Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein (Foto: privat)
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Mönchengladbach. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein spricht sich gegen die mögliche Einführung differenzierter Grundsteuerhebesätze in Mönchengladbach aus. Nach der vom Bundesverfassungsgericht angestoßenen Grundsteuerreform beraten die Verantwortlichen in den nordrhein-westfälischen Kommunen derzeit darüber, ob sie differenzierte Hebesätze einführen möchten. Der NRW-Landtag hatte den Städten und Gemeinden die Möglichkeit eingeräumt, künftig unterschiedliche Hebesätze für Wohn- und Nicht-Wohngrundstücke zu erheben. Somit sollen Wohngebäude nicht zu stark belastet werden. Insgesamt sollen die Hebesätze so gestaltet werden, dass die Einnahmen jeder Kommune im Vergleich zur Zeit vor der Reform unverändert bleiben. „Uns ist bewusst, in welchem Spannungsfeld die Kommunen sich zurzeit bewegen. In Abwägung aller Argumente votieren wir allerdings dafür, dass auf differenzierte Grundsteuerhebesätze verzichtet wird“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz in einem Schreiben an Oberbürgermeister Felix Heinrichs.

Steinmetz zweifelt die Steuergerechtigkeit an. Differenzierte Hebesätze führen zu einer Ungleichbehandlung von Wohn- und Nicht-Wohngrundstücken. „Wenn etwas weniger wert ist, sollte dies auch geringer besteuert werden“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer. „Ich sehe insbesondere Probleme für viele mittelständische Unternehmen, auf deren Grundstücken sich sowohl Wohn- als auch Betriebsgebäude befinden.“ Diese werden schließlich künftig dem höheren Hebesatz unterliegen, selbst wenn das Grundstück teilweise zu Wohnzwecken genutzt wird. Insbesondere in Mönchengladbach ist der vom NRW-Finanzministerium veröffentlichte aufkommensneutrale Grundsteuerhebesatz für Nicht-Wohngrundstücke mit 1.224 Punkten gegenüber dem aufkommensneutralen Grundsteuerhebesatz für Wohngrundstücke mit 643 Punkten besonders hoch.

Die IHK geht zudem davon aus, dass Unternehmen in Zentrumslage durch die Grundsteuerreform insgesamt vor deutlichen Mehrbelastungen stehen könnten. Diese würde bei der Differenzierung zwischen Wohngrundstücken und Nicht-Wohngrundstücken verstärkt. „Das wäre gerade für viele Einzelhändler in der momentan schwierigen Zeit eine weitere Hypothek“, so Steinmetz.

Steinmetz verweist außerdem auf die unsichere Rechtslage in puncto differenzierte Hebesätze. Jeder differenzierte Hebesatz müsste auch nach Auffassung des Städte- und Gemeindebunds in jeder Kommune separat verfassungsfest begründet werden. Es ist unklar, was passiert, wenn die Differenzierung nicht verfassungskonform ist. „Dann drohen den Kommunen im schlimmsten Fall Steuerausfälle“, warnt Steinmetz. „Das Risiko ist groß.“ Schon mit Blick auf ihre finanzielle Planungssicherheit sollte die Stadt Mönchengladbach auf differenzierte Hebesätze verzichten.

Die IHK geht davon aus, dass differenzierte Hebesätze perspektivisch zu weiteren zusätzlichen Belastungen für die derzeit ohnehin schon stark belasteten Betriebe führen werden. „Differenzierte Hebesätze eröffnen die Möglichkeit, die Grundsteuer einseitig für die Wirtschaft zu erhöhen, indem nur der differenzierte Hebesatz für die Unternehmen angehoben wird“, erläutert Steinmetz und warnt: „Damit haben die differenzierten Hebesätze das Potenzial, eine Sondersteuer für Unternehmen zu werden.“ Bisher geht nur Nordrhein-Westfalen den Sonderweg, differenzierte Grundsteuerhebesätze einzuführen. „Dies wird dazu führen, dass der Grundsteuerhebesatz für Unternehmen in den NRW-Kommunen, in denen differenziert wird, im Bundesvergleich überdurchschnittlich hoch sein wird“, so Steinmetz. „Das ist für NRW eine Hypothek im Standortwettbewerb.“

Dazu kommt: Schon im April hatten die kommunalen Spitzenverbände die Landespolitik davor gewarnt, dass sich ein differenziertes Hebesatzrecht in der Mehrzahl der Kommunen bereits technisch nicht mehr bis Jahresende 2024 umsetzen lässt. Die IHK befürchtet daher, dass die kommunalen IT-Systeme auch am Mittleren Niederrhein nicht überall in der Lage sind, differenzierte Hebesätze abzubilden. „Eines muss klar sein: Durch die Grundsteuerreform darf keine weitere unnötige Bürokratie für unsere Unternehmerinnen und Unternehmen entstehen. Bereits jetzt ist die Bürokratie in Deutschland ein echtes Wachstumshemmnis“, so Steinmetz.

Der IHK-Hauptgeschäftsführer bedauert, dass durch die Möglichkeit der Differenzierung Unternehmen auf der einen Seite und Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite gegeneinander ausgespielt werden. „Bei allem Verständnis dafür, die Grundsteuerreform für die Bürgerinnen und Bürger mit so niedriger Belastung wie möglich zu gestalten, appellieren wir an die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, auf die Einführung differenzierter Grundsteuerhebesätze zu verzichten“, so Steinmetz.

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