Führten die Vertreterinnen und Vertreter der Medien über die Rathausbaustelle (v.l.n.r.): Haupt- und Personaldezernent Michael Bach, Bürgermeister Werner Arndt, Projektleiter Christian Stojek und Baudezernentin Andrea Baudek (Foto: Stadt Marl / Pressestelle)
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Marl. Erster Büroturm entkernt – Zweiter Turm in Vorbereitung – Sitzungstrakt steht im Frühjahr auf dem Programm – Sanierung dauert noch etwas mehr als zwei Jahre

Im Marler Rathaus am Creiler Platz laufen die Bauarbeiten zur denkmalgerechten Sanierung weiter auf Hochtouren. Der erste der beiden Bürotürme ist vollständig entkernt, der zweite Turm wird gerade eingerüstet. Im Frühjahr geht es dann auch im Sitzungstrakt los. Im Sommer 2024 soll das sanierte Wahrzeichen der Stadt wieder bezogen werden.

„Die Sanierung unseres Rathauses ist eines der wichtigsten Projekte in der Stadt und zugleich eine große Herausforderung“, erklärte Bürgermeister Werner Arndt gegenüber Journalistinnen und Journalisten während einer Begehung der Baustelle. Erstmals nach seiner schweren Erkrankung verschaffte sich das Stadtoberhaupt ein eigenes Bild von den zügig fortschreitenden Arbeiten an alter Wirkungsstätte. Arndt: „Es hat sich einiges getan. Trotz der Auswirkungen durch Corona sind wir ein ganzes Stück weiter vorangekommen. Wenn es die pandemische Lage zulässt, können wir vielleicht schon bald die ersten Baustellenführungen für interessierte Bürgerinnen und Bürger anbieten.“

Für die Entkernung des ersten Turms mit fünf Büroetagen mussten bereits im Herbst 2020 die Stromleitungen gekappt werden. „Mittlerweile haben wir die Außenfassade komplett entfernt“, sagte Christian Stojek, Diplom-Ingenieur und städtischer Projektleiter für die Rathaussanierung. Der überwiegende Teil der Aluminiumpaneele wurde schon überarbeitet, einige werden ausgetauscht. Die Wärmedämmung der Fassaden ist dabei auf den neusten technischen Stand gebracht worden. Im Rahmen der energetischen Sanierung werden später auch die Fenster vollständig ersetzt.

Beide Rathaustürme erhalten im Zuge der Sanierung neue wärmegedämmte und langlebige Alu-Fenster in entsprechender Farbgebung. Insgesamt werden in beiden Türmen ca. 4.500 qm Böden, 9.700 qm Decken und ungefähr 500 Türen ersetzt sowie 1.300 qm Wände neu erstellt. Das gesamte Rathausgebäude wird denkmalgerecht saniert, die Optik der Türme bleibt somit erhalten. Das Marler Rathaus wird wieder „zu einem echten Schmuckstück“, verspricht Baudezernentin Andrea Baudek.

Die Bürotürme stellen eine bauliche Besonderheit der Rathaus-Architektur dar. Sie waren die ersten Hängehochhäuser ihrer Art, die in der Bundesrepublik Deutschland errichtet wurden. „Die Etagen werden von Stahlbändern getragen, die in den Betonstützen durch alle Stockwerke geführt werden und an einer Stahlkonstruktion auf dem Dach befestigt sind“, erläuterte Christian Stojek den Medienvertretern. Die Konstruktion steht auf dem „harten Kern“ der Türme, den die Treppenhäuser mit den Fahrstühlen in massiver Beton-Bauweise bilden. Die Tragkonstruktion, die senkrecht an den Außenseiten verläuft, wird entsprechend der Vorgaben des Denkmalschutzes sorgfältig betonsaniert.

„Zu den Besonderheiten des Rathauses gehören auch die hochwertigen und heute wohl unbezahlbaren Materialien, die beim Bau des Gebäude-Ensembles verwendet wurden“, so Andrea Baudek. Die niederländischen Architekten Johannes Hendrik van den Broek und Jacob Berend Bakema hatten nicht nur neue Maßstäbe gesetzt, indem sie statt eines massiven Zweckbaus ein funktionales, in mehrere Elemente gegliedertes Gebäude-Ensemble entworfen hatten. Sie setzen auch im Innenausbau auf eine Kombination unterschiedlicher hochwertiger Baumaterialien.

So dominieren im repräsentativen Sitzungstrakt und in dem ihn L-förmig umschließenden Gebäudeteil französischer Marmor, exklusive Holzvertäfelungen und feine Wandmosaiken in wechselnden Farbtönen – Materialien, deren behutsame Sanierung besondere Lösungen erfordert, damit auch hier den Anforderungen des Denkmalschutzes Rechnung getragen werden kann. Wegen des Denkmalschutzes, der sich auf das gesamte Gebäude und Teile der Außenanlagen erstreckt, ist die Stadtverwaltung in einem permanenten und konstruktiven Austausch mit den Denkmalschutz-Behörden.

„Dass beim Marler Rathaus seit vielen Jahren dringender Handlungsbedarf besteht, steht außer Frage“, verdeutlichte Haupt- und Personaldezernent Michael Bach. Das Gebäude und insbesondere die beiden Rathaustürme seien äußerlich und innerlich „erheblich in Mitleidenschaft gezogen“, die Haustechnik aus den 60er Jahren sei von heutigen Standards „meilenweit entfernt“. Bach: „Ganz zu schweigen von der Wärmedämmung, die zur Bauzeit des Rathauses kein Thema war“. Nach erfolgreicher Sanierung mit neuen Raumzuschnitten soll unter anderem auch das Job-Center ins Rathaus einziehen, das seine Leistungen dann gemeinsam mit dem Sozialamt unter ein- und demselben Dach – im „Haus der sozialen Leistungen“ – anbieten kann.

Das Rathaus Marl steht seit 2015 unter Denkmalschutz. Das Gebäude-Ensemble ist ein herausragendes Beispiel für die Architektur der Ruhrmoderne. Es wurde 2018 von der Landesinitiative StadtBauKultur NRW als „Big Beautiful Building“ ausgezeichnet und gilt als „Symbol demokratischer Baukultur“, die Besucherinnen und Besucher nicht als Bittsteller, sondern selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger einer demokratischen Gesellschaft betrachtet.

Im Jahr 2015 beschloss der Stadtrat die Sanierung des Rathauses mit großer Mehrheit. Etwa 78 Millionen Euro sind für die energetische und denkmalgerechte Runderneuerung des Rathauses veranschlagt. Gute 15 Millionen Euro hat die Stadt bereits an Bundes- und Landesmitteln aus dem Stadterneuerungsprogramm erhalten. Weitere Zuwendungen sind in Aussicht gestellt. 2024 möchte die Verwaltung, die während der Bauphase auf drei Stadthäuser verteilt ist, ihr frisch saniertes Gebäude beziehen.

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