v.l. Dietmar Gutschmidt (JobCenter Essen), Andrea Demler (Agentur für Arbeit Essen), Dieter Hillebrand (DGB), Nadine Sasek (Kreishandwerkerschaft Essen), Hasan Klauser (Agentur für Arbeit Essen) und Kerstin Groß (IHK zu Essen) (Foto: Agentur für Arbeit Essen)
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Essen. Mit Beginn des neuen Ausbildungsjahres läuft für viele noch die Suche: Für die jungen Menschen nach dem passenden Start ins Arbeitsleben und für die Unternehmen nach den Fachkräften von morgen. Gemeinsam ziehen die Agentur für Arbeit Essen, das JobCenter Essen, die IHK zu Essen, der DGB und die Kreishandwerkerschaft Essen eine frühe Zwischenbilanz am Ausbildungsmarkt, um den Blick auf die Chancen zu richten, die auch noch nach dem klassischen Ausbildungsbeginn für die Jugendlichen und die Betrieb bestehen.

Die Kennzahlen zum Ausbildungsmarkt im Einzelnen:

Das Ausbildungsplatzangebot im aktuellen Ausbildungsjahr liegt unter dem Niveau des Vorjahres. So wurden der Agentur für Arbeit Essen seit Oktober 2023 insgesamt 2.801 freie Ausbildungsstellen gemeldet, 132 weniger als im vorhergehenden Ausbildungsjahr.

Auf der anderen Seite meldeten sich in diesem Jahr 3.583 Jugendliche und junge Erwachsene bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit Essen, um sich bei der Suche nach dem passenden Ausbildungsplatz unterstützen zu lassen. Gegenüber dem vergangenen Ausbildungsjahr bedeutet das einen Zuwachs von 144 Bewerberinnen und Bewerbern. Damit kam rein rechnerisch auf eine/n Bewerber/in 0,80 Ausbildungsstelle.

Zum jetzigen Zeitpunkt sind noch 1.070 Ausbildungsstellen unbesetzt, 31 mehr im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die meisten unbesetzten Ausbildungsstellen gibt es im Handel (Kaufmann/-frau im Einzelhandel 125 und Verkäufer/in 112), gefolgt von Verwaltungsfachangestellten Kommunalverwaltung (98) und Zahnmedizinischen Fachangestellten (70).

Aktuell sind noch 1.016 Bewerber/innen auf der Suche nach einer Ausbildung, 76 mehr als im Juli 2023. Hoch im Kurs bei den noch suchenden Jugendlichen stehen Ausbildungen in den Bereichen Kaufmann/-frau für Büromanagement (76), KfZ-Mechatroniker/PKW-Technik (58), Medizinische Fachangestellte (51) und Verkäufer/in (47).

Mit Beginn des Ausbildungsjahres ist auf dem Essener Ausbildungsmarkt noch viel Dynamik zu erwarten – Chance und Herausforderung zugleich für alle Akteure:

Andrea Demler, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Essen:

„In Essen interessieren sich wieder mehr junge Menschen für einen Ausbildungsplatz. Das ist eine positive Entwicklung, denn eine duale Ausbildung eröffnet viele Optionen, die eigene Zukunft aktiv zu gestalten. Den Jugendlichen, die jetzt noch keinen Ausbildungsplatz haben, möchten wir Mut machen, dass es nicht zu spät ist, noch in diesem Jahr eine Ausbildung zu beginnen. Auch jetzt bestehen noch gute Aussichten, einen Ausbildungsbetrieb zu finden. In nahezu allen Branchen und Berufen und sogar bis in den Herbst hinein.  Wir unterstützen mit Last-Minute-Speed-Datings, Ausbildungscamps, der langen Nacht der Ausbildung „Road to future“ oder Bewerbertagen, um durch den direkten und niedrigschwelligen Kontakt zu Arbeitgebern Ausbildungsverhältnisse zu ermöglichen – abseits des sonst üblichen Bewerbungsprozesses.

