Franz Meurer, Julia Knop, Joachim Frank und Thomas Söding (v.l.n.r.) im Gespräch über die Zukunft der katholischen Kirche, die sich in einer Krise befindet und ein neues Selbstverständnis benötigt (Foto: © St. Augustinus Gruppe)
Anzeige

Neuss. „Die Gläubigen müssen die Kirche zu ihrer Sache machen“

Der Wunsch nach mehr Transparenz und Rechenschaft in der Kirche. Die innere Unabhängigkeit der Gläubigen. Die zornige Trauer vieler Katholiken, dass die Kirche hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt: Über diese und viele weitere Aspekte der Amtskirche sprachen am Mittwochabend beim Augustinus Forum im Alexius/Josef Krankenhaus hochkarätige Gäste auf der Bühne. Thema der vom Journalisten Joachim Frank moderierten Diskussion zwischen der Dogmatikerin Prof. Julia Knop, dem Exegeten Prof. Thomas Söding und Pfarrer Franz Meurer war die „Kirche im tiefen Umbruch – Warum ich bleibe und mich für Veränderungen engagiere”. In der gut gefüllten Mehrzweckhalle des psychiatrischen Krankenhauses wurde nicht nur auf der Bühne lebhaft diskutiert, sondern im Anschluss auch mit dem Publikum. Denn das Format findet wieder in Präsenz statt – sehr zur Freude der Stiftung der Neusser Augustinerinnen – Cor unum als Veranstalterin.

Der Tenor in der stimmungsvoll ausgestatteten Halle war einhellig: Zwischen der Institution Kirche und dem Evangelium werden eklatante Widersprüche wahrgenommen. Thomas Söding, Exeget an der Ruhr-Universität Bochum und Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken fragte, wie die Kirche in eine solche Lage kommen konnte und formulierte zugleich eine Bitte: „Räumt auf, macht euch sprachfähig – man erwartet, dass wir liefern!” Ähnlich argumentierte Pfarrer Franz Meurer aus Köln: „Wir müssen im Gespräch mit der Gesellschaft sein und angefragt werden“, so der engagierte Gemeindeleiter. Er hat mit Geistlichen zusammengearbeitet, die später wegen Missbrauchs angeklagt wurden, er leidet auch an seiner Kirche und ihren Strukturen. „Sie können in der Gemeinde nur demokratisch entscheiden, sonst sind die Leute weg!“ Eine „riesige Kluft zwischen der Botschaft und dem eigenen Verhalten“, stellte auch Julia Knop, Dogmatikerin an der Universität Erfurt, fest. Die Vorsitzende der AG Katholische Dogmatik und Fundamentaltheologie des deutschen Sprachraums meinte aber auch: „Meine Katholizität hängt nicht an einem Bischof oder am System Kirche. Souveränität im Glauben und spirituelle Autonomie sollte es auch ohne die Krise der Kirche geben. „Daher hätten gerade junge Menschen eine Heranführung an den Glauben verdient. Sie erwarteten zurecht Formate, die ihnen gerecht werden.

Verantwortungsübernahme auch für schlimmste Verbrechen wie sexuelle Übergriffe in der „Täterorganisation Kirche“, Rechenschaft vor denen, für die kirchliche Aufgaben wahrgenommen werden, sowie Transparenz und Kontrolle – das sind Anliegen, die von der katholischen Kirche dringend erwartet werden, waren sich die Diskutanten einig. „Die Kirche muss wieder das Netzwerk von Menschen werden, denen das Gotteswerk wichtig ist“, formulierte Thomas Söding und schloss mit versöhnlichen Worten: „Die Kirche hat in ihrer Geschichte meist relativ intelligent auf Veränderungen reagiert. In zehn Jahren wird sie gelernt haben, was synodal bedeutet: Die Kooperation zwischen kirchlichem Leitungsamt und allen anderen.“ Vom Publikum bekamen die Diskussionsteilnehmer und der Leiter des Augustinus Forums, Dr. Michael Schlagheck, kräftigen Applaus – für anregende Gedanken und viele gute Ideen, wie eine Kirche im tiefen Umbruch auch eine Zukunft hat.

Beitrag drucken
Anzeigen