Hasan Tuncer (Foto: Victoria Eminger)
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Mülheim an der Ruhr/Rhein-Ruhr. Nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub sehe ich mich mit tiefem Bedauern gezwungen, auf die tragischen Ereignisse der letzten Tage einzugehen. Die jüngsten Messerangriffe, von denen einige – wie der schreckliche Vorfall in Solingen – tödlich endeten, erschüttern uns alle zutiefst. Solingen, eine Stadt, die wir bereits mit dem schrecklichen Anschlag auf die Familie Genç in trauriger Erinnerung halten, wird nun erneut durch ein entsetzliches Gewaltverbrechen erschüttert. Leider sind diese Vorfälle kein Einzelfall: Auch in anderen Städten Deutschlands kam es in den vergangenen Tagen zu brutalen Messerattacken, die Menschenleben gefordert und viele weitere verletzt haben.

Diese Serie von Gewaltakten ist ein besorgniserregendes Signal, das uns zwingt, die Lage ernsthaft zu überdenken. Die Tatsache, dass solche Verbrechen an verschiedenen Orten in so kurzer Zeit verübt wurden, zeigt, dass wir uns nicht mit Einzelfällen konfrontiert sehen, sondern mit einem tiefgreifenden gesellschaftlichen Problem, das uns alle betrifft.

Seit vielen Jahren setze ich mich leidenschaftlich für eine vielfältige und inklusive Gesellschaft ein. Genauso entschieden trete ich jedoch gegen jegliche Formen des Extremismus ein, seien es Rechtsradikale oder islamistische Gruppierungen. Bereits 2014 habe ich darauf hingewiesen, wie gefährlich der radikale Islamismus für unsere Gesellschaft ist und gefragt, ob es wirklich erst europäische Opfer geben muss, bevor ernsthaft gehandelt wird.

Die jüngsten Gewaltakte durch islamistische Täter zeigen einmal mehr, dass diese Extremisten unsere hart erkämpften demokratischen Werte mit Füßen treten. Während wir uns für den Schutz und die Integration von Menschen einsetzen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, nutzen diese Täter die Freiheiten unserer Demokratie, um sie zu untergraben. Dieses dürfen wir nicht länger hinnehmen. Wir müssen uns als Gesellschaft kritisch hinterfragen und uns ehrlich eingestehen, ob wir wirklich genug tun, um echte Integration zu ermöglichen. Es reicht nicht aus, Vielfalt nur zu begrüßen – wir müssen sie aktiv fördern und gestalten. Durch erfolgreiche Integration kann Vielfalt zu einem wertvollen Gewinn für uns alle werden.

Gleichzeitig dürfen wir nicht davor zurückscheuen, Missstände offen zu benennen – selbst wenn sie innerhalb der Gemeinschaften mit Migrationshintergrund auftreten. Wer mich kennt, weiß, dass ich keine Scheu davor habe, Probleme beim Namen zu nennen. Doch oft werde ich in dem Moment, in dem ich diese Themen anspreche, von verschiedenen Seiten ausgebremst. Jetzt ist es genug!

Viel zu lange haben wir aus Angst, der AfD Aufwind zu geben, über kriminelle Handlungen und integrationsfeindliche Tendenzen innerhalb bestimmter Gruppen geschwiegen. Diese Zurückhaltung hat dazu geführt, dass berechtigte Sorgen ignoriert und Probleme unter den Teppich gekehrt wurden. Es ist höchste Zeit, dass wir diese Themen offen und ohne Scheuklappen diskutieren – ohne dabei in rassistische Stereotype zu verfallen.

Diese Diskussion muss unabhängig davon geführt werden können, wer sie initiiert. Diesmal ergreife ich als Vorsitzender des Integrationsrats die Initiative und richte mich mit dieser Mitteilung auch ausdrücklich an die Bundesregierung!

Ich fordere die Bundesregierung mit Nachdruck auf, entschiedener gegen diejenigen vorzugehen, die unsere Werte und unsere Gemeinschaft gefährden. Straftäter, die wiederholt polizeilich auffällig geworden sind, müssen zur Verantwortung gezogen und, wenn nötig, aus dem Land ausgewiesen werden. Es darf nicht sein, dass solche Taten den rechtspopulistischen Kräften, wie der AfD, zusätzlichen Auftrieb geben.

Als jemand, der 1995 selbst als Geflüchteter nach Deutschland kam, verstehe ich die Ängste und Herausforderungen, die damit einhergehen. Doch heute sehe ich, wie das wiederholte Fehlverhalten einiger Weniger das Vertrauen in unsere Integrationsarbeit massiv erschüttert. Wir dürfen unsere demokratischen Werte nicht unnötig aufs Spiel setzen.

Deshalb fordere ich, dass wir sorgfältig prüfen, wer hierbleiben darf und dass bei schwerwiegenden Verstößen hart durchgegriffen wird. Deutschland ist ein Land der Menschlichkeit und des Rechts, doch diese Rechte und Freiheiten dürfen nicht von radikalen Ideologien missbraucht werden.

Wir arbeiten täglich hart, um Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung zu unterstützen und ihnen eine Perspektive zu bieten. Es ist inakzeptabel, dass unsere Arbeit durch einige wenige „Idioten“ derart in den Dreck gezogen wird. Ich distanziere mich klar von solchen Straftätern und betone, dass wir uns für das Wohl unserer Gesellschaft einsetzen.

Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass eine konsequente Haltung gegenüber extremistischen Straftätern den Rechten Aufwind geben würde. Im Gegenteil: Nur durch eine klare Haltung und die Verteidigung unserer demokratischen Werte können wir verhindern, dass diese Themen von radikalen Kräften missbraucht werden.

Im Politischen Raum werden Parteien nun bestimmt wegen der Tragödie das Leid in Solingen auf zynische Weise instrumentalisieren, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Das ist klar! Diese Situation verdeutlicht, dass wir sensibler mit solchen Themen umgehen und verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen müssen, um denen, die Vorwände suchen, um gegen Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrung zu hetzen, keinen Raum zu geben. Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass nicht jeder muslimische Geflüchtete ein Terrorist ist und nicht jeder Deutsche ein Nazi.

Ich appelliere an die Bundesregierung und alle politischen Verantwortlichen, jetzt zu handeln, um die Sicherheit und das Vertrauen in unser Land zu wahren.

 

Ein KlarKlick von Hasan Tuncer, Vorsitzender des Integrationsrates der Stadt Mülheim an der Ruhr

Anmerkung der Redaktion: Unter KlarKlick versteht die LokalKlick-Redaktion Gastkommentare, die zur gesellschaftlichen Diskussion führen. Sie geben nur die Meinung des Gastkommentatoren wieder und sind nicht unbedingt die Meinung der Redaktion.

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