Stefanie Siebelhoff, Direktorin des Caritasverbandes für das Bistum Essen (Foto: Caritas Essen | Nicole Cronauge)
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Essen/Ruhrgebiet/Märk. Sauerland. Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen beunruhigen auch die Caritas im Ruhrbistum. Stellvertretend für den Essener Diözesan-Caritasverband schreibt die Direktorin, Stefanie Siebelhoff, in einem offenen Brief an die Mitglieder des Netzwerkes:

„Ich mache mir große Sorgen um den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Ein Drittel der Wählerinnen und Wähler in Thüringen hat einer rechtsextremen Partei ihre Stimme gegeben, die den Wertekonsens unserer offenen und demokratischen Gesellschaft ablehnt. Ratlos und erschrocken wirken die politischen Vertreterinnen und Vertreter des demokratischen Spektrums bei dieser Wahlschlappe mit Ansage. Wie konnte die AfD so viele Jungwählerinnen und -wähler für sich gewinnen? Wie ernst ist die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien, wenn die AfD nicht mehr überwiegend aus Protest, sondern aus Überzeugung gewählt wird? Politische Bildung und Wertevermittlung sind nun in besonderer Weise gefordert, um Intoleranz und Hass zu begegnen. Dazu wollen wir als Caritas unseren Beitrag leisten und für eine offene und tolerante Gesellschaft streiten.

Die Rechtsextremen in Deutschland treiben die Ampel-Regierung mit ihren Versprechungen zu innerer Sicherheit, zu mehr Abschiebungen und einer Abschottung Deutschlands vor sich her. Es ist kurzsichtig, dass die Bundesregierung nach dem Messerangriff in Solingen ein Maßnahmen-Paket ankündigt, das auf Verschärfung des Asylrechts setzt statt auf gelingende Integration. Aus gutem Grund hat Deutschland ein humanes Asylrecht und die Verpflichtung, Menschen auf der Flucht Schutz zu gewähren.

Genau jetzt ist es umso wichtiger, finanzielle Mittel für Integrationsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, die den geflüchteten Menschen, die bereits bei uns leben, eine Perspektive bieten, damit sie sich nicht abwenden und radikalisieren. Eine Gesellschaft, die sich zunehmend verschließt, die geflüchteten Menschen keine Integration ermöglicht, ist stark gefährdet, durch Radikalisierung unterwandert zu werden. Wir müssen die Probleme an den Wurzeln packen und nicht erst dann reagieren, wenn “das Kind in den Brunnen gefallen ist”.

Auf NRW-Landesebene stehen Kürzungen bei den Integrationshilfen im Raum. Erst in diesem Jahr konnten durch Intervention der Freien Wohlfahrtspflege Kürzungen bei der Migrationsberatung abgewendet werden. Auch die Caritas finanziert in erheblichem Maße Integrations- und Quartiersarbeit, die in sozial benachteiligten Stadtteilen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen miteinander vernetzt und für Orte der Begegnung und Verständigung sorgt. Dies gelingt vor allem durch die Mitarbeit Ehrenamtlicher, die häufig selbst Fluchterfahrung haben. Ich bin beeindruckt von der Arbeit, die dort täglich geleistet wird und gleichzeitig erschüttert, wie wenig das gesellschaftlich oder politisch geschätzt und gefördert wird.

Wir haben es in der Hand, der AfD ihren Nährboden für Hass und Menschenfeindlichkeit zu entziehen. Dafür braucht es eine Politik, die nicht angstgetrieben auf die nächste Bundestagswahl schaut, sondern mutig und mit einem langen Atem soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt in unserem Land fördert. Lassen Sie uns gemeinsam mit unserer Arbeit und unseren Werten für unsere Demokratie einstehen.

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