterbezirk und Ratsfraktion feiern ihren Jahresempfang mit weit über 200 Gästen im Oktogon auf Zollverein

Über 200 Gäste aus der Essener Stadtgesellschaft folgten am vergangenen Donnerstag (07. März) der Einladung der heimischen Sozialdemokratie zu ihrem jährlichen Empfang auf dem Gelände des Welterbes. SPD-Chef Frank Müller begrüßte die Gäste aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Glaubensgemeinschaften, Sicherheitsbehörden und vor allem aus dem Essener Ehrenamt im prall gefüllten und stimmungsvoll illuminierten Oktogon. In seinem kurzen Grußwort kam Müller nicht umhin, auch im vierten Jahr in Folge auf die weltweiten Krisen einzugehen, die unser Zusammenleben auch in Essen prägen. Gerade in diesen Zeiten, sei es unumgänglich, dass Politik sich den Sorgen und Nöten derer annehme, die schon ohne Krisen ein beschwerliches, entbehrungsreiches Leben führen müssten: „Hier setzen wir an, mit dem Ziel einer gerechten und solidarischen Stadtgesellschaft, einer Vision für Essen, die geprägt ist von Chancengleichheit. Denn eine Stadtgesellschaft, die das Miteinander lebt, ist nicht empfänglich für das Gegeneinander.“ Dass die Essenerinnen und Essener in den vergangenen Wochen nach Bekanntwerden der AfD-Pläne zur Massendeportation zu zigtausenden gezeigt haben, dass Sie für Freiheit, Vielfalt und unser buntes Zusammenleben stehen, mache Hoffnung und auch ein bisschen Stolz, so Müller.

Diese Haltung sei auch am 09. Juni gefordert, betonte der SPD-Vorsitzende im Anschluss und leitete zum ersten Themenschwerpunkt des Abends über: der anstehenden Europawahl. „Nicht zuletzt die weltgeschichtliche Gemengelage zeigt, dass wir die Europäische Union brauchen. Lassen wir es nicht zu, dass die Stimmen immer stärker werden, die auf Abschottung und Feindschaft zu ihren Nachbarn setzen!“, so Müller, der mit einem energischen Wahlaufruf an alle Demokratinnen und Demokraten schloss und die Bühne dem Hauptredner, Essens Europa-Abgeordneten und NRW-Spitzenkandidat zur Europawahl, Jens Geier, überließ.

Geier, seit sieben Jahren Vorsitzender der deutschen SPD-Gruppe im EU-Parlament, machte das gesagte plastisch: „Nach derzeitigen Umfragen fehlt den Rechtsaußen-Kräfen nur ein Prozentpunkt, um als Zünglein an der Waage Mehrheiten verhindern zu können. Es kommt wie nie zuvor auf eine starke Wahlbeteiligung aller Demokratinnen und Demokraten an.“ Wer das größte Friedensprojekt unserer Zeit und die „beste Idee, die wir auf dem Kontinent bisher hatten“ behalten wolle, der müsse im Juni demokratisch wählen, so Geier, der im Anschluss zahlreiche Beispiele der auch in Essen konkret erreichten Fortschritte durch die EU aufzählte: von der Förderung der Wasserstoff-Infrastruktur, über die Stadtteilentwicklung bis hin zur Kultur- und Ausbildungsförderung – Europa steckt fast überall in Essen.

Ein bewegendes Erinnerungsvideo an die im vergangenen Jahr verstorbene Altoberbürgermeisterin und Ehrenamtspreis-Namenspatin Annette Jäger markierte den Übergang zum Höhepunkt des Abends: der Verleihung des diesjährigen Annette-Jäger-Ehrenamts-und-Engagementpreises.

