(v.l.) Bewohner Horst Sonnen, Renate Patalas vom Sozialen Dienst der Einrichtung, Joachim Bocks-Raeth, Leiter des Rudolf-Schloer-Stift, Bewohnerin Edeltraut Lehmann (Foto: Grafschafter Diakonie)
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Moers. Was macht man, wenn man einen alten Golf der Baureihe 2 und einen ebenfalls etwa 40 Jahre alten Mercedes erbt, mit der Auflage, beide Fahrzeuge gemeinnützig zu verwenden? Der Grafschafter Diakonie ist genau das passiert.

„Eine Erbschaft hat einen traurigen Anlass, das können und wollen wir nicht vergessen. Gleichzeitig freuen wir uns über die schöne Idee, mit der unsere Arbeit unterstützt werden soll. Für viele unserer Bewohnerinnen und Bewohner ist das ein Glücksfall, denn sie erinnern sich lebhaft an die Zeit, als diese Autos zum Stadtbild gehörten“, sagt Joachim Bocks-Raeth, Leiter des Rudolf-Schloer-Stift. „Man fuhr darin zur Arbeit oder zum Einkaufen und mit der Kassette im Autoradio und den Kindern auf dem Rücksitz ging es in den großen Ferien in den Urlaub. Diese Autos sind intensiv verbunden mit wichtigen Lebensabschnitten.“

Edeltraut Lehmann kommt auch sogleich ins Erzählen über ihren Golf Diesel, der sie 378.000 Kilometer begleitet hat – „mit dem ersten Motor!“ Tränen flossen, als der TÜV das Ende dieser automobilen Gemeinschaft besiegelte, erinnert sie sich – heute darüber lächelnd.

„Solche Gespräche und Erinnerungen hören wir immer wieder, wenn wir die Autos nutzen, um mit den Bewohnerinnen und Bewohnern zum Beispiel Besorgungen oder Besuche zu machen“, erläutert Renate Patalas vom Sozialen Dienst der Einrichtung. „Man nennt das Biografiearbeit. Sie hilft den Menschen, sich zu erinnern und damit die Kontinuität als Persönlichkeit zu bewahren.“ Darüber hinaus werden die Fahrzeuge genutzt für die Betreuung, zur Erinnerungsarbeit für an Demenz Erkrankte, um Bewohnerinnen und Bewohnern den Besuch des Grabes einer geliebten Person zu ermöglichen oder auch, Ehepartner oder Ehepartnerinnen wiederzusehen, die nicht im Stift leben.

Die Männergruppe des Schloer-Stift hat mit den Oldtimern ebenfalls ein neues Hobby gefunden. Kompetent inspizieren die Bewohner Golf und Mercedes auf Rost und Flecken, kümmern sich um Öl und Reifendruck. „Das hilft natürlich auch, die Qualität der Autos zu bewahren oder notwendige Werkstattbesuche anzumahnen“, freut sich Bocks-Raeth.

Mit dem Ziel, die Autos für die Arbeit mit den Bewohnern zu nutzen, unterstützte die Geschäftsführung der Grafschafter Diakonie die Planungen und ließ sie technisch auf Vordermann bringen. Jetzt tragen sie den Zusatz „H“ für historisch auf dem Kennzeichen. Sie stehen nicht nur dem Rudolf-Schloer-Stift zur Verfügung, sondern auch den anderen Seniorenwohnheimen der Grafschafter Diakonie.

„So viele Funktionen haben die beiden Fahrzeuge, da schien uns das Motto ‚Retro on tour‘ passend. Es ziert eine Tafel, die am Mercedes befestigt ist und steht für die nostalgische Reise zur Erinnerung wie für die konkrete Fahrt im historischen Fahrzeug“, erzählt der Einrichtungsleiter. „Wenn Sie das Schild also künftig sehen, wissen Sie, dass hier etwas sehr Schönes passiert.“

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