(Foto: © St. Augustinus Gruppe)
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Neuss. Urteil zur Sterbehilfe führt zu moralischem Dilemma

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 hat eine Zeitenwende im Umgang mit der Suizidalität eingeläutet: Selbstbestimmtes Sterben, der sogenannte assistierte Suizid, soll nicht strafbar sein. Auf ein Gesetz, das dieses Urteil umsetzt, warten Betroffene noch. Derweil entfachen in Fachkreisen schon jetzt rege Diskussionen. Insbesondere Ärzte und Pflegekräfte, die das Menschenleben retten wollen, stehen vor neuen ethisch-moralischen Herausforderungen – vor allem, wenn diese bei einem katholischen Träger tätig sind und sich mit den christlichen Werten identifizieren. Eine hochkarätig besetzte Runde debattierte zu diesem Thema bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Alexius/Josef Krankenhauses und der Behindertenhilfe der St. Augustinus Gruppe. Rund 65 Mitarbeitende aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen der Gruppe waren digital oder vor Ort dabei.

Wie geht man mit Patienten um, die den Wunsch äußern, sich das Leben zu nehmen? Wollen Menschen, die Suizidgedanken äußern, tatsächlich sterben oder geht es vielmehr um eine schwere Phase, die mit Unterstützung zu bewältigen ist? Über diese Fragen und viele weitere Aspekte wurde bei der unternehmensinternen Veranstaltung offen gesprochen. Problematisch sei laut der Experten die Tatsache, dass Menschen, die Suizid erwägen, sich meist in absoluten Krisen und Notsituationen befinden. „Wie autonom und selbstbestimmt ist ein Wunsch zu sterben?“, war demnach eine Schlüsselfrage, die Dr. Martin Köhne, Geschäftsführer der Neusser Psychiatrie, zu Beginn der Veranstaltung in den Raum stellte.

Er und Heike Schellhaas, Operative Gesamtleitung der Behindertenhilfe, hatten zu dem Symposium Suizid eingeladen und begrüßten zahlreiche Experten vor Ort: Dr. Bernd Zimmer, Vizepräsident der Ärztekammer Nordrhein, Dr. Dirk Richter, Professor für Rehabilitationsforschung und Prof. Barbara Schneider, langjährige Vorsitzende des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland. Es wurde kontrovers und offen über verschiedene Standpunkte gesprochen. Letztendlich waren sich die Beteiligten in einem einig: die Beziehungsarbeit müsse ausgebaut und Suizidprävention gestärkt werden. Das bedeutet Rahmenbedingungen zu schaffen, die psychisch Erkrankten und Menschen mit anderen Einschränkungen das Leben in Würde ermöglichen. Ebenso wurde deutlich, dass sich die Ärzteschaft sehr geschlossen gegen den politischen Willen des ärztlich assistierten Suizids auf Verlangen stellt. „Ziel unserer Veranstaltung war es einen Diskussionsprozess im Unternehmen zu beginnen. Der Grundstein dafür wurde erfolgreich gelegt“, resümiert Heike Schellhaas.

Insgesamt beschäftigt die St. Augustinus Gruppe das Thema „assistierter Suizid“ schon seit geraumer Zeit und auf verschiedenen Ebenen. So erarbeitet beispielsweise das Ethik-Komitee – ein interdisziplinäres Gremium, das bereits 2008 ins Leben gerufen wurde, um über grundsätzliche ethische Fragestellungen zu beraten und die Geschäftsführung bei der Entwicklung von Normen und Verhaltensregeln zu unterstützen – eine unternehmensweite Grundsatzhaltung zum assistierten Suizid. Für die zu erarbeitenden Empfehlungen, Leitlinien und Handreichungen bot das jetzt stattgefundene Symposium weitere wichtige Einblicke.

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