Neben den Politikerinnen und Politikern aus Bund, Land und Region nahmen auch die beiden Kreisdechanten und Kreisdekanatsgeschäftsführer aus Kleve und Wesel sowie Vertreter der Wasserburg Rindern an dem Treffen teil, zu dem Weihbischof Rolf Lohmann ins Kloster Kamp eingeladen hatte (Foto: privat)
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Kamp-Lintfort/Niederrhein. Hören, was die Menschen der Kirche zu sagen haben – für Weihbischof Rolf Lohmann, Regionalbischof für den Niederrhein und Recklinghausen, ist das ein großes Anliegen. „Wir dürfen“, sagte er am 25. Februar bei einem Treffen mit Politikerinnen und Politikern auf Kloster Kamp, „in der Kirche nicht unter uns bleiben, um über die wichtigen Themen zu sprechen. Wir brauchen das Gespräch und die Diskussion.“ Die Kirche sei an vielen Stellen im gesellschaftlichen Leben aktiv, „an vielen Stellen brauchen wir aber auch Ihre Unterstützung und Ihr Wissen“, wandte er sich an die Volksvertreter.

Lohmann, seit rund 1,5 Jahren als Weihbischof im Amt, hatte niederrheinische Politiker aus Bund, Land und der Region zu einem „kleinen Gipfeltreffen am Niederrhein“, wie er es selber schmunzelnd nannte, nach Kamp-Lintfort eingeladen. Einerseits zum gegenseitigen Kennenlernen, vor allen Dingen aber zur Diskussion über aktuelle Themen. Dabei sprach der Weihbischof zunächst den Missbrauchsskandal an, „der einen riesigen Schatten auf unsere Kirche wirft“. Ein Thema, das bei der späteren Diskussion von vielen Politikern aufgegriffen wurde. So betonte etwa die Landtagsabgeordnete Charlotte Quik (CDU), dass eine „schonungslose Aufklärung“ der Vorfälle notwendig sei. Der Weseler Landrat Dr. Ansgar Müller sagte, es sei zwar schon etwas getan worden, „aber bei Weitem noch nicht genug“ .

Gesprochen wurde aber auch über die infrastrukturellen Herausforderungen, die eine Region wie der Niederrhein stellt. Lohmann machte einerseits auf die kleinen Dörfer in den ländlich geprägten Gebieten des Niederrheins und andererseits auf die multikulturell geprägten Quartiere am Rande des Ruhrgebietes aufmerksam. Gerade in den ländlichen Gebieten sei das Pfarrheim manchmal der einzig verbliebene Versammlungsraum in einer Gemeinde, „aber auch wir können nicht alles halten“, sagte der Weihbischof. Bundestagsmitglied Sabine Weiß (CDU) wies ihn jedoch nachdrücklich darauf hin, dass „diese Treffpunkte in keinem Fall wegfallen dürfen“. Sie seien eine Chance, Jugendliche für die Kirche zurückzugewinnen. Auch der Bundestagsabgeordnete Bernd Reuther (FDP) betonte, dass die Kirche vielerorts eine der wichtigen letzten Anlaufstellen sei, um Jugendarbeit und Ehrenamt im ländlichen Raum zu stärken. In Zusammenhang mit den infrastrukturellen Herausforderungen forderte die ehemalige Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD) ein „völlig neues Denken“. Man stehe vor „riesigen Umstrukturierungen“, die auch die Politik vor große Herausforderungen stelle.

Der Klever Landrat Wolfgang Spreen wies darauf hin, dass man der Kirche im sozial-karitativen Bereich in vielen Formen begegne, etwa in Form von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Kindertagesstätten und der Caritas. Daher sei die katholische Kirche für ihn „ein wichtiger Partner im Kreis Kleve.“ Die Vorstellung einer Gesellschaft ohne Kirche erschrecke ihn, sie sei „ein Kitt für die Gesellschaft“. Daher hoffe er, dass es der Kirche gelingt, „die schwierigen Herausforderungen derart zu meistern, dass die Kirche eine Zukunft hat.“

Deutlich wurde bei den Gesprächen, dass von der Kirche Reformen erwartet werden. „Die katholische Kirche braucht Vielfalt in der Einheit“, betonte Barbara Hendricks. Auch wenn es eine grundlegende, weltweite Einheit geben müsse, so sollten doch in bestimmten Großregionen die jeweiligen gesellschaftlichen Strömungen Beachtung finden. „Wir brauchen innerhalb der Kirche strukturelle Änderungen, sonst werden wir auf Dauer nicht überleben können“, warnte sie.

Marie-Luise Dött, die für die CDU im Bundestag sitzt, forderte, dass die Kirche dorthin gehen müsse, wo die Menschen sind. „Vieles wäre mit einfachen Schritten einzuführen“, sagte sie und wies unter anderem auf die Rolle der Frau hin, die „sichtbarer“ werden müsse. Eine Forderung, die von Charlotte Quik unterstützt wurde: „Sie kommen an den Frauen nicht vorbei“, sagte sie und fügte lächelnd hinzu, dass das „in der Politik genauso“ sei. Nach rund zwei Stunden danke Weihbischof Lohmann für die offene Diskussion: „Ich freue mich, dass Sie so unmissverständlich gesprochen haben und nehme das, was sie gesagt haben, mit in die Konferenzen auf Bistumsebene und in die Bischofskonferenz“, versprach er. Zudem versprach er, sich für nötige Reformschritte im kirchlichen Bereich einzusetzen. Dabei dürfe seiner Meinung nach kein Thema ausgespart werden, erklärte er: „Auch das Thema ,Zölibat‘ oder Zugangsbedingungen zum kirchlichen Amt gehören auf die Agenda, ebenso wie das Thema ,Frau in der Kirche‘“, erklärte er. Ebenso will sich der Weihbischof für eine erneuerte Sexualmoral, die der Wirklichkeit des Zusammenseins entspricht, stark machen.

Der „kleine niederrheinische Gipfel“ soll in einem Jahr fortgesetzt werden, alle Gesprächspartner signalisierten darüber hinaus die Bereitschaft zum weiteren Dialog.

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