Michael Birkhan (l.) mit seinem Drehpartner bei "Die Ruhrpottwache" (Foto: privat)
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Rhein-Ruhr. In SAT 1 heißt er Michael Kleer und ist seit Oktober 2017 Ermittler in der Ruhrpottwache; Im wirklichen Leben ist Michael Birkhan Polizeihauptkommissar und Abschnittsleiter im Einsatzdienst der Bremer Polizei. Nicht nur bei seinen Geschichten unter http://www.polizei-poeten.de möchte der Polizeigewerkschafter Birkhan die Polizeiarbeit realistisch und authentisch darstellen: “Mit der Produktionsfirma FILMPOOL kann ich in der Serie ‘Die Ruhrpottwache’ den Polizeialltag so zeigen, wie er wirklich ist. Ich hoffe, wir setzen ein positives Zeichen. In den letzten Jahren hat die Akzeptanz der Polizeiarbeit abgenommen, wir werden immer öfter bei der Arbeit behindert, angefeindet und sogar angegriffen.” Nachdenklich fügt Birkhan hinzu: „Polizeibeamte sind keine besonderen Menschen in einem normalen Beruf, sondern normale Menschen in einem besonderen Beruf.“

Für die Festtage hat Michael Birkhan für die LokalKlick-Leserinnen und -Leser drei nachdenkliche aber auch heitere Geschichten herausgesucht. „Viel Spaß beim Lesen und frohe Festtage wünsche ich allen LokalKlick‘erinnen und LokalKlick‘ern zwischen Hamminkeln und Dormagen sowie Neukirchen-Vluyn und Essen“, teilt Birkhan herzlich mit. Seine erste Geschichte über einen Nachtdienst an Heiligabend wurde schon über 3.300-mal gelesen (Nachtdienst Heiligabend von Michael Birkhan).

Händchen halten von Michael Birkhan

Weihnachten vor vielen Jahren. Der Spätdienst gestaltete sich arbeitsintensiv. Aufgrund plötzlich einsetzenden Blitzeises, kam es im Minutentakt zu Verkehrsunfällen. Die Bremer Streifenwagen waren noch mit Sommerreifen ausgestattet. Die Kollegen schlitterten daher von Einsatz zu Einsatz.

Im Zellentrakt randalierte ein betrunkener Zechpreller und am Wachtresen standen die Telefone nicht still. Mein Streifenpartner Jürgen und ich konnten nicht unterstützend eingreifen. Die Abarbeitung einer wechselseitigen Körperverletzung verlangte unsere ganze Aufmerksamkeit:

Ein Mann war im Klinikum stationär aufgenommen worden. Sein Bruder konnte nach erfolgter ambulanter Behandlung wieder halbwegs aufrecht gehen. Beide sahen aus, als ob sie von einer Dampfwalze überrollt worden wären. Günther, der Gegner der Geschwister, saß unverletzt und ohne Handfesseln vor uns. Die Handschellen hätten sowieso nicht um die breiten Handgelenke gepasst. Der Typ war deutlich über zwei Meter groß und breit wie eine Schrankwand. Seine Darstellung des Tathergangs klang für uns glaubhaft. Die beiden Brüder suchten mit ihm Streit. Günther setzte sich lediglich zur Wehr. Aufgrund der Gesamtumstände musste bei ihm trotzdem eine Blutentnahme durchgeführt werden.

Bis zu diesem Zeitpunkt verlief die Abarbeitung des Einsatzes ohne Komplikationen. Ich verstand mich mit dem augenscheinlich einfach strukturierten aber gutmütigen Riesen gut. Plötzlich wendete sich das Blatt. Günthers Mine versteinerte sich. Sein Körper nahm Spannung auf. Mit bedrohlicher Stimme erklärte der Riese: „Nur über meine Leiche. Ich mache aus dieser Wache eine Achterbahn. Mein Blut bekommt ihr nicht!“ Nicht nur der hinzugezogene Arzt musste schlucken. Jürgen verdrehte kopfschüttelnd die Augen.

