Chefarzt Dr. Carsten Meibaum (re.) und Oberarzt Marc Nolzen mit Vera Busse, die erfolgreich mit der CLE behandelt wurde (Foto: Helios)
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Schwelm. Schlank, glücklich verheiratet und lebensfroh: Wenn man Vera Busse kennenlernt, ahnt man nicht, dass sie eine chronische, unheilbare Krankheit hat. Die 52-Jährige kennt kein Leben ohne Bauchschmerzen. Doch die optimistische Patientin ließ sich nie unterkriegen. Dank Chefarzt Dr. Carsten Meibaum weiß sie heute, dass das Reizdarmsyndrom (RDS), ihr im Laufe der Jahre schon viel Kraft geraubt hat. Seitdem sie denken kann, spielte ihr Stuhlgang verrückt. Die Schmerzen im Bauch waren nach jeder Mahlzeit mitunter unerträglich, jeder Bissen wurde zur Qual, jeder Schritt zu viel. Kurz: Die Lebensqualität nahm immer weiter ab, die Einschränkungen zu.

Das Reizdarmsyndrom, medizinisch abgekürzt IBS, vom Englischen Irritable Bowel Syndrom, beschreibt ein Krankheitsbild des Verdauungssystems, das unterschiedliche, wiederkehrende Beschwerden verursacht: Unverträglichkeitsreaktionen, Veränderungen des Immunsystems, Veränderungen in der Darm-Flora. „Diese Vielfalt macht die Diagnose so schwer“, erklärt Dr. Carsten Meibaum, Chefarzt der Medizinischen Klinik/Gastroenterologie am Helios Klinikum Schwelm. „Mithilfe eines neuen Verfahrens, der sogenannten konfokalen Laserendomikroskopie, können wir Nahrungsmittelunverträglichkeiten direkt an der Darmschleimhaut nachweisen und dokumentieren.“ Die konfokale Laserendomikroskopie (CLE) wird deutschlandweit bisher in nur sehr wenigen Kliniken eingesetzt.

Vera Busse ist das sechste Kind in ihrer Familie, essen gehörte nie zu ihren Stärken und eine gesunde Ernährung trat erst ab dem Jugendalter auf ihren Speiseplan und ins Bewusstsein. „Ich hatte immer Bauchschmerzen. Sie gehörten zu meinem Alltag dazu“, erinnert sich die Patientin. „Die Verdauung kündigte sich nie an und in Höchstzeiten musste ich bis zu 14 Mal täglich zur Toilette. Das war extrem unangenehm und einschränkend.“ Mit 20 Jahren diagnostizieren die Ärzte eine Laktoseintoleranz. Bis zu dem Zeitpunkt hatte Vera Busse nie Schulmedizin erfahren. Mit dem Verzicht auf Milchzucker konnte sie den Beschwerden teilweise entgegenwirken. Im Laufe der Zeit wurden zudem eine Glutenintoleranz und eine Zottenatrophie diagnostiziert. Bei Letzterer schwinden die Dünndarmzotten, die die Darmschleimhaut schützen sollen. Es folgten unzählige Untersuchungen. „Ich war untergewichtig, energielos, immer schlapp, müde und kaputt“, erinnert sich Vera Busse. Egal, was sie aß – auch Lebensmittel, die eigentlich stopfen – wenige Minuten nach dem Verzehr fiel das Essen buchstäblich durch den Körper und sie musste zur Toilette. „Ich hatte von allem ein bisschen, aber auch nie was Konkretes.“ Es begann ein streng glutenfreies Leben. „Das war damals deutlich schwieriger als heutzutage, denn in Lebensmittelgeschäften war das Thema noch nicht verankert.“ Ihre Wahl: Entweder die strenge Glutendiät einzuhalten oder mit unter 40 Jahren einen künstlichen Darmausgang zu bekommen.

Vera Busse lebte in Folge viele Jahre glutenfrei und auch vegan. Ihre Gesundheit profitierte davon, ihr Darm dankte es. Nach weiteren Untersuchungen und Rücksprache, waren auch die Ärzte überrascht, dass sich der Darm endlich erholte. „Ich durfte wieder mehr ausprobieren. Der erste Biss in ein Brötchen war wie Geburtstag, Ostern und Weihnachten zusammen.“

Trotz ihrer dauerhaften Beschwerden machte Vera Busse immer Sport. Bodenturnen, Schwimmen, Radfahren, Yoga und Wandern ließ sie sich nie nehmen. Mit ihrer bemerkenswerten Haltung macht sie anderen Betroffenen Mut. „Ich habe nur diesen einen Körper – die komplexeste Maschine, die je geschaffen wurde.“

Doch mit Mitte 40 nahmen die Beschwerden von Vera Busse wieder zu. Begleiterkrankungen machten ihr das Leben zusätzlich schwer. Dieses Mal nahm sie unnatürlich viel Gewicht in kurzer Zeit zu. Die Waage zeigte binnen drei Jahren über 25 Kilogramm mehr an. In ihrem Darm stimmte nichts mehr. „Ich unterzog mich einer viel umstrittenen, hochdosierten Antibiotika-Therapie“, erzählt die Patientin. „Ich nahm über neun Wochen täglich Antibiotika, weitere Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel. Es war ein Leben nach Wecker. Die Beschwerden wurden tatsächlich sukzessive besser.“ Es war ein weiterer Versuch, der aber keine langfristige Hilfe war.

