Doktorand Eric Sponville mit der Isis Figur in der Ausstellung "Abenteuer Großgrabung" im Archäologischen Museum Krefeld (Foto: Andreas Bischof)
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Krefeld. Ausstellung „Abenteuer Großgrabung“ bis 22. November verlängert

Als die Scherben mit einer figürlichen Abbildung ans Licht kommt und Archäologe Eric Sponville die Erde entfernt, trauen er und seine Kollegen ihren Augen nicht. Was soeben aus einer Schicht des ersten, zweiten Jahrhunderts nach Christus geborgen wurde, dürfte in dieser Zeit am Niederrhein noch nicht existieren – ist das tatsächliche eine christliche Mariendarstellung? „Es handelt sich bei dem plastischen Relief um eine weibliche Person, auf einem Thron sitzend mit einem Kleinkind auf dem Schoß und in der rechten Hand ein Sistrum, eine Rahmenrassel. Das ist ein antikes Musikinstrument“, beschreibt Krefelds Stadtarchäologe Dr. Hans Peter Schletter die Entdeckung. Die Ähnlichkeit mit Maria und dem Jesuskind ist frappierend, aber die erste Vermutung erweist sich als falsch. Dennoch handelt es sich um einen einzigartigen Fund aus der Römerzeit am Niederrhein – eine Abbildung der ägyptischen Göttin Isis.

Als der Rhein, der Niedergermanischen Limes, die nasse Grenze zu den germanischen Stämmen bildete, siedelten in Gelduba südlich und nördlich eines Militärlagers Zivilsten, Kaufleute und Händler, aber auch die Familien der Soldaten und Sklaven. Oberirdisch ist davon heute in Krefeld-Gellep nichts mehr zu sehen, die Geschichte überdauerte jedoch im Boden. Über drei Fußballfelder groß erstreckt sich 2017/18 die Grabungsfläche des nördlichen Lagerdorfes. Angrenzend an das Areal des römischen Kastells, das 2021 als Welterbe eintragen werden soll, entdecken sie Siedlungsspuren von der Steinzeit bis in das Spätmittelalter, vor allem aber aus der Zeit der Römer. In zehn Monaten wurden 3300 Befunde dokumentiert und circa 90.000 Funde geborgen. Aus einer römischen Müllgrube am Westrand der Siedlung stammen auch die außergewöhnlichen Überreste eines scheinbar einfachen weißtonigen Kruges mit jenem Isis-Relief am Henkel. Der Müll gelangte zwischen der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts bis zum Anfang 2. Jahrhunderts nach Christus in die Grube. Damit wäre der Krug rund 1900 Jahre alt.

„Die Darstellung zeigt die stillende Göttin Isis, mit dem säugenden Horuskind“, erklärt Sponville. Aus moderner Sicht sei dieses Bild der Isis besonders interessant, weil die Ikonographie weitgehend jener der Heiligen Maria entspreche, die das Jesuskind stillt. „Diese christliche Darstellung ist bis in unsere Zeit weit verbreitet und möglicherweise auf die ältere, vorchristliche Abbildung der Isis zurückzuführen“, so Sponville. Deswegen sei der erste Verdacht zwar nicht richtig, aber in die richtige Richtung gegangen, lacht der junge Archäologe. Der ursprünglich aus Ägypten stammende Isis-Kult gilt als einer der sogenannten Mysterienkulte im Römischen Reich. Er hatte bis ins 6. Jahrhundert nach Christus hinein bestand und war weit verbreitet. Und das auch im römischen Gelduba. Denn ältere Funde von sogenannten Kultscheren belegen, dass Menschen aus der Siedlung oder dem Kastell diese bei den Kulthandlungen zu Ehren der Göttin Isis einsetzten. Die Archäologen gehen davon aus, dass auch das Gefäß im Zusammenhang mit solche Kulthandlung stand. „Er könnte Teil eines Hausaltars gewesen sein“, so Sponville. Welche Flüssigkeit sich in ihm befand, Öl oder Wein, dafür gebe es keine Hinweise.

Die Besonderheit des Krug-Fundes zeichne sich zudem durch das verwendete Material aus: Während Reliefdarstellungen auf Henkeln hochwertiger Bronze- oder Silbergefäße häufig vorkommen, existieren nur sehr wenige Beispiele aus der Region überhaupt von figürlichen Bildreliefs auf einfachen Tonkrügen. „Die einzigen bekannten Beispiele stammen aus Nijmegen und ein einzelner Fund eines Tonmodels aus Xanten“, sagt Schletter. Von keinem dieser Beispiele, weder von Metall- noch von Tongefäßen, sei jedoch bisher die Darstellung einer Isis bekannt. „Das ist bislang einzigartig“, so Schletter.

Das Archäologische Museum Krefeld zeigt zurzeit die Sonderausstellung „Abenteuer Großgrabung – Gräberfeld, Bataverschlacht und Römersiedlung“. Erstmals wird im Haus an der Rheinbabenstraße 85 eine Auswahl an Funden und neuen Erkenntnissen nach der größten Grabung in der Geschichte des Museums präsentiert – auch die Isis-Darstellung. Die Ausstellung endet am 22. November. Die Dauer- und Sonderausstellung kosten fünf Euro Eintritt für Erwachsene, drei für Schüler. Kinder unter sechs Jahren haben kostenfreien Eintritt. Zudem gibt es Kombi- und Familienangebote. Die Öffnungszeiten sind von 10 bis 18 Uhr. Weitere Informationen gibt es unter www.museumburglinn.de.

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