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Mülheim. In einem Offener Brief der Mülheimer Schülervertretungen an den Oberbürgermeister und zuständige Verwaltungsbereiche wurden Bußgelder gegen Schüler kritisiert, da der Mindestabstand nicht eingehalten wurde. Grundsätzlich begrüßen die Schülervertretungen (SV) auch die Kontrollen zur Einhaltung der Maskenpflicht an weiterführenden Schulen der Stadt Mülheim: „Es ergab sich jedoch die Situation, dass gegen maskentragende Schüler*innen der Gustav-Heinemann-Schule und des Gymnasium Heißens ein Bußgeld verhängt wurde, weil sie den Mindestabstand nicht einhielten. Wir sehen die verhängten Bußgelder aufgrund der Unmöglichkeit der Einhaltung des Mindestabstandes in Schulnähe als unverhältnismäßig an. Daher wenden wir uns stellvertretend für die Schüler*innen der Stadt Mülheim an Sie, um eine gemeinsame Lösung und die Aufklärung der Vorfälle zu erwirken.“

Die SV’s sprechen sich für Maßnahmen wie die Maskenpflicht und den Mindestabstand, sofern möglich, aus: „Wir distanzieren uns von jeglichen Verstößen gegen die Maskenpflicht, die Nichteinhaltung des Mindestabstandes, sofern möglich, und der Gefährdung der Gesundheit anderer, wo sie vermieden werden kann. Allerdings möchten wir auch klarstellen, dass die Situation an den Mülheimer Schulen und umliegenden Verkehrsbereichen die Einhaltung einiger Maßnahmen praktisch unmöglich macht.“ So sei es unmöglich, während der Stoßzeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln, an Haltestellen oder auf zuleitenden Wegen den Mindestabstand einzuhalten. „Wir begrüßen zwar die Präsenz des Ordnungsamtes und der Polizei, um die Schüler*innen an Vorsicht zu erinnern und ggf. die Einhaltung der Maskenpflicht durchzusetzen, stellen uns jedoch gegen die unverhältnismäßige Erteilung von Bußgeldern.“ Abschließend benennen die Schülervertreter: „Die Unmöglichkeit der Einhaltung des Mindestabstandes macht es unverständlich, warum ein Bußgeld in Höhe von 250 € aufgrund einer Nichteinhaltung des Mindestabstandes als angemessen verstanden wird. Diese Summe entspricht bei vielen Schüler*innen einem Jahrestaschengeld! Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Stadt diesen Schüler*innen keine andere Wahl lässt, als sich anschließend gemeinsam, dicht gedrängt, in öffentlichen Verkehrsmitteln aufzuhalten, erscheinen diese Maßnahmen verstärkt sinnfrei.“

Oberbürgermeister Marc Buchholz reagiert auf offenen Brief von Schülervertretungen

Oberbürgermeister Marc Buchholz reagiert auf den offenen Brief der Schülervertretungen in Sachen Verstoß gegen Corona-Regeln. „Ich finde es toll, wie die Schülerinnen und Schüler zur Einhaltung der Corona-Regeln stehen und sich eine Art Selbstverpflichtung auferlegt haben. Gleichwohl muss man wissen, dass gerade in der Gruppe der 14 bis 19-jährigen die meisten Quarantänen verhängt wurden. Daher ist es wichtig, die geltenden Regelungen einzuhalten, um das Infektionsrisiko zu minimieren“, so der Oberbürgermeister. Bei einem Treffen mit den Sprechern der verschiedenen Schulformen in Mülheim habe er angeregt, durch zeitversetzten Schulbeginn den Schulbus-Verkehr zu entzerren. Damit das Ganze in die entsprechenden Stundenpläne eingearbeitet werden kann, soll das Verfahren nach den Weihnachtsferien im Januar starten.

„Im Übrigen haben wir ein Informationsschreiben an die Schülerinnen und Schüler vorbereitet, die vom Ordnungsamt kontrolliert wurden. In diesem Schreiben wird noch einmal auf die Corona-Regeln hingewiesen und darüber informiert, dass von einem Bußgeld abgesehen wird, wenn die Maske getragen wurde“, so Marc Buchholz.

SPD: Bußgelder gegen Schülerinnen und Schüler sind unverhältnismäßig und kontraproduktiv

Rodion Bakum, Vorsitzender der MülheimSPD und Margarete Wietelmann, Vorsitzende der SPD-Fraktion im Rat der Stadt erklären zur Berichterstattung um die Verhängung von Bußgeldern gegen Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen:

„Unverhältnismäßig und kontraproduktiv – das Vorgehen der Verwaltung, Schülerinnen und Schüler, die Masken tragen, zu bestrafen, weil sie keinen Mindestabstand einhalten würden, ist weder zielführend noch angemessen. Die SPD erklärt sich solidarisch mit den Schülervertretungen, die zurecht die Haltung des Oberbürgermeisters kritisieren.“

