Gregor Lauenburger in "Peter Pomm's Pusztetten-Stube" in Duisburg (Foto: Nicole Cronauge | Bistum Essen)
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Duisburg/Essen/Berlin. Der Essener Schulseelsorger Gregor Lauenburger liebt Currywurst. Zusammen mit Co-Autor Tim Koch hat er herausgefunden, dass der Snack nicht etwa erst 1949 in Berlin erfunden wurde, sondern bereits 1936 in Duisburg erhältlich war. Diese Geschichte erzählen die beiden in ihrem launigen Buch „Alles Currywurst – oder was?“. Für Lauenburger hat die Currywurst aber auch eine Seelsorge-Perspektive.

Berlin oder Hamburg? Oder doch im niedersächsischen Bückeburg? Wenn es um die Heimat der Currywurst geht, diskutieren Fans des Kult-Imbisses seit Jahren die verschiedensten Theorien. Nun bereichert Gregor Lauenburger, Schulseelsorger am Essener Mariengymnasium, die Szene mit einer neuen Geschichte – und die hat das Potential, den Currywurst-Streit ein für alle Mal zu beenden: Gemeinsam mit Co-Autor Tim Koch tritt Lauenburger den Beweis an, dass es Wurst in Currysoße nicht erst seit dem 4. September 1949 gibt (in Berlin wird morgen deren 75. Geburtstag gefeiert) – sondern dass man bereits 1936 in Duisburg Currywurst gegessen hat.

Schuld sei seine Oma gewesen, sagt der in Duisburg aufgewachsene Lauenburger. Der habe er 1977 als kleiner Junge von seiner ersten Currywurst vorgeschwärmt, die er sich gerade mit dem ersten Taschengeld gekauft hatte. „Currywurst?“, habe die Oma entgegnet, „die haben wir schon vor dem Krieg gegessen“. Doch bis dieser Halbsatz, der schon für sich genommen jede Berliner Nachkriegs-Currywurst-Jubelei wanken lässt, zur Basis einer handfesten Recherche wurde, brauchte es noch einige Jahrzehnte – und Lauenburgers zufällige Begegnung mit „Peter Pomm‘s Pusztetten-Stube“ in Duisburg-Marxloh. Der Imbiss am August-Bebel-Platz wirbt nicht nur für die hauseigene Spezialität „Pusztetten“ – Fleischbällchen in Tomatensoße – sondern ausweislich der Außenwerbung auch für „Currywurst – seit 1936“.

Erinnerungen an Omas Currywurst-Erfahrungen

Als Lauenburger bei einem Besuch in Marxloh das Schild sah, fiel ihm die Vorkriegs-Erinnerung seiner Oma wieder ein – und begann zu recherchieren. Das Ergebnis wochenlanger Gespräche, Korrespondenzen, Studien in Familienfotoalben und Rechnungsbüchern und natürlich unzähligen Currywurst-Portionen steht nun in „Alles Currywurst – oder was? Die ganze Wahrheit über das Kultobjekt“, das der Essener Klartext-Verlag am Dienstag, 3. September, wohl nicht ohne Hintergedanken exakt einen Tag vor der 75-Jahr-Feier der Berliner Currywurst in die Buchläden gestellt hat. Neben einem ausführlichen „Currywurst-Lexikon“ erzählen Lauenburger und Koch die verschiedensten Gründungsmythen – um der Leserschaft dann genussvoll die wahre Wurst-Heimat im Ruhrgebiet zu präsentieren – samt eindrucksvoller Belege. So bezog Peter Hildebrand, Schwiegervater des heutigen Inhabers von „Peter Pomm‘s Pusztetten-Stube“, bei der Hamburger Gewürz-Mühle nachweislich bereits Mitte der 1930-er Jahre „Currypulver Englische Art“ für sein damals noch in der Duisburger Innenstadt beheimatetes Unternehmen.

Und auch auf die Frage, warum die Ruhrpott-Wiege der Currywurst bislang kaum bekannt war, haben die beiden Autoren eine Antwort: In der Nazizeit habe „die Furcht vor Behördenwillkür und Gefangennahme aufgrund ,unvölkischem‘ Verhalten Hildebrand eine effektive Vermarktung vor dem Krieg unmöglich gemacht“, schreiben Lauenburger und Koch. Und während des Kriegs sei Hildebrand als Niederländer die unternehmerische Tätigkeit in Deutschland dann gänzlich untersagt worden. Erst nach dem Krieg startete die Currywurst-Vermarktung von Duisburg aus. „Der Siegeszug der Currywurst nahm seinen Lauf: spätestens jetzt auch über das Ruhrgebiet hinaus bis nach Hamburg, Berlin und in andere Städte und Regionen Deutschlands“, heißt es im Buch.

Die Currywurst hat etwas sehr Verbindendes – gerade im Ruhrgebiet

Lauenburger betont, dass das Buch und seine Currywurst-Liebhaberei vor allem Hobby und Leidenschaft eines überzeugten Ruhrgebiets-Bewohners seien. Doch zugleich habe die Currywurst – die es für ihn übrigens ab und an auch gern in einer vegetarischen Variante geben darf – auch viel mit seinem Beruf als Seelsorger zu tun. „Gerade bei uns im Ruhrgebiet, wo wir so oft nach etwas Verbindendem zwischen den vielen Städten, Kulturen oder Fußballvereinen suchen, ist die Currywurst doch ein echter Brückenbauer. Die mögen fast alle. Außerdem sind an so einer Currywurstschale alle gleich, egal ob Vorstandschef oder Obdachlose, Schalke- oder BVB-Fan.“ Für ihn sei es sehr nachvollziehbar, dass Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck jüngst seinen 60. Geburtstag mit Currywurst gefeiert hat und dieses Essen auch in anderen Firmen und Organisationen im Ruhrgebiet nicht nur in der Kantine, sondern auch bei Veranstaltungen ein beliebter Imbiss sei. Schließlich sei eine Currywurst-Schale auch „etwas sehr Solidarisches“, hebt Lauenburger hervor: „Man kann da prima gemeinsam drin picken.“ Und wenn er als Schulseelsorger oder als Geistlicher Begleiter ein schwieriges Gespräch erwarte, dann sei eine Portion Currywurst oft ein guter Eisbrecher, so seine Erfahrung.

Kein Wunder, dass in dem gemeinsamen Buch des Seelsorgers und des Gastro-Unternehmers am Ende des alphabetischen Lexikons auch „Zehn Gebote“ für eine echte und gute Currywurst nicht fehlen dürfen. Neben dem launigen „Teile deine Currywurst gerne, besser ist es aber, eine zweite Portion zu bestellen!“ oder „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Currywurst – hol dir lieber ’ne eigene Portion!“, heißt es da auch ziemlich deutlich: „Auf der Currywurst hat beim Servieren Currypulver nichts zu suchen (es muss alles bereits in der Soße sein, ästhetische Ausreden zählen nicht)!“ Beim Geschmack ihrer Currywurst gibt’s für Lauenburger und Koch keine Kompromisse.

INFO: Buch „Alles Currywurst – oder was?“
Das Buch „Alles Currywurst – oder was? Die ganze Wahrheit über das Kultobjekt“ von Gregor Lauenburger und Tim Koch ist im Klartext-Verlag erschienen (ISBN 978-3-8375-2658-5) und für 19,95 Euro überall dort erhältlich, wo es Bücher gibt.

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