Orange Day in Duisburg City (Foto: Manfred Bellingrodt)
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Duisburg. Die Ruhrorter Kreativen setzen auch beim 43. Duisburger Kulturfestival einen deutlichen Akzent.  Zwei Ausstellungen und 33 Veranstaltungen, hauptsächlich im „heimlichen Festivalzentrum“ am Neumarkt und anderen Spielorten bereichern das Programm des zwei Jahre hintereinander fast komplett ausgefallenen Festivals.

Ruhrort selbst wird dabei rund um die Uhr zur Bühne für die Ausstellung der Strickguerilla, die den Verfall der von ihnen geschaffenen Strickwerke, beispielsweise Mauerblümchen oder gerne mal eine komplett bestrickte Parkbank, durch Witterungseinflüsse bewusst in Kauf nehmen. Der im Pandemiejahr geschaffene Kreativleerstand Das PLUS am Neumarkt wird Hauptspielort und Ausstellungsraum für ambitionierte Veranstaltungen. Der Großteil der Konzerte, Lesungen, Vorträge und eines Theaterstücks sind dann hier zu erleben. Aber auch weitere Spielorte sind in das Konzept der Veranstaltungen im Hafenquartier einbezogen: Intermezzo – die neue Galerie auf Zeit von Ruhrort-Philanthrop Gernot Schwarz, der Heimathafen in der Christengemeinde (Festivalzentrum der Hafengeburtstags-Akzente 2016), das St. Maximilianhaus, die Mercator-Verlagsbuchhandlung am neuen Standort in der Bergiusstraße und sogar eine Zweigstelle in Huckingen werden Gastgeber sein. Begleitend wird es zusätzliche Aktionen geben. Eine davon sind sogenannte Instagram-Walks, die zu den besten Fotomotiven im und am Hafen führen, aber auch ein Konzert mit dem schottischen Folk-Duo Euan Johnston und Andrew Gordon sind nach Redaktionsschluss des Programmhefts dazu gekommen.

Vielfältig wie das Treiben im Quartier sind auch die Programmbeiträge in diesem Jahr. Ein weiteres wichtiges Augenmerk ist die Beteiligung vieler Künstlerinnen und Künstler, die entweder aus Duisburg stammen, ihren Wirkungskreis hier haben, oder Bezüge zur Stadt in ihrer Lebensgeschichte nachweisen können.

Sogar eigens für den Auftritt beim Duisburger Kulturfestival zusammengefunden haben sowohl Akkordeonistin Steffi Budde und Gitarrist und Sänger Mick Haering, als auch Rudi Gall, Urgestein der Duisburger Rockszene mit der Nachwuchsmusikerin und Sängerin Sandrine Lisken aus dem Saarland. Das Spelunken-Spektakel mit der angesagten Weltmusikband Frollein Smilla und die Vorstellungskonzerte der aktuellen CD „Unterwegs“ mit der Band Spellbound, die alte europäische Musik interpretieren, setzen weitere musikalische Schwerpunkte. Was in Ruhrort in den Festivalzeitraum fällt wird automatisch zum Teil des Festivalprogramms. So auch das Gastspiel der schottischen Folkmusiker Euan Johnston und Andrew Gordon die mit Gitarre Gesang und Bodhran ausgewählte Musik der britischen Inseln vortragen.

Das Theaterstück „Rückkehr“ des „Theater ohne Mittel (ToM)“ gibt einen Ausblick, wie sich ein Fringe-Festival nach dem großen Vorbild im schottischen Edinburgh in Duisburg anfühlen könnte. Beim „kleinen Aufschlag“ des Duisburg-Fringe im Vorjahr war die Essener Theaterkompagnie bereits mit einer Impro-Session dabei. Zu den Akzenten spielt Rico Großer das Solostück über einen Kriegsheimkehrer.

Eine Lesung aus dem Comic der „Affengitterbande“ von Oliver Hinzmann, Marcus Echtenbruck und Martin Hinzmann in der frisch umgezogenen Mercator-Buchhandlung ist nur ein Höhepunkt des literarischen Programmteils. Mit Gesang und Worten auf die Suche nach Gemeinsinn machen sich Autor Ralf Koss und Gitarrist Klaus Köhler bei „Zugehört! Jetzt reden alle“. Autor und Verleger Thomas Frahm präsentiert in der Galerie Intermezzo seine Wunderkiste und lädt drei Freunde aus ganz Nordrhein-Westfalen ein, ihre Sicht der Dinge zu verdeutlichen:  Joachim Feldmann, Mitglied der Jury für den Deutschen Krimipreis liest aus Höhepunkten der Spannungsliteratur. Roman-Autor und Shot-Story-Crack Markus Peters stellt beiläufige Millieuporträts vor. HFN-Jam Moderator Thommie Black beschäftigt, ob der Verriss das bessere Lob sei. „Stonewall Stories“ über sein Sehnsuchtsland Irland schreibt und liest der Gründer der Ruhrorter Irish-Session Mick Haering und Heiner Feldhoff liest Kürzestgeschichten „Vom Glück des Scheiterns“, die auch aus seiner Kindheit in Duisburg erzählen, begleitet von seinem Bruder Martin am Klavier. Die Brücke zwischen dem beschaulichen Huckingen und dem pulsierenden Ruhrort schlägt Heiner Heseding, wenn er vom sagenumwobenen Angerbogen, aber auch vom quirligen Leben an Rhein und Ruhr erzählt. Jungtalent Nisse Heseding wird mit Gitarre und Looper die notwendigen Atempausen für seinen alten Herrn mit improvisierter Musik füllen. Neben einem Abend am Neumarkt wird die Zweigstelle Huckingen, das von Dr. Jürgen Focke als Begegnungsraum genutzte, ehemalige Wohnzimmer seines Vaters im Duisburger Süden erstmals zu den Akzenten bespielt.

Vorträge von Dr. Ludger Heid zur Geschichte der jüdischen Friedhöfe, deren einer nur einen Steinwurf vom Neumarkt entfernt lag, und von Stadt-Archivarin Lisa Hampel zur Geschichte und Entwicklung der Geschäfte am Neumarkt komplettieren den Veranstaltungsreigen.

Gleich 25 Künstlerinnen und Künstler versuchen bei der Ausstellung „Ins Leben gekachelt“ den Spagat zwischen der digitalen und der realen Welt. Die meisten von ihnen haben ihre Werke bislang nur auf Social-Media Plattformen gezeigt. Wie Kacheln werden ihre Zeichnungen, Gemälde und Fotografien im quadratischen Format die Wände der ehemaligen Parfümerie, Drogerie bzw. Kneipe zieren. Zur Mitte des Ausstellungszeitraums wechselt die Ausstellung bei einer Midissage, sodass nur der, der zweimal kommt, die ganze Wahrheit erfährt. Denn nachdem die Ausstellung ursprünglich zehn künstlerische Slots bieten wollte, konnten sich die Verantwortlichen dann doch nicht dazu entschließen, Bewerbungen zurück zu weisen, getreu einem Kreativquartier-Motto: „Jeder kann, keiner muss“. In der Zusammenarbeit mit Absolventen des Ausbildungsgangs Gestaltungstechnik des Friedrich-Albert-Lange Berufskollegs und begleitet durch Kunsthistoriker Falko Herlemann entstand ein Panoptikum der Duisburger Lebensrealität, die im 156-seitigen Ausstellungskatalog als Bilderbuch festgehalten wird. Der Katalog soll zur Midissage am 22. März erscheinen. Schirmherr der Ausstellung ist der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium und MdB Mahmut Özdemir. Begleitend wird es am 11., 18. und 25. März um 16:30 Uhr sogenannte Instawalks geben. Dabei lädt Fotograf und Ausstellungs-Mitkurator Manfred Bellingrodt Instagramer im Alter von 13 bis 18 Jahren ein, mit ihm die besten Fotospots des Hafenquartiers zu erkunden. In dreistündigen Rundgängen erklärt er Motivwahl, Perspektive und technische Tricks der fortgeschrittenen Hobbyfotografie, sowie welche Inhalte bei Instagram helfen, die eigenen Inhalte möglichst vielen Nutzern vor Augen zu führen.

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