Angelika Witt von der Unteren Denkmalbehörde Krefeld vor dem Heiligenhäuschen in Traar (Foto: Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation, A. Bischof)
Anzeige

Krefeld. „Rather Kapellchen“ musste in den 1960er-Jahren umziehen

Legenden und Sagen wohnt meist ein Aspekt inne, der auf einer wahren Tatsache beruht: Zu Beginn der Franzosenzeit am Niederrhein um 1794 litten vor allem die Menschen auf dem Land unter Abgabenzahlungen an die Besatzer und der Einquartierung von Soldaten. Der Konflikt wurde noch verstärkt, als die zumeist katholischen Niederrheiner auf antiklerikale Militärs trafen. Das mag auch der Grund sein, weshalb sich ausgerechnet eine Geschichte tief im Bewusstsein der Traarer verankerte und an die bis heute im „Rather Kapellchen“ erinnert wird. Darüber hinaus hat das Heiligenhäuschen im wahrsten Sinne eine eigene „bewegte“ Geschichte.

Französische Truppen besetzten zum Ende des 18. Jahrhundert auch das kurkölnische Gebiet, in dem sich das Haus Traar und Haus Rath befindet. Auf dem Weg nach Verberg soll ein Oberst an der Spitze eines Regiments voran geritten sein. „Hoch zu Ross, den Truppen schon voraus, sah der leichtfertige Reitersmann das kleine Heiligenhäuschen, das den Übermut in ihm entfachte, seinen Säbel zu ziehen und ohne sich besonders aus dem Sattel hochzurecken, dem Kreuz den einen Arm mit einem kühnen starken Hiebe abzuschlagen“, heißt es in der Überlieferung. Diese Untat schreckte jedoch sein Pferd dermaßen auf, dass es durchging, über einen großen Stein stolperte, den Oberst abwarf, der sich dabei mit seinem Säbel selbst eine tiefe Wunde beifügte. Als seine Soldaten bei ihm ankamen, lag er schon tot in seinem Blut: „So hatte sich das Schicksal schnell gerächt.“ In dem Heiligenhäuschen erinnern heute zwei Fenster aus dem 20. Jahrhundert an dieses sagenhafte Ereignis. Übrigens, die Sage wird noch auf eine andere Weise tradiert, da habe sich der Vorfall bereits während des Dreißigjährigen Kriegs ereignet. Der abgeschlagene Kreuzarm soll dann von einem heimischen Schmied wieder angebracht worden sein.

Die kleine Kapelle an der Rather Straße ist nur eine von heute fast 20 solcher Heiligenhäuschen in Traar, die zum Teil ersten in den vergangenen Jahrzehnten errichtet worden sind. Sie spiegeln die tiefverwurzelte und langjährige Frömmigkeit der mehrheitlich katholisch geprägten Bevölkerung wider. Die älteste dieser Häuschen soll jenes an der Rather Straße sein, in der eine neugotische Marienfigur steht. Ob das bereits zur Franzosenzeit so war ist nicht bekannt, in der Überlieferung wird lediglich ein Gemälde erwähnt. Diese Statue konnte jedenfalls vor der Zerstörung gerettet werden, als im September 1942 das Heiligenhäuschen bei einem Bombenangriff stark beschädigt wurde.

„Bereits ab 1951 setzen Bemühungen ein, das Kapellchen wieder instand zu setzen“, berichtet Angelika Witt von der Unteren Denkmalbehörde Krefeld. Dafür gestaltete der Künstler Pitt van Treeck die Bleiverglasung der Spitzbogenfenster mit Glasmalereinlagen. Knapp sechs Jahre nach dem Abschluss der Restaurierung muss das Heiligenhäuschen dem Verkehr weichen. Der 1965 wohl durchaus überlegte Abriss wurde aber schnell verworfen. Stattdessen zog die Kapelle selbst um: Aufgeschnallt auf eine spezielle Konstruktion aus Stahlträgern wurde das Gebäude über zwei parallele eigens hergestellte Aufkantungen aus Beton über 18,30 Meter an seinen heutigen Standort am Schmitthof gezogen.

Aufgrund seiner wechselvollen und bewegten Geschichte wurde das „Rather Kapellchen“ schon 2003 unter Denkmalschutz gestellt. Das Land förderte im vergangenen Jahr die Instandsetzung des Gebäudes mit 10 500 Euro Denkmalmitteln. So konnten unter anderem die Dachkehlen, die Plisterlattung sowie die Verschieferung über dem Eingangsbereich erneuert werden, gleiches gilt für den Innenputz und den Boden der Kapelle. Das Mauerwerk der Fassaden wurde ausgebessert und zudem neu verfugt.

Beitrag drucken
Anzeige