Minister Stamp beim Praktikumstag in Duisburg (Foto: www.ebw-duisburg.de)
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Duisburg. Offener Brief der Leiterinnen der Kindertageseinrichtungen im Evangelischen Bildungswerk Duisburg

Freitag, 23. April 2021

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Stamp,

zum 23.04.2021 tritt nach dem Infektionsschutzgesetz die sogenannte „Corona-Notbremse“ in Kraft, mit dem Ziel bei hohen Inzidenzzahlen die Kontakte zu reduzieren und somit zu einer Senkung der Infektionszahlen zu führen. Die im Infektionsschutzgesetz verankerten Regeln sollten auch auf die Kindertageseinrichtungen angewandt werden. Infolgedessen wäre bei den aktuellen Inzidenzzahlen eine Präsenzbetreuung in Kitas in Duisburg untersagt und eine Notbetreuung einzurichten.

Mit den entsprechenden Schreiben aus dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration NRW an die Eltern und Träger von heute Morgen müssen wir feststellen, dass die Präsenzbetreuung trotz der hohen Inzidenzzahlen fortgesetzt wird und es eine Notbetreuung in der vom Familienministerium beschriebenen Form de facto nicht gibt. Die Schreiben sind ein Schlag ins Gesicht all der Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen, die seit einem Jahr ihr Bestes für Eltern und Familien geben!

  • In dem Schreiben steht, dass auch in den Kindertageseinrichtungen die Kontakte reduziert werden müssen. Die Kontaktreduzierung ist nicht möglich, da es keine wirkliche Begrenzung und Regelung für die Inanspruchnahme des Betreuungsangebotes gibt. Wörtlich heißt es:
    „Kinder, deren Eltern die Betreuung nicht auf andere Weise sicher stellen können, insbesondere wenn sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen. Eltern sollen Kinderbetreuung nur dann in Anspruch nehmen, wenn eine Betreuung nicht anderweitig sichergestellt werden kann. Für den Fall, dass die Betreuung in Anspruch genommen wird, muss eine Eigenerklärung vorgelegt werden, dass eine Notbetreuung erforderlich ist
    Das wäre, als wenn wir uns selbst eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausfüllen würden und eine Woche zuhause bleiben.
  • In dem Schreiben steht, dass in allen Kindertageseinrichtungen Selbsttests vorhanden wären. Dies ist FALSCH! Von unseren 13 Kindertageseinrichtungen haben lediglich drei Einrichtungen jeweils 40 Tests durch das Familienministerium erhalten (für zum Beispiel 44 Kinder und z.T. 10 Mitarbeitende).
  • In dem Schreiben steht, dass alle Mitarbeitenden geimpft wären oder ein Impfangebot erhalten hätten. Das ist FALSCH! Nachdem einige nach dem Impfstopp mit AstraZeneca überlegt haben, sich überhaupt impfen zu lassen, gab es in der letzten Woche den Aufruf von der Landesregierung sich bis zum 24.04.21 impfen zu lassen, da ansonsten DAS ANGEBOT VERFÄLLT! Zudem haben die Beschäftigten bisher lediglich die Erstimpfung erhalten; bei allen Beschäftigten steht der zweite Impftermin für den vollen Schutz noch aus!

Uns reicht´s! Wir sind nicht nur Leitungen der Kitas, die Verantwortung für ihre Mitarbeitenden haben. Wir sind ebenfalls Privatpersonen. Wir sind Mütter, Töchter, Schwestern, Enkelinnen und z.T. Pflegende. Wir schränken seit Monaten unsere privaten Kontakte ein, um nichts in die Einrichtungen zu tragen und hören von den Kindern, dass sich Familien auf Spielplätzen treffen oder im großen Kreis Geburtstag feiern.

Es ist nicht so, dass wir die Kinder nicht hier haben möchten. Auch wir wünschen uns Normalität! Aber die wird nicht kommen, wenn so leichtfertig mit den Kontaktbeschränkungen umgegangen wird. Es ist nicht möglich – gerade bei den Allerkleinsten – Abstand zu halten. Natürlich trösten wir die Kinder, natürlich nehmen wir sie in den Arm, wenn sie traurig sind. Natürlich werden wir von den Kindern angeniest und nehmen Kinder auf den Schoß. In den Kindertageseinrichtungen gibt es keine Abstandsregeln zu den Kindern.

Wir halten alle Hygienestandards ein, tragen alle Masken (die medizinische im Umgang mit den Kindern, die FFP2 im Umgang mit den Kollegen und Eltern), trennen die Kinder nach Gruppen, erklären jede Woche die neuen Verfügungen, die gerne erst Freitagnachmittags kommen.

Wir können nicht mehr!

Wir fühlen uns von der Landespolitik nicht wahrgenommen. Uns fehlt Wertschätzung für unsere Arbeit, die sich nicht in immer wieder wiederholenden Worten, sondern in den politischen Entscheidungen erkennen lässt. Wie sollen wir glauben, was Sie sagen, wenn wir sehen, was Sie machen?

Die sogenannte „Notbremse“ ist keine Notbremse. Die Entscheidung der Landesregierung zur Notbetreuung in den Kindertageseinrichtungen widerspricht vollständig der Intention des Infektionsschutzgesetzes und der „Bundes-Notbremse“! 

Die Kindertageseinrichtungen in der bisherigen Form offen zu halten, geht in die komplett falsche Richtung. Die Sensibilität der Eltern für den Ernst der Lage ist mit jedem Schreiben aus dem Familienministerium geringer geworden. Wenn die Eltern nicht mitziehen, haben wir ab der nächsten Woche die Kitas voll. Unser Wohl und unsere Gesundheit werden vollständig und politisch verantwortungslos in die Hände, Verantwortung und Entscheidung der Eltern gelegt. Wir Mitarbeitende und die Träger haben keinerlei Handhabe dem entgegenzuwirken.

Sehr geehrter Herr Dr. Stamp,

warum bekommen Schulen eine Testpflicht, in Kindertageseinrichtungen gilt aber nur ein Testangebot? Warum wird nicht alles darangesetzt, kinderfreundliche Schnelltests zu entwickeln? Warum ist es möglich, Schulen zu schließen, in denen größere, verständigere Kinder mit Maske und Abstand sitzen, Kitas aber nicht?

Wir fordern die Notbremse! Auch für und in den Kitas!

gez. Leiterinnen der Kindertageseinrichtungen

Anke Angst
Sabrina Bily
Heike Brombach
Beate Faller-Mrosk
Eva-Maria Fischer
Claudia Föhse
Heidemarie Matijas
Gabriele Molz
Monika Sens
Diana Walter
Wiebke Wendt
Claudia Wiese-Kreie
Bettina Wolbring

Im Namen des Trägers der Kindertageseinrichtungen unterstützen die folgenden Personen das Schreiben und die Position der Leiterinnen der Kindertageseinrichtungen

Tanja Biermann, Abteilungsleiterin Kindertageseinrichtungen
Monika Theobald, Fachberaterin Kindertageseinrichtungen
Dr. Marcel Fischell, Geschäftsführer

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