Dr. Annette Schieck bei der Untersuchung eines Objektes aus Assur (Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation)
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Krefeld. Eigentlich ist es nur noch ein Echo aus der Vergangenheit. Ein fast 2.200 Jahre alter, fragiler Schatz aus dem Altertum. „Über die Jahrtausende hat sich alles Organische aufgelöst. Einzig die textilen Strukturen sind als Abformungen in Kalk erhalten, die bei Berührung zu Staub zerfallen”, sagt Dr. Annette Schieck. Die Fragmente sind extrem klein, meist nicht größer als der Fingernagel des kleinen Fingers, selten etwas mehr als ein Daumennagel. Die Spuren einer untergegangenen Nation wurden im historischen Assur entdeckt, einer Stadt im Norden des heutigen Irak. „Nur selten finden sich textile Überreste aus dieser frühen Zeit und dieser Region”, betont die Wissenschaftlerin.

In Assur wird wieder gegraben

Assur wurde im zweiten und ersten Jahrtausend vor Christus zur Hauptstadt des Assyrischen Reiches. Dieses erste Territorialreich existierte vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis 609 vor Christus. Es wird oft – wie seine Herrscher – in Bibelpassagen genannt. Nach einer längeren Pause ist seit 2023 nun wieder ein deutsches archäologisches Team in Assur tätig. Für die weitere Forschung ziehen sie Spezialisten hinzu – und hier kommen das Deutsche Textilmuseum Krefeld und dessen Leiterin Annette Schieck ins Spiel. Während der Ausgrabungen im Frühjahr 2023 in Assur (Qal’at Schirqat) wurden unter anderem zwei Gräber gefunden, von denen eines Textilreste und das andere Lederreste enthielten. Darin fanden sich je ein Skelett und Beigaben. Die Menschen wurden seitlich liegend mit angewinkelten Beinen bestattet. „Die Körper lagen auf blankem Boden. Über sie waren tönerne Sarkophage gestülpt, die nach ihrer Form „Wannensarkophage” genannt werden”, schildert Schieck. Unter einem der Sarkophage fanden sich zwischen den schlecht erhaltenen menschlichen Knochen einzelne Perlen aus Glas und Bein sowie die kleinen kalzinierten Textilfragmente. Kalziniert bedeutet, dass die organischen Materialien in feuchtem bis nassem Milieu mit hohem Kalkanteil lagen. Der Kalk hat sich auf den Textilfasern abgelagert und diese in einer erstarrten Form nachgebildet, währenddessen sich die organischen Anteile zersetzt und aufgelöst haben. Dabei ist lediglich die Kalkhülle ohne organische Substanz erhalten geblieben. Für eine nähere Untersuchung kamen diese zerbrechlichen Stücke 2023 aus dem Irak nach Krefeld.

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