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Oberhausen/Davos. Der längste und anspruchsvollste Ultratrail der Alpen ist der Swiss Irontrail mit Start und Ziel in Davos. Angeboten werden sechs Strecken, angefangen vom Einsteiger-Trail von Arosa nach Davos über 18,6 Kilometer mit 1060 Höhenmetern über die Marathondistanz mit 2290 Höhenmetern als Alpenrundkurs bis hin zur Königsdisziplin, dem „T201“, laut Homepage des Veranstalters schönster Ultratrail weltweit mit 200 Kilometern und 11.440 Höhenmetern.

Günter Sadowski, Jahrgang 1957, Mitglied des Endurance Teams im OTV (Oberhausener Turnverein von 1873 e.V.), erfahrener Ultratrailer, suchte sich diese Disziplin aus: den Irontrail T201. Offizielle Beschreibung: „Ein extrem langer, hochalpiner, technisch, physisch und psychisch außerordentlich anforderungsreiches Trailrunning-Event mit Abenteuercharakter. Einzelne Streckenteile sind sehr exponiert. Für die Bewältigung vom T201 sind ein exzellenter Trainingszustand sowie ein physischer und psychischer Top-Zustand unabdingbar. Erforderlich sind auch ein ausgeprägtes Orientierungsvermögen und persönliche Autonomie im Gebirge.“ Die Mitnahme eines Mobiltelefons ist Pflicht.

Das Zeitlimit liegt bei 64 Stunden. T201-Startende können nach 96 oder nach 137 Kilometern das Rennen an den Stationen vorzeitig beenden, der Wettkampf gilt dann nicht als abgebrochen, sondern wird in der jeweiligen Spezialwertung klassiert.

Die ca. 200 Kilometer lange Strecke führt über den Sertigpass nach Keschhütte, weiter nach Berguen, von dort über Samedan nach Pontresina und Maloja. Abschließend kehrte der Weg über Tiefenkastel, Lenzerheide, Arosa und Strelapass zurück nach Davos. Mehrfach geht es für die Teilnehmer auf eine Höhe von 2800 Metern hinauf, lediglich neun Kilometer liegen unter 1000 Höhenmetern.

Sadowski ließ sich selbst von schlechten Wetterbedingungen in Form von Temperaturen um den Gefrierpunkt und starken Gewittern nicht von seinem Vorhaben, das Ziel zu erreichen, abbringen. „Diesen längsten und anspruchsvollsten Ultratrail der Alpen wollte ich auf jeden Fall finishen. Das war das Wichtigste. 200 Kilometer in den Alpen zu laufen, das kann man sich nur schwer vorstellen.“

Dabei waren die Trainingsbedingungen für Sadowski im Vorfeld alles andere als ideal. Ein Handbruch zu Jahresbeginn sowie Probleme aufgrund nicht korrekt gefertigter orthopädischer Schuheinlagen störten das Training sehr und ließen es auch nicht zu wie gewohnt. „Die Lockerheit war lange außen vor, die gesundheitlichen Beschwerden währten relativ lange. Und dieser Ultratrail gehört zu der Kategorie, in der man schon das Risiko eingeht, das Rennen nicht unbedingt bis zum Schluss austragen zu können. Zu viele unvorhersehbare Ereignisse wie z. B. das Wetter, unzureichende Ernährung, körperliche Schwächen usw. können den Wettkampf schnell beenden. Ich glaube, die Psyche ist das wichtigste. Ich hatte mir ganz fest vorgenommen und es ist mir auch gelungen, keine negativen Gedanken aufkommen zu lassen.“

Unterwegs bilden sich immer sogenannte Seilschaften, Läufer finden sich zusammen. „Wir waren ab Kilometer 80 zu Fünft. Wie mit den kleinen sogenannten Negerlein waren wir ab Kilometer 145 nur noch Zwei.“ Disziplin ist gefragt: „Ich habe immer das gesamte Ereignis gesehen und mich nie verleiten lassen, zu schnell unterwegs zu sein. Das Scheitern ist fast vorprogrammiert! Wie viele mir bekannte Läufer, die schneller unterwegs waren, sind an den eigenen Eitelkeiten gescheitert!“

Zu schnell war der OTVer auf keinen Fall unterwegs. Die Soll-Zeit betrug 64 Stunden, er wird trotz der zwei durchgelaufenen Nächte ohne Schlaf in den Ergebnislisten notiert mit 63:59.15,0 Std. Knapper geht’s (fast) nicht. Wie kommt das?

Nun, die verbliebene Mit-Läuferin war eine 28-jährige Schweizerin, schon ziemlich angeschlagen und relativ langsam unterwegs. „Allein lassen wollte ich sie nicht, wir waren bis ins Ziel zusammen unterwegs und finishten gemeinsam. Für mich in dem Fall Ehrensache, zumal meine Erfahrung der Schlüssel zum Erfolg war.“

Damit relativiert sich das Ergebnis. Sadowski hat um der Menschlichkeit willen das Ergebnis seines Trails um einige Stunden „verschlechtert“ – aber ganz sicher mit seinem ehrbaren Handeln an Achtung gewonnen. „Realistisch wäre hier bei Durchziehen des eigenen Tempos eine Zeit im Rahmen von 55 – 60 Stunden durchaus möglich gewesen.“ Alle Achtung! Mit dieser Einstellung passt Sadowski gut ins Endurance Team des OTV.

Sei’s drum. Gewonnen hat er sowieso. Als 15. seiner Altersklasse und Letzter (81.) auf dieser Strecke überhaupt wird er gelistet – aber unmittelbar danach sind 25 männliche Starter nur in seiner Altersklasse für den T201 aufgeführt, die nicht in die Wertung für diesen Trail gelangen konnten. Bis auf einen sind alle weniger als sieben Stunden unterwegs gewesen, haben das Rennen also sehr frühzeitig beenden müssen, sei es aufgrund gesundheitlicher Probleme oder weil die maximalen Zeiten überschritten wurden. Die Finisherquote lag wie auch in den Vorjahren bei unter 40 %.

Die von Sadowski betreute Läuferin ist überhaupt die einzige, die in ihrer Altersklasse auftaucht. Mit einer Zeit von 63:59.28,8 Std…

Prickelnd für die beiden, dass ab irgendwann der sogenannte „Besenwagen“ hinter ihnen her war und sie ständig daran erinnerte, mit welcher Zeitdifferenz sie aktuell vor der Cut-Off-Zeit unterwegs waren, dem Zeitpunkt, nach dem sie wegen Überschreiten des Limits aus der Rennwertung fliegen würden. An den Verpflegungsstellen mit Zeitbegrenzung zählten nicht die Eingangs-, sondern die Ausgangszeiten. „Da durftest Du keine schwachen Nerven haben! Zu lange Essens- oder Schlafzeiten waren nicht drin!“

Sadowski ist angekommen, innerhalb der Wertung und trotz ungünstiger Vorbereitungsbedingungen. Der Swiss Irontrail 2015 ist geschafft und Geschichte. Und schon sind die nächsten Events für’s kommende Jahr geplant – und um Events handelt es sich alle Male: Die „Tortour Switzerland“, mit dem Rennrad um die Schweiz, 1000 km nonstop mit 14.500 Höhenmetern, und immer wieder, dann zum fünften Mal, „La Diagonale des Fous“, die „Diagonale de Verrückten“ auf La Réunion, 164 km Überquerung der Insel mit knapp 10.000 Höhenmetern – natürlich zu Fuß.

Menschen gibt’s…

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