Und sogar bis zum Jahresende bieten die Nachvermittlungsaktionen der Arbeitsmarktpartner in Essen Möglichkeiten, einen Ausbildungsplatz zu finden. Auch wenn die Suche zunächst vielleicht schwierig scheint: Wir möchten dazu anspornen, nicht den vermeintlich einfachsten Weg einzuschlagen und mangels Alternative weiter die Schule zu besuchen oder einen Job anzunehmen. Eine betriebliche Ausbildung ist und bleibt die solide Basis.

Wir wissen auch, dass die Entscheidung für einen Beruf umfassende Informationen und Vorbilder braucht. Deshalb unser Appell: Nutzt alle Gelegenheiten, um in die Berufspraxis hineinzuschnuppern, macht ein Praktikum im Wunschbetrieb, informiert und orientiert euch. Wir unterstützen euch dabei. Unsere Berufsberaterinnen und Berufsberater engagieren sich gemeinsam mit den lokalen Netzwerkpartnern dafür, dass kein Jugendlicher am Übergang von der Schule in den Beruf verlorengeht. Auch wenn Eltern selbstverständlich wichtige Ratgeber sind: Näher am Puls der Zeit, was neue Berufszweige und Zukunftsbranchen angeht, sind unsere Expertinnen und Experten in der Berufsberatung. Holt euch daher diesen wertvollen Input!

Gefragt sind gleichermaßen die Essener Betriebe. Jeder junge Mensch auf Ausbildungssuche ist eine potenzielle Fachkraft von morgen. Nur durch mehr Ausbildungsstellen wachsen die dringend benötigten Nachwuchskräfte nach. Doch längst nicht alle Betriebe melden ihre Ausbildungsplätze auch der Arbeitsagentur. Dabei können unsere Expertinnen und Experten vom Arbeitgeber-Service diejenigen Betriebe wirksam unterstützen, die aktuell Schwierigkeiten haben, ihre Ausbildungsstelle zu besetzen.

Passt das Matching zwischen Auszubildenden und Ausbildungsbetrieben zu Beginn der Ausbildung noch nicht optimal, hilft eine individuelle Förderung im Rahmen der „Assistierten Ausbildung“. Außerdem stehen Arbeitsagentur und JobCenter weitere Instrumente zur Verfügung, etwa die Einstiegsqualifizierung, der Mobilitätszuschuss oder die Berufsausbildungsbeihilfe. Wir bleiben am Ball und werden weiterhin alles geben, um junge Menschen und Unternehmen zusammenzubringen!“

 

Dietmar Gutschmidt, Fachbereichsleiter JobCenter Essen:

„Es gibt viele gute Argumente, eine Ausbildung zu beginnen. Es ist der perfekte Start ins Berufsleben mit einer Verknüpfung von Praxis und Theorie. Eine Ausbildung öffnet Türen für eine unabhängige und sichere Zukunft, jetzt! Es gibt noch viele gute und interessante Angebote in der Region im Bereich der Industrie und des Handwerks.“

 

Kerstin Groß, Hauptgeschäftsführerin der IHK zu Essen

„Im aktuellen Jahr wurden 1.762 neue Ausbildungsverträge bei der IHK Essen registriert – das entspricht einem Anstieg von 76 Verträgen bzw. 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dieses Wachstum unterstreicht das klare Engagement der Essener Wirtschaft für die betriebliche Ausbildung.

Besonders hervorzuheben sind die positiven Entwicklungen in der Metall- und Elektroindustrie sowie im Bank- und Versicherungssektor, wo ebenfalls ein deutlicher Zuwachs zu verzeichnen ist. Die Unternehmen haben erkannt, dass der bevorstehende Ruhestand der „Babyboomer“-Generation dringenden Handlungsbedarf erfordert und investieren verstärkt in die Ausbildung zukünftiger Fachkräfte.