Heute weiß sie, dass das schwer zu diagnostizierende Reizdarmsyndrom immer wieder Beschwerden bereitet. „Keiner, der nicht betroffen ist, kann sich vorstellen, was Reizdarm bedeutet“, sagt Vera Busse und erinnert sich: „Ein glücklicher Zufall führte Dr. Meibaum und mich zusammen.“ Das Helios Klinikum Schwelm sollte endlich ihr Wendepunkt im Rahmen der lebenslangen Darmbeschwerden werden. Chefarzt Dr. Meibaum ist auf Darmkrankheiten spezialisiert und konnte nach dem sogenannten Ausschluss-Prinzip Vera Busse untersuchen. „Der Darm der betroffenen Patienten ist weder entzündet, noch ist er verstopft, aber er sendet Schmerzsignale und ist für ständigen Stuhlgang oder ein schmerzhaftes Druckgefühl verantwortlich“, erklärt der gastroenterologische Chefarzt.

Beim Reizdarmsyndrom gibt das Nervensystem der Darmmuskulatur fehlerhafte Anweisungen. Dr. Meibaum erlebt täglich Menschen, die sich aufgrund von vermuteten Unverträglichkeiten oder Allergien in einer Art Dauerschleife aus Untersuchungen und selbstgewählten Diäten befinden. Ob eine bestimmte Körperreaktion allergisch bedingt ist oder eine andere Ursache hat, ist zunächst differenziert abzuklären. Die ärztlichen Voruntersuchungen finden ambulant und je nach Befunden während eines kurzen, stationären Aufenthaltes im Krankenhaus statt.

Konfokale Laser-Endomikroskopie (CLE) – Leaky-Gut-Syndrom

„Die Vorarbeit ist so intensiv wie Detektivarbeit. Man sucht den Schneeball in der Lawine“, beschreibt Dr. Meibaum anschaulich. Nach dem Anamnese-Gespräch folgt eine umfassende Diagnostik des Magen-Darm-Traktes, welche organische Störungen ausschließt bevor die neue Untersuchungsmethode in der Gastroenterologie zum Einsatz kommt: Die konfokale Laser-Endomikroskopie (CLE). Diese wird in Deutschland erst in wenigen Kliniken, auch im Helios Klinikum Schwelm, angeboten und nur von wenigen Ärzt:innen beherrscht. Es handelt sich um „eine innovative Endoskopie-Technik und das erste endoskopische Bildgebungsverfahren, welches in Echtzeit Einblicke in die Schleimhaut des gesamten Magen-Darm-Traktes ermöglicht“, erklärt der Chefarzt. Die vorher bestimmten, möglichen beschwerdeauslösenden Nahrungsmittel werden während einer Endoskopie direkt auf die Dünndarmschleimhaut aufgebracht. „Ohne eine Gewebeprobe wird über ein gut verträgliches Kontrastmittel direkt sichtbar, ob eine Verträglichkeit besteht oder die Schleimhaut empfindlich reagiert”, sagt Dr. Meibaum.

Die Reaktion der geschädigten Dünndarmschleimhaut kommt durch ein Durchlässigwerden des Darmes, ein Abstoßen von Schleimhautzellen und einen vermehrten Gewebewassereinstrom zum Ausdruck, der auch als sogenanntes „Leaky-Gut-Syndrom“ bezeichnet wird. Dies kann nach Einwirken der auslösenden Nahrungsbestandteile lange fortbestehen und Beschwerden auslösen und begründen.

Die CLE bei Vera Busse vergleicht der Chefarzt mit Vulkanausbrüchen. Deutliche Unverträglichkeiten zeigten sich u.a. durch Glutamat, Tintenfisch und Sellerie. Vera Busse war sprachlos, denn alleine Sellerie befindet sich in vielen Ersatzprodukten. „Jahrelang habe ich Sellerie-Kuren durchgeführt, weil ich dachte, meinem Darm damit zu helfen. Dass ich damit den größten Feind zu mir nehme, war mir nicht bewusst,“ staunt Vera Busse.

In der Zusammenschau aller Befunde beraten Dr. Meibaum und Oberarzt Marc Nolzen die Patient:innen abschließend in einem umfassenden Aufklärungsgespräch, ob und welche Nahrungsmittel strikt oder nur vorübergehend gemieden werden sollten. Individuelle Therapiemöglichkeiten werden ebenfalls besprochen.

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