So sah es früher aus: 1972 fand der erste gemeinaschaftliche Viehscheid in Oberstaufen statt (Foto: © Alexandra Meisburger)
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Oberstaufen. Wenn am 13. September im Alpgebiet rund um Oberstaufen die Glocken erklingen, ist die Zeit des Staufner Viehscheids angebrochen. Der Inbegriff des Allgäuer Brauchtums, der in diesem Jahr sein 50. Jubiläum feiert. An diesem Tag führen die Hirten mehr als 1.100 Stück Vieh von 16 Alpen ins Tal zurück, um dort bei einem großen Fest den Alpsommer zu verabschieden. Erika Schneider (80), Älplerin und Hüttenwirtin, war bei der Geburtsstunde des Staufner Scheids dabei. Sie erzählt, was sie an dieser Tradition liebt.

Von den Alpen ins Tal: Eine tierische Parade in Oberstaufen

Seit dem ersten Viehscheid am 14. September 1972 sind zwar bereits 52 Jahre vergangen, doch wegen einer zweijährigen Corona-Pause feiert der Staufner Scheid erst in diesem Jahr sein stolzes 50. Jubiläum. Die Tradition des Alpabtriebs gibt es sogar noch länger. Aber die damaligen Bürgermeister Erich Feller und Josef Bergmann, der ehemalige Wirt der Alpe Schneeloch, initiierten 1972 den ersten gemeinschaftlichen Viehscheid in Oberstaufen. Damals waren es noch 600 Schumpen, wie die Allgäuer Jungrinder genannt werden. Heute sind es bereits mehr als 1.100 Tiere die von 16 Alpen von den in traditioneller Tracht gekleideten Hirten zurück ins Tal geführt werden.

Der Abzug und die Übergabe des geschmückten Viehs an seine Besitzer steht für den Abschied vom Alpsommer. Am Scheidplatz treffen sich die Älpler mit ihren Familien und Freunden, um zu feiern und zu tanzen. Mittlerweile zieht diese gelebte Tradition immer mehr Besucher an, die das schellende und muhende Spektakel erleben wollen. Der Ablauf: Die Alphirten treffen mit dem Jungvieh ab 8:30 Uhr am Scheidplatz ein. Ab 9:00 Uhr sorgen die Musikkapelle Aach und die Blasmusik Oberstaufen für Stimmung. Die traditionelle Verlosung der Schellen findet gegen 14:30 Uhr im Festzelt statt, bevor um 19:00 Uhr die Live-Musik von den VIELSAITERN die Feier so richtig in Schwung bringt.

Darum sind die Schumpen im Sommer auf der Alpe

Die Arbeit auf der Alpe ist harte Arbeit, verbunden mit einer großen Verantwortung für die Gesundheit und das Wohlergehen der Herde. Für die Tiere ist die Zeit auf dem Berg quasi eine Vitalkur. Die über den Sommer gefressenen Wildkräuter, das saftige Gras und die viele Bewegung sowie das Steigen an den Steilhängen, lassen das Vieh fit werden. Für Sennalpen mit Milchkühen heißt das Milcherträge in höchster Qualität, die auch dem beliebten Berg- und Sennalpkäse das perfekte Aroma verleihen.

Erika Schneider erlebte die Geburtsstunde des Viehscheids – und ist immer noch dabei

Erika Schneider war schon beim ersten gemeinschaftlichen Viehscheid 1972 dabei. Die Älplerin und Hüttenwirtin der Falkenhütte erinnert sich: „Seit 1933 ist der Name Bergmann schon auf der Falkenhütte, ich bin die zweite Generation. Vor 52 Jahren hat sich dann mein Bruder (Josef Bergmann) zusammen mit dem damaligen Bürgermeister Erich Feller darum bemüht, dass ein Viehscheid auch in Oberstaufen stattfindet und ich hätte nie gedacht, dass er so lange Bestand hat. Ich hoffe, dass diese Tradition auch noch viele Jahre weiter geht.“ Warum sie den Viehscheid so liebt, macht sie an zwei Dingen fest: „Der Moment, wenn ich da auf der Höhe stehe und die Schumpen in diesen Kessel laufen. Dieser Schellenklang, wie es schallt. Oder am Sammelpunkt in Lanzenbach, wenn von beiden Bergen alle zusammenkommen, man beieinander ist und den Hochbühl hinaufsieht. Das sind die schönsten Momente des ganzen Getöses.“

Auch in diesem Jahr will Schneider beim Viehscheid wieder mitmachen: „Den ersten Viehschied im September 1972 bin ich im Alter von 29 Jahren mitgelaufen und seitdem jedes Jahr aufs Neue. Jetzt mittlerweile, mit über 80 Jahren, fahre ich bis Steibis mit dem Quad voraus – aber im Hinterkopf habe ich es, dass ich vielleicht zum 50. Jubiläum bis Steibis noch einmal zu Fuß durchlaufe, wir werden sehen…“

Ehrenamtliche des Fördervereins nehmen Urlaub für die Organisation

Seit 1974 veranstaltet der eigens gegründete Förderverein Staufner Viehschied e.V. ehrenamtlich den Viehscheid. „Dieses Gemeinschaftsgefühl zu erleben, den Zusammenhalt zu spüren. Das ist wirklich etwas Besonderes und Wertvolles. Ohne diese Verbundenheit, mit der wir alle hinter dieser Tradition stehen, und die großartige Zusammenarbeit wäre es für uns nicht möglich das Fest zu erhalten. Darauf sind wir wahnsinnig stolz“, so die Vorstandschaft. Der Verein führt die Tradition gemeinsam mit den zahlreichen Älplern, Bauern und weiteren helfenden Händen bis heute fort. Für die zeitintensive Organisation der Veranstaltung nehmen sich die Ehrenamtlichen oftmals sogar Urlaub.

Weitere Informationen unter www.oberstaufen.de/viehscheid

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