Auch im Hotel- und Gaststättengewerbe ist ein erfreulicher Zuwachs zu beobachten, der unter anderem auf Nachholeffekte der vergangenen zwei Pandemiejahre zurückzuführen ist. Im Handel hingegen ist die Anzahl der abgeschlossenen Verträge gesunken. Dies reflektiert nicht nur die nachlassende Kaufbegeisterung der Bevölkerung, sondern auch strukturelle Veränderungen und die zunehmende Verlagerung zum Online-Handel. Wenn es uns nicht gelingt, Nachwuchs für diese Branche zu gewinnen, könnte sich der Abwärtstrend weiter verstärken. Daher ist es wichtig, jetzt gemeinsam Lösungen zu finden, um den Handel attraktiv zu halten und so die Vitalität unserer Innenstädte und Einkaufszentren langfristig zu sichern.“

 

Nadine Sasek, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Essen:

„Wir nehmen erfreut eine positive Tendenz bei den Ausbildungszahlen im Essener Handwerk zur Kenntnis. Dennoch bleibt der Bedarf an qualifizierten Auszubildenden weiterhin hoch. Viele Betriebe wären bereit, noch mehr junge Menschen auszubilden, stoßen jedoch auf mehrere Herausforderungen.

Ein entscheidender Punkt ist, dass viele Schulabgänger noch nicht das erforderliche Niveau für eine Ausbildung mitbringen. Dies erschwert es den Unternehmen zunehmend, geeignete Bewerber zu finden, was die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe beeinträchtigen und den Fachkräftemangel weiter verschärfen könnte.

Zudem entscheiden sich immer mehr junge Menschen nach dem Schulabschluss für ungelernte Helferjobs, etwa in der Logistik- und Lieferdienstbranche. Diese erscheinen kurzfristig attraktiver, da sie besser bezahlt werden, bieten jedoch langfristig deutlich geringere Verdienstmöglichkeiten und Karriereaussichten als eine abgeschlossene Ausbildung.

Ein weiteres Problem ist die gesellschaftliche Bevorzugung des Studiums gegenüber der Ausbildung. Viele junge Menschen, Eltern und Lehrer sehen das Studium als erstrebenswerter an, ohne die vielfältigen Chancen einer handwerklichen Ausbildung ausreichend zu berücksichtigen. Oft wird viel Energie darauf verwendet, den Schulabschluss zu verbessern, um die Hochschulreife zu erlangen, anstatt die unmittelbaren Möglichkeiten einer qualifizierten Ausbildung zu nutzen.

Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf. Deshalb möchten wir verstärkt auf die Beratungs- und Fördermöglichkeiten der Agentur für Arbeit hinweisen, die den Betrieben dabei helfen können, Azubis bei ihren Defiziten zu unterstützen. Zudem intensivieren wir die Kooperation mit den Berufsberatern.

Nach dem Sommer starten wir im Rahmen einer Ausbildungsoffensive eine Initiative, bei der Handwerksberufe direkt an den Schulen vorgestellt werden. Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern die vielfältigen Karrieremöglichkeiten im Handwerk näherzubringen und zu zeigen, dass eine Ausbildung eine wertvolle und zukunftssichere Karriereoption darstellt.“

 

Dieter Hillebrand, DGB Regionsgeschäftsführer

„Wir stehen vor riesigen Herausforderungen im aktuellen Ausbildungsjahr. Auf der einen Seite nicht besetzte Ausbildungsstellen und auf der anderen Seite eine hohe Anzahl von jungen Menschen, die noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Unser heutiges Ziel sollte es daher sein, dass durch ein gutes Matching in der Nachvermittlung noch möglichst viele der freien Ausbildungsstellen besetzt werden können. Denn jeder nicht ausgebildete junge Mensch fehlt uns als Fachkraft von morgen.

Wir bleiben daher auch in diesem Jahr bei unserer Forderung, eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen einzuführen. Denn wer eine duale Berufsausbildung anstrebt, sollte auch einen Ausbildungsplatz bekommen. Dazu bedarf es eines auswahlfähigen Angebotes. Daher müssen Unternehmen und Betriebe in ihrer Gesamtheit wesentlich mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.“

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