In diesem Jahr überzeugte die Jury die Nominierung von Frank Wenning, seinen Lehrerkolleg*innen sowie Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule Holsterhausen, die sich seit 2018 in außergewöhnlichem Maße für die Erinnerungs- und Gedenkkultur sowie gegen Antisemitismus und Rassismus einsetzen. Mit jährlichen Fahrten zur Gedenkstätte des KZ Auschwitz-Birkenau, aber auch und gerade der Recherche von jüdischen Lebenswegen in Essen, mit Ausstellungen, Dokumentationen, Gesprächen mit Zeitzeug*innen oder der Fürsorge für die heimische und arg ramponierte Gedenkstätte „Schwarze Poth“. In ihrer Laudatio betonte SPD-Vize und MdL Julia Kahle-Hausmann: „Keine Sonntagsrede, kein Appell der Politik kann das leisten, was Sie geleistet haben: Sie haben das Heft des Handelns in die Hand genommen. Gegen die Stimmen, die eine „180-Grad-Wende“ in der Erinnerungskultur fordern. Gegen die Gleichgültigkeit und das Vergessen. Damit sind Sie uns ein leuchtendes Beispiel für zivilgesellschaftliches Engagement und dafür, dass „Nie wieder“ in unserem Land tatsächlich gelebt wird.“ Initiator Frank Wenning, der den Preis stellvertretend für seine Kolleg*innen sowie Schüler*innen entgegennahm, dankte der Jury und der SPD für die Auszeichnung, die zusätzliche Energie für die weitere Arbeit gebe. Der Grundgedanke, dass man etwas tun müsse gegen Spaltung, Rechtsruck und Schlussstrich-Debatten, habe das gesamte Team geeint und angetrieben und habe in den letzten Jahren nichts von seiner Wichtigkeit verloren, so Wenning, der an der Gesamtschule Holsterhausen als stellvertretender Schulleiter für die Jahrgangsstufen acht bis zehn zuständig ist. „Wir sind überzeugt, der Einsatz für die Demokratie lohnt sich – und er ist wichtiger denn je.“

Anschließend übergab er das Wort an seine Schülerinnen und Schüler, die eindringlich und beeindruckend von ihren Erlebnissen und Schlussfolgerungen rund um die Beschäftigung mit dem Holocaust berichteten. „Am Tag, als wir zum ersten Mal das Stammlager in Auschwitz besuchen sollten, packte mich der Zweifel. Schaffe ich das? Muss es wirklich sein, dass ich mich diesem Leid aussetze? Ja, es muss sein. Damit wir als jüngere Generation zu Zeugen werden, für alle, die nach uns kommen. Und für die, die jetzt schon laut schreien, dass es irgendwann doch auch mal gut sei. Es wird niemals gut sein.“, so lautete einer der bewegenden Berichte einer Schülerin. Szenenapplaus bekam das Plädoyer eines weiteren Schülers, der sich dafür stark machte, dass die Stadt Essen das Mahnmal „Schwarze Poth“ unter der Rathausgalerie endlich angemessen pflegen solle. Leider sorgen Müll und Fäkalien an dem Ort im Stadtzentrum, an dem sich in der Nazizeit ein Arbeitslager befand, für unhaltbare Zustände. Kulturdezernent Muchtar al Ghusain konnte den Schüler*innen die freudige Nachricht überbringen, dass sein Fachbereich sich der Schwarzen Poth bereits angenommen habe und in Kürze eine neue Lösung vorschlagen werde.

So trugen die Schülerinnen und Schüler maßgeblich dazu bei, dass der Jahresempfang 2024 der Essener Sozialdemokratie zu einer ganz besonderen Veranstaltung wurde, die in diesen hochbrisanten, polarisierten Zeiten die richtigen Botschaften sendete: Demokratie benötigt den Einsatz der Demokratinnen und Demokraten – und nur durch Anpacken und Handeln schaffen wir es, dass „Nie wieder“ mehr bleibt als ein Lippenbekenntnis. Nämlich die Grundlage, auf der wir friedlich zusammenleben.

 

Annette-Jäger-Ehrenamtspreis – die Preisträger*innen 2024:

Frank Wenning, Bernd Graf, Nadja Rüffer, Nicole Hauseur, David Martin und die Schüler*innen der Gesamtschule Holsterhausen

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