(Foto: privat)
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Wesel. Am 27. Januar 2021 jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee zum 76. Mal. Seit 2007 wird auf Initiative des Jüdisch-Christlichen Freundeskreises e. V. in Wesel an diesen Tag erinnert. Dem Jüdisch-Christlichen Freundeskreis e. V. war es ein großes Anliegen, die junge Generation in die Gedenkveranstaltungen einzubinden.

Deshalb beteiligen sich seit 2010 die weiterführenden Schulen an der Gestaltung dieses Tages. Leider kann in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie keine Gedenkveranstaltung wie in den vergangenen Jahren stattfinden. Stattdessen wird Bürgermeisterin Ulrike Westkamp gemeinsam mit Wolfgang Jung, Vorsitzender des Jüdisch-Christlichen Freundeskreises e. V., einen Kranz am jüdischen Mahnmal am Willibrordi-Dom niederlegen.

Bürgerinnen und Bürger können gerne ab dem 27. Januar 2021 Kerzen als Zeichen der Erinnerung und des Mitgefühls um das jüdische Mahnmal aufstellen.

„Wir werden niemals vergessen. Daran ändert auch nichts das Corona-Virus.

Wir haben in Absprache mit dem Konrad-Duden-Gymnasium und dem Jüdisch-Christlichen Freundeskreis e. V. entschieden, dass eine größere Veranstaltung aufgrund des Infektionsgeschehens nicht zu verantworten ist.

Dennoch bitten wir alle Menschen, in einem kurzen Augenblick der Stille der ermordeten Weseler Mitmenschen jüdischen Glaubens zu gedenken. Wer mag, kann gerne eine Kerze am jüdischen Mahnmal entzünden“, sagt Bürgermeisterin Ulrike Westkamp.

Karen Schneider, Schulleiterin des Konrad-Duden-Gymnasiums, bedauert ebenfalls, dass in diesem Jahr ihre Schule keine Gedenkveranstaltung planen kann. „Es ist schade, doch wir schauen zuversichtlich in die Zukunft. Wir überlegen bereits, weitere Projekte zum Gedenken an den Holocaust in einer kreativen und würdigen Weise zu erarbeiten. Denkbar ist, an den 100.

Geburtstag der berühmten Widerstandskämpferin Sophie Scholl am 9. Mai dieses Jahres zu erinnern“, so Karen Schneider.

Der Vorsitzende des Jüdisch-Christlichen Freundeskreis, Wolfgang Jung, zeigt sich erfreut über das Engagement der jungen Menschen in Wesel. „In den vergangenen Jahren ist es den Schülerinnen und Schüler gelungen, in einem gelungenen Rahmen mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten an die Ermordung der Weseler Jüdinnen und Juden zu gedenken. Auch wenn wir in diesem Jahr an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz nicht mit einer Veranstaltung gedenken können, bin ich mir sicher, dass die jungen Menschen in Wesel auch in Zukunft dazu beitragen werden, diese wichtigen Erinnerungen an unsere ermordeten Mitbürgerinnen und –bürger aufrecht zu erhalten“, sagt Wolfgang Jung.

Der Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers wurde auf Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog offiziell zum deutschen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus ernannt. Die Vereinten Nationen erklärten 2005 den 27. Januar zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts.

Die Zeit bringt es mit sich, dass die Zeitzeugen immer weniger werden. Umso wichtiger ist es, Jugendliche und junge Erwachsene für die Erinnerungsarbeit zu gewinnen. Sie verkörpern die Zukunft – aber sie müssen auch ihre Vergangenheit kennen. Daher ist es ein großes Anliegen des Jüdisch-Christlichen Freundeskreises e. V. und der Stadt Wesel bei der Gestaltung der Gedenkveranstaltungen mit den Weseler Schulen zusammen zu arbeiten.

Berührend und würdig haben Schülerinnen und Schüler der beiden Gymnasien und der Gesamtschule Am Lauerhaas die jeweiligen Gedenktage bisher gestaltet.

Die jungen Menschen haben mit ihren Lehrerinnen und Lehrern immer wieder neue Gestaltungsmöglichkeiten und Interpretationen gefunden, um den Gedenktag würdig und angemessen zu begehen.

Motor dieser Erinnerungsarbeit ist der Jüdisch-Christliche Freundeskreis Wesel e. V. Zahlreiche Anstöße und Aktionen sind dem Freundeskreis zu verdanken. Unermüdlich hat er sich dafür eingesetzt, dass sich Menschen annähern, die sich einstmals als Täter und Opfer gegenüberstanden.

Er hat dazu beigetragen, dass der Grundstein gelegt wurde für Freundschaften, die bis heute bestehen.

Im Jahr 2016 wurde dem ehemaligen jüdischen Bürger Wesels, Ernest Kolman, die Ehrenbürgerwürde der Stadt verliehen. Ernest Kolman kam seit dem Jahr 1988, in dem sich die Pogromnacht zum 50. Mal jährte, regelmäßig nach Wesel. Er berichtete als Zeitzeuge über das Schicksal der jüdischen Bevölkerung und über die Gräueltaten während des Nationalsozialismus.

Seinerzeit hatte die Stadt Wesel zum ersten Mal ehemalige jüdische Bürgerinnen und Bürger eingeladen als Geste der Annäherung und Versöhnung.

Ernest Kolman ist am 11. Januar 2021 gestorben. Der Dokumentarfilm „Ernest Kolman – Erinnern gegen das Vergessen“ soll sein Schicksal und seine Leidensgeschichte als „Weckruf“ für nachkommende Generationen bewahren.

In vielfältiger Weise wird in Wesel die Erinnerung an die ehemalige jüdische Gemeinde wachgehalten.

So ist der 27. Januar in Wesel als Gedenktag an den Holocaust im Bewusstsein verankert.  Auch die jährlichen Veranstaltungen zur Erinnerung an die Pogromnacht sowie die Verlegung der Stolpersteine sind wiederkehrende Termine, die stets mit einer großen Beteiligung stattfinden.

Vor dem Holocaust gab es in Wesel eine lebendige jüdische Gemeinde. 1933 lebten in Wesel 152 Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens. Ende 1943 gab es in Wesel keine*n jüdischen Bürger*in mehr. Gründe waren zunächst hauptsächlich Auswanderung und Flucht und von 1940 bis 1943 die Deportationen in die Konzentrationslager. Viele der ehemals in Wesel lebenden Jüdinnen und Juden wurden ermordet.

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