Für ihre exzellente Arbeit in der Krebsmedizin und -forschung erhält Prof. Dr. Ulrike Nitz, die langjährige Leiterin des Brustzentrums Niederrhein am Ev. Krankenhaus Bethesda in Mönchengladbach, gemeinsam mit Prof. Dr. Nadia Harbeck vom LMU Klinikum München den Deutschen Krebspreis 2023 in der Kategorie „Klinische Forschung“. Zusammen mit der Preisträgerin freuen sich Geschäftsführerin Rita Tönjann und der jetzige Leiter des Brustzentrums Niederrhein am Ev. Krankenhaus Bethesda, PD Dr. Oleg Gluz (Foto: Martin Müllner)
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Mönchengladbach/München. Der Deutsche Krebspreis ist eine der höchsten nationalen Auszeichnungen, die für herausragende wissenschaftliche Leistungen im Bereich der Krebstherapie vergeben werden. Für ihre exzellente Arbeit in der Krebsmedizin und -forschung erhält Prof. Dr. Ulrike Nitz, die langjährige Leiterin des Brustzentrums Niederrhein am Ev. Krankenhaus Bethesda in Mönchengladbach, gemeinsam mit Prof. Dr. Nadia Harbeck vom LMU Klinikum München den Deutschen Krebspreis 2023 in der Kategorie „Klinische Forschung“.

Zusammen mit der Preisträgerin freuen sich Geschäftsführerin Rita Tönjann und der jetzige Leiter des Brustzentrums Niederrhein am Ev. Krankenhaus Bethesda, PD Dr. Oleg Gluz.

Prof. Dr. Nadia Harbeck und Prof. Dr. Ulrike Nitz haben maßgeblich die Westdeutsche Studiengruppe (WSG, Mönchengladbach) aufgebaut, PD Dr Oleg Gluz ist seit Jahren einer der Wissenschaftlichen Koordinatoren.

Die Auszeichnung mit dem Deutschen Krebspreis für klinische Forschung 2023 bezieht sich insbesondere auf ihre wissenschaftlichen Leistungen im Rahmen der WSG Plan-B und WSG ADAPT-Studie. Bei der häufigsten Form von Brustkrebs, der hormonempfindlichen Erkrankung, wurde durch präzise Risikoeinschätzung mittels genetischem Fingerabdruck des Tumors (Plan-B) in Kombination mit dem individuellen Ansprechen auf eine kurze präoperative Behandlung (ADAPT) gezeigt, dass der Verzicht auf eine Chemotherapie in der Erstlinienbehandlung ohne Beeinträchtigung der Heilungschancen bei den Betroffenen möglich ist. Die ADAPT-Studie war weltweit die erste Studie beim frühen Mammakarzinom, die subtyp-spezifische Therapiekonzepte zur Therapie-Deeskalation – umgangssprachlich: so wenig wie möglich, so viel wie nötig – einsetzt.

Viele der Frauen, die von der Studienteilnahme profitiert haben, kommen aus Mönchengladbach und sind Patientinnen des Brustzentrums Niederrhein. Hier wird seit Jahren mit großem Aufwand eine Studienstruktur gepflegt, die es erlaubt, auch Mönchengladbacher Betroffenen innovative Therapien früh und sicher zur Verfügung zu stellen.

Klinische Forschung, die die Brustkrebstherapie weltweit verändert

„Je früher die Brustkrebserkrankung erkannt wird, desto besser ist sie heilbar“, sagt Prof. Dr. Ulrike Nitz mit Blick auf die hervorragende Kooperation mit der Früherkennungseinheit in Mönchengladbach /Krefeld/Viersen. „Gerade bei der häufigsten Art – der hormonempfindlichen, HER2-negativen Erkrankung – konnten wir durch unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass ein gutes Ansprechen auf eine kurze Antihormontherapie vor der Operation auch insgesamt gute Heilungschancen vorhersagt. Bei vielen dieser Patientinnen konnten wir auf eine Chemotherapie verzichten.“ Hochgerechnet auf die Situation in Deutschland ist den Wissenschaftlerinnen zufolge davon auszugehen, dass auf diese Weise jährlich 10.000 bis 15.000 Patientinnen identifiziert werden können, bei denen auf eine zusätzliche Chemotherapie verzichtet werden kann.

„Dass wir es in Mönchengladbach zu dieser internationalen Anerkennung schaffen konnten, ist für uns etwas ganz Besonderes und wir bedanken uns bei allen Beteiligten, die dies ermöglicht haben: vom Krankenhausträger über die niedergelassenen Frauenärzte bis hin zu den Patientinnen, die uns über Jahre ihr Vertrauen geschenkt haben“, so die Preisträgerin aus Mönchengladbach.

Gemeinsam mit der WSG arbeiten Prof. Dr. Nadia Harbeck, Prof. Dr. Ulrike Nitz und PD Dr Oleg Gluz, Chefarzt des Brustzentrums Niederrhein, weiter an der Optimierung bis hin zur Ablösung der klassischen Chemotherapie, unter anderem durch eine bessere Diagnostik, darauf basierende zielgerichtete Therapieansätze oder neue Antikörper-Wirkstoffkonjugate. Hierbei verwirklichen sie international einzigartige Studienkonzepte, von deren Vorteilen die teilnehmenden Patientinnen schon jetzt profitieren. Langfristig sollen die Ergebnisse die Brustkrebsbehandlung weltweit dauerhaft weiter verbessern.


“Wir arbeiten an der Ablösung der klassischen Chemotherapie.”

FRAU PROF. HARBECK, FRAU PROF. NITZ ‒ HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH ZUM DEUTSCHEN KREBSPREIS 2023! WIE WÜRDEN SIE IHREN NACHBARN IHREN FORSCHUNGSSCHWERPUNKT BESCHREIBEN?

Prof. Harbeck: Etwa 70.000 Frauen pro Jahr erkranken an Brustkrebs. Der mit Abstand nebenwirkungsreichste Teil der Standard-Erstbehandlung ist die Chemotherapie. Wir haben versucht, durch verbesserte präoperative Risikoeinschätzung und eine kurze präoperative „Testbehandlung“ die Therapiestrategie zu individualisieren. Hauptziel war es, eine Überbehandlung, aber auch eine Unterbehandlung mit Chemotherapie bei allen Formen von frühem Brustkrebs zu vermeiden. Also: so wenig Chemotherapie wie möglich und nur so viel wie unbedingt nötig.

WELCHES IHRER FORSCHUNGSERGEBNISSE HAT SIE SELBST BESONDERS ÜBERRASCHT ODER BEEINDRUCKT?

Prof. Nitz: Die hohen Heilungsraten bei der frühen Brustkrebserkrankung und die Tatsache, wie oft wir in der Vergangenheit tatsächlich aus „Sicherheitsgründen“ mit Chemotherapie überbehandeln mussten, weil wir das tatsächliche Therapieansprechen bei der einzelnen Patientin noch nicht auswerten konnten. Heute dürfen wir aufgrund unserer Daten in Zusammenschau mit der internationalen Literatur davon ausgