… noch ’ne Stunde – und noch eine: Gerade in Hotels und Gaststätten werden im Sommer kräftig Überstunden geleistet. „Das darf nicht weiter ausufern“, warnt die Gewerkschaft NGG und hat deshalb die Kampagne „#fairdient“ gestartet (Foto: NGG)
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Duisburg/Kreis Wesel. Wenn Duisburg richtig schuftet, kommt ein Überstunden-Berg heraus: Rund 7,2 Millionen Arbeitsstunden haben die Beschäftigten hier im vergangenen Jahr zusätzlich geleistet. Davon 3,9 Millionen Überstunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung. Im Kreis Wesel sind es 6,3 Millionen Arbeitsstunden, davon 3,4 Millionen unbezahlt. Das geht aus dem „Überstunden-Monitor“ hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) erstellt hat. Danach haben alle Beschäftigten den Duisburger Unternehmen 97 Millionen Euro „geschenkt“. Im Kreis Wesel sind es auch „geschenkte“ 85 Millionen Euro .

Allein in Hotels und Gaststätten leisteten die Beschäftigten hier im vergangenen Jahr rund 142.000 Überstunden in Duisburg und 147.000 im Kreis Wesel. Das hat das Pestel-Institut auf Basis des Mikrozensus berechnet. Die Wissenschaftler sind von bundesweiten Durchschnittswerten ausgegangen. Demnach waren 44 Prozent aller in Duisburg und im Kreis Wesel geleisteten Überstunden im Gastgewerbe unbezahlt. Für 2018 bedeutet dies – bei 12 Euro Lohnkosten pro Stunde für den Arbeitgeber – ein „Lohn-Geschenk“ von 757.000 Euro in Duisburg und sogar 785.000 Euro im Kreis Wesel.

„Von der Küchenhilfe im Hotel bis zum Kellner im Biergarten: Wer im Gastgewerbe arbeitet, ist auf jeden Euro angewiesen. Dabei sind 53 Prozent dieser Arbeitsplätze in Duisburg und 59 Prozent im Kreis Minijobs“, sagt NGG-Geschäftsführer Hans-Jürgen Hufer. Das Problem der 450-Euro-Kräfte: Sie dürfen keinen Euro hinzuverdienen. „Also werden die Überstunden entweder gar nicht oder schwarz bezahlt – bar auf die Hand. Statt Minijobber mit 450 Euro abzuspeisen, sollte das Gastgewerbe endlich mehr Menschen regulär beschäftigen und ordentlich bezahlen“, fordert Hufer.

Die NGG geht in Sachen Arbeitszeit jetzt in die Offensive: Sie stellt sich mit der Gastgewerbe-Kampagne „#fairdient“ hinter die rund 14.000 Beschäftigten in den Hotels, Restaurants und Gaststätten in Duisburg und im Kreis Wesel. Denn ihnen drohe – über den verlorenen Lohn bei Umsonst-Überstunden hinaus – noch ein anderes Problem: Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) dränge die Bundesregierung, die Arbeitszeiten noch flexibler zu machen. „Es geht darum, das Arbeitszeitgesetz zu durchlöchern. Ziel der Arbeitgeber ist es, die Höchstarbeitszeit auf bis zu 13 Stunden pro Tag auszuweiten“, kritisiert Hufer.

Der Dehoga werde sich mit seinem Vorstoß „ein Eigentor schießen“, so die NGG. Denn das Hotel- und Gaststättengewerbe könnte durch eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit an Attraktivität einbüßen. „Gerade junge Menschen werden dadurch verschreckt. Und das bei der – im Branchenvergleich – ohnehin schon besonders niedrigen Ausbildungsquote“, sagt Hufer.

Der Gewerkschafter warnt: Mehr arbeiten zu müssen, bedeute immer auch ein höheres Gesundheitsrisiko. „Schlafstörungen, Erschöpfung, Rückenschmerzen und sogar Arbeitsunfälle können die Folge sein.“ Die bestehende Regelung der Arbeitszeit sei deshalb ein wichtiger Schutz der Beschäftigten.

Im Gastgewerbe sei es bereits heute gang und gäbe, überdurchschnittlich oft an Wochenenden und Feiertagen, spätabends und auf Abruf zu arbeiten. „Dazu kommt ein guter ‚Flex-Faktor‘ durch Arbeitszeitkonten. In Tarifverträgen hat die NGG mit dem Dehoga vielfältige Arbeitszeitmodelle vereinbart. Zu viele Betriebe setzen diese aber gar nicht in der Praxis um, sondern wollen einen Freifahrtschein. Wir fordern die Unternehmen auf, sich an diese Regelungen zu halten und die Dienstpläne frühzeitig und verlässlich zu schreiben“, so Gewerkschafter Hufer.

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