Wietelmann weiter: „Ursächlich ist das Chaos in der Schulpolitik der Landesregierung. Anstatt gestaffelte Unterrichtszeiten mit Optimierung des ÖPNVs zu organisieren oder sich auf Landesebene für einen Wechselunterricht mit geteilten Klassen und Hybridunterricht einzusetzen, geht die Verwaltung mit dem Knüppel gegen die ohnehin schon durch die Corona-Pandemie stark belasteten Schülerinnen und Schüler vor. Das ist unanständig!“

Bakum führt fort: „Der Oberbürgermeister ist in der Pflicht, eine sichere An- und Abreise zu den Schulen zu gewährleisten. Stattdessen wirft er pauschal den Schülerinnen und Schülern vor, sie würden die Gefahren der Pandemie ausblenden. Hier drängt sich die Frage auf: Wer ist in der Verantwortung?“

„Die Maskenpflicht wurde vor allem in den Bereichen eingeführt, wo der Mindestabstand nicht gewährleistet werden kann. Das Vorgehen der Verwaltung ist daher nicht nur irritierend, sondern aus medizinischer Sicht auch völlig überzogen. Aufklärung statt Einschüchterung muss die Devise sein!“, lautet das Fazit von Wietelmann und Bakum.

Nach der Stellungnahme des Oberbürgermeisters werfen sich für Bakum weitere Fragen auf:

Wenn länger bekannt ist, dass in der Gruppe der 14- bis 19-jährigen die meisten Quarantänen verhängt werden,

1) warum wurde nicht wie in anderen Städten ein gestaffelter Schulbeginn vor Wochen vorbereitet?

2) welche Maßnahmen wurden gemeinsam mit der Ruhrbahn ergriffen, um die sichere An- und Abreise zu den Schulen während der Corona-Pandemie zu gewährleisten?

3) welche Anstrengungen hat der Oberbürgermeister unternommen, um die Landesregierung von alternativen Unterrichtskonzepten und Maßnahmen zu überzeugen, um Infektionen und Quarantänen besonders in der o.g. Altersgruppe zu vermeiden?

Grüne: Auf Bußgelder in konkretem Fall verzichten

In Sachen Bußgelder gegen Schülerinnen und Schüler ohne den corona-erforderlichen Mindestabstand melden sich nun die Grünen zu Wort.

„Generell Schülerinnen und Schüler von jeglicher Sanktionierung in Sachen Corona-Regeln auszunehmen, wäre falsch und rechtlich fragwürdig. Das kann kein OB, weder schwarz noch grün noch rot, so anordnen“, erklärt Fraktionsvize Franziska Krumwiede-Steiner. Dazu sei die Infektionsgefahr auch unter Kindern und Jugendlichen zu hoch. Maske und Abstand dienten vor allem Ihrem Schutz und dem ihrer Angehörigen. Wünschenswert sei aber, das Alter der Schüler und die jeweilige Situation in die Bewertung miteinzubeziehen. Im Zubringerverkehr zu und von Schulen sei es bisweilen schwer, die Mindestabstände einzuhalten. Die Ratsfrau: „Da offensichtlich Masken getragen wurden, hätte in diesem Fall eine Ermahnung möglicherweise ausgereicht.“

Fraktionschef Tim Giesbert: „Wir gehen deshalb davon aus, dass die Stadt trotz Androhung auf die Erhebung von Bußgeldern verzichten wird.“

Mindestens genauso wichtig sei es aber, den Zubringerverkehr zu Schulen infektionssicherer als bisher zu gestalten. Entweder durch mehr Busse, niedrigere Taktung oder Entzerrung des Unterrichts durch variablen Schulbeginn als auch Hybrid-Schulstunden. Hier blieben sowohl das Land als auch die Stadt gefordert. „Die Hände in den Schoß legen dürfen wir nicht“, stellt Giesbert klar.

Weitere Reaktionen

Peter Beitz, FDP-Fraktionsvorsitzender erklärt zu der aktuellen Diskussion: „Die Freiheit darüber eine Maske zu tragen, hört dort auf, wo andere in ihrer Gesundheit bedroht werden. Daher ist es wichtig die Regeln einzuhalten, wo es vorgeschrieben ist. Das Schüler diese Regeln unterschiedlich zu ihren Gunsten interpretieren, ist nachvollziehbar, aber nicht verhandelbar. Der Oberbürgermeister hat den richtigen Ton getroffen und eine kluge Lösung angeboten.“ Die Ratsfrau Ramona Bassfeld von der BAMH findet, „dass Antwortschreiben vom Oberbürgermeister, mit den Hinweisen zum Umgang mit den Corona Regeln, gut. Auch der Erlass des Bußgelds, beim Tragen der Maske, finde ich richtig.“ Und der MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard dagegen findet, “den Schülervertretern kann man nur recht geben. Hohe Bußgelder trotz Maske sind indiskutabel. Also: Ab in die Mülltonne damit. Um an Haltestellen Abstandswahrung zu ermöglichen, müsste die Stadt entsprechende Voraussetzungen schaffen sowohl beim Schulunterricht, z.B. aufgeteilte Klassen, und bei Bus und Bahn”.

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