Während mein Partner sich die Handschuhe überzog, hörte ich ihn murmeln: „Andere sitzen mit der Familie besinnlich unter dem Weihnachtsbaum und wir können uns hier mit Bigfoot prügeln.“

Ich belehrte Günther ein zweites Mal und appellierte vergeblich an seine Vernunft. Der Riese ballte seine Fäuste und atmete tief durch. Schließlich fuhr ich ihn laut an. „Was soll der Blödsinn, Günther? Die ganze Zeit haben wir uns gut verstanden. Warum machst Du jetzt hier die Welle? Willst Du noch eine Strafanzeige wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte kassieren? Denk doch mal nach. Nach der Blutentnahme kannst Du nach Hause. Was soll das?“

Plötzlich blickte mich Günther mit großen Kulleraugen an. Regelrecht verängstigt erwiderte der Riese: „Ich habe panische Angst vor Spritzen. Kannst Du meine Hand halten?“ Ungläubig blickten der Arzt, Jürgen und ich uns abwechselnd an. Irritiert fragte ich den Riesen. „Das ist doch jetzt nicht Dein ernst? Du bist ein Kerl wie ein Baum und hast Angst vor einer kleinen Nadel? Ich soll Deine Hand halten?“ Günther bekräftigte sein Statement. Die Blicke der Anwesenden richteten sich auf mich.

Jürgens Stimme durchbrach die Stille, „Moment, auf ein Wort…“ Er kam zu mir, legte seine Hand auf meine Schulter und sagte, „sieh Dir King Kong mal genau an. Wenn sich dadurch ein Widerstand vermeiden lässt, …gebe alles, Brauner (…) Ich würde es tun, aber er steht nun einmal auf Dich. Wenn es ihn besänftigt. (…) Wie drückst Du es doch selbst immer so treffend aus? Ein vermiedener Kampf ist ein gewonnener Kampf! Abgesehen davon, es ist doch Weihnachten. Das Fest der Liebe“, fügte Jürgen grinsend hinzu.

Der Argumentationslinie meines Streifenpartners konnte ich mich nicht entziehen. Ich hielt also an Weihnachten Günthers Hand während der Blutentnahme. Eigentlich verschwand meine Hand regelrecht in seiner Pranke. Glücklicherweise drückte der Riese nicht zu. Der Zweimeter-Mann zitterte, kniff die Augen zu und drehte seinen Kopf zur Seite. Günther blieb tapfer. Er überstand die Blutentnahme unbeschadet. Glücklicherweise bestand er nicht auf den, von Jürgen ins Spiel gebrachten Zungenkuss.

Es kam natürlich wie es kommen musste. Die anderen Streifenwagenbesatzungen liefen, während der Blutentnahme, wieder die Burg an. Die Kollegen betraten den Raum, während ich mit dem Zweimeter-Mann „Händchen“ hielt. Jürgen musste natürlich noch einen oben draufsetzen. Im Aufenthaltsraum verbreitete er seine Version der Geschichte. „Ich wollte ‘Auge‘ davon abhalten – aber die Gefühle haben die beiden übermannt. Man muss zu seinen Gefühlen stehen. Alles andere wäre wider die Natur.“

Günther war wirklich ein anständiger Kerl. Nach der Blutentnahme setzten wir ihn vor seiner Haustür ab. Als er aus dem Fahrzeug ausstieg, stieß mir Jürgen mit seinem Ellenbogen in die Seite. „Hey Kleiner, wenn Du ihn noch klarmachen möchtest, dann warte ich im Wagen auf Dich. Gehe ruhig noch mit hoch.“ „Meinem neuen Freund werde ich gleich sagen, dass er Dir mal so richtig eins aufs Maul hauen soll“, erwiderte ich. Günther schloss die Haustür auf und winkte uns zum Abschied lächelnd zu. Mit dem gutmütigen Bären hatten wir polizeilich nie wieder zu tun. FROHE WEIHNACHTEN!

„Wie machst du das eigentlich? Ältere Damen, Männer, Goldhamster, völlig egal, du kannst sie alle haben. Du bist aber auch ein Schnuckelchen“, stichelte Jürgen grinsend und startete den Wagen. „Ich hasse dich“, erwiderte ich. „Nein, ich weiß genau, dass du mich liebst. Ich bin dein Partner, es ist Weihnachten und du liebst mich … Auge?“ „Nein!“, antwortete ich. „Auge, kannst du mal meine Hand halten?“ Jürgen ließ nicht locker Nicht nur an Weihnachten, sondern täglich habe ich mit „Durchgeknallten“ zu tun. Und dann kommen noch die Menschen hinzu, die keine Uniform tragen!

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