Krefeld. „Die Geschichte steckt im Boden”, sagen Archäologen. Wenn man mal als Besucher bei einer Grabung dabei ist und nichts erkennt außer Lehm, Sand und Stein, dann lesen die Archäologen in den Bodenverfärbungen nicht selten schon eine erste Geschichte. Falls sich die ersten Indizien bestätigten, dann hat Stadtarchäologe Dr. Hans Peter Schletter nun solche Spuren bei einer Grabung entdeckt – den ältesten Siedlungsnachweis in Krefeld-Traar. In dem Bereich zwischen Moerser Landstraße und An der Elfrather Mühle wohnten und arbeiteten demnach vor rund 2800 Jahren die Ur-Traarer. Bei der Grabung fiel an mehreren Stellen besonders eine dicke Schicht mit Brandschutt auf, die noch Rätsel und Fragen aufwirft.
Spurensuche auf 8000 Quadratmetern
„Wir haben eine früheisenzeitliche Siedlungsstelle freigelegt und dort tatsächlich eindeutige Baustrukturen gefunden”, so der Stadtarchäologe. Anfang November hatten Schletter, der Grabungstechniker Dominik Sarna und der 74-jährige ehemalige Leiter des Museums Burg Linn, Dr. Christoph Reichmann, begonnen, das rund 8000 Quadratmeter große Areal archäologisch zu untersuchen. Dort soll ein Supermarkt gebaut werden. Mehrere Pfostenlöcher aus der Zeit zwischen 750 bis 500 vor Christus, die nur noch als Erdverfärbung erkennbar sind, haben sie gefunden und detailliert dokumentiert. Diese stammen wohl von Wohn-Stall-Gebäuden, wie sie typisch für den Niederrhein zu jener Zeit waren. Ferner entdeckten sie vier Brunnen und einige Gruben. Die früheisenzeitlichen Fundstellen seien zwar schlecht erhalten. Aber die Entdeckung von Keramikscherben ermöglichte eine klare zeitliche Einordnung. Die Untersuchung vor Ort durch das Archäologen-Trio ist inzwischen abgeschlossen. Die wissenschaftliche Auswertung steht jetzt an.
Seltene Wohnstruktur aus der Eisenzeit
In Nordeuropa reicht die Eisenzeit von etwa 750 vor bis um Christi Geburt. Eisen diente den Menschen zur Herstellung von Stichwaffen und Gerätschaften. Bereits zur Eisenzeit besiedelten und bewirtschafteten Menschen das Land und den Wald im heutigen Krefeld. Die archäologischen Funde aus dieser Zeit sind jedoch rar, was die aktuelle Entdeckung umso interessanter macht. Der älteste Eisenfund auf Krefelder Boden ist eine kleine Pinzette, die in einem früheisenzeitlichen Grab auf dem Heidberg bei Krefeld-Gellep gefunden wurde. Die früheisenzeitlichen Wohn-Stall-Funde in Traar sind erst die zweiten ihrer Art im Stadtgebiet. Bei einer Grabung 2012/13 in Fischeln wurden auch Wohnstrukturen entdeckt. Ein Indiz für eine noch ältere Besiedlung von Traar könnte ein dort gefundenes Spätbronzeschwert sein. Der Einzelfund wurde vor dem Zweiten Weltkrieg an ein Dortmunder Museum abgegeben und gilt seit einem Bombenangriff als verschollen. Nur noch ein Foto mit dem Schwert als Abguss ist vorhanden. Die Bronzezeit umfasst in Mitteleuropa etwa den Zeitraum von 2000 bis 800 vor Christus.
Deutliche Brandspuren entdeckt
Als eine aufschlussreiche Fundstelle erwies sich eine Grube mit Brandschutt. Darin fanden sich Keramikscherben neben Holzkohle und gebrannten Tonstückchen mit Pflanzenabdrücken. Die Tonstücke stammen aus einer Fachwerkkonstruktion. Da die Archäologen an mehreren Stellen, teils in gefundenen Brunnen, die Brandspuren nachweisen konnten, gehen sie davon aus, dass eine Siedlung an dieser Stelle völlig abbrannte – eine Ursache wird wohl nicht geklärt werden können. Die Brandreste wurden wohl zeitnah entsorgt, der Platz geradezu aufgeräumt. „Und dann wurde an derselben Stelle wieder aufgebaut”, so Schletter. Das sei insofern ungewöhnlich und auffällig, da in der Eisenzeit Wohn-Stall-Orte durchaus nur einige Jahre genutzt wurden, um dann in der unmittelbaren Umgebung neue Gebäude zu errichten.
Holz von Brunnenkasten gefunden
Traar soll sich von „te ahre” ableiten, was „am Wasser” bedeuten soll. Die nun entdeckten Siedlungsspuren liegen unweit des Moersbachs. Die Wasserversorgung in der Eisenzeit erfolgte über Schöpfstellen an natürlichen Gewässern, deren
Wasserführung damals in der Regel größer war als heute. Gerade am Niederrhein
konnte die Wasserqualität jedoch aufgrund der häufig nur mäßigen
Fließgeschwindigkeit schnell absinken, so dass sich schon früh Brunnen finden. „Wir haben auf dem Areal vier Brunnen entdeckt und ausgegraben”, berichtet Schletter. Darunter auch eine Variante mit einem ausgehöhlten Baumstamm, der wohl schon vor 750 vor Christus dort verbaut wurde. Gleich daneben konnten die Archäologen einen Brunnen aus der Eisenzeit aufdecken. „Hier haben wir noch Holzteile des Brunnenkastens am Grund gefunden”, sagt Schletter. Ein derartiger Holzfund sei selten und dort zudem unerwartet gewesen. Über die Jahrtausende habe sich das Holz in einem feuchten Milieu erhalten können. Eileen Wolff, die Restauratorin am Museum Burg Linn, konnte die Fragmente sicher bergen. „Drei liegen nun zunächst im klaren Wasser, eines in einer speziellen Konservierungslösung”, so Wolff. Ob sich die Stücke für eine dendrologische Untersuchung (Holzaltersbestimmung) eignen, steht jetzt noch nicht fest.
Siedlungsstelle bis ins Mittelalter
Dass der Ort als Siedlungsstelle auch zu späteren Zeiten genutzt wurde, lässt sich für die Römerzeit noch nicht nachhaltig belegen. „Eine Nutzung in römischer Zeit will ich nicht ausschließen”, so Schletter. In der Nähe des Moersbachs kam eine Scherbe einer Bilderschüssel aus Terra Sigillata zum Vorschein. „Das war das gute Tafelgeschirr, das in Großserie produziert wurde”, erklärt Schletter. Weil die Scherbe am Moersbach auch angespült worden sein könnte, sei der Fundzusammenhang nicht eindeutig. Unmittelbar an das aktuelle Grabungsareal – östlich von Haus Traar – konnte vor einigen Jahren ein Hofplatz archäologisch bestimmt werden, der offenbar gegen Ende 9. Jahrhunderts, also in spätkarolingischer Zeit, angelegt wurde und bis ins 12. Jahrhundert bestanden hatte. Dabei handelte es sich um einen „Aussiedlerhof” einer fast eineinhalb Kilometer weiter östlich gelegenen, fränkisch-karolingischen Siedlung, die 1977 ausgraben wurde. Das Haus Traar bzw. ein Vorgängerbau (Burg) ließ wohl um 1000 ein Arnold von Are errichten. Eine erste urkundliche Erwähnung ist für 1255/56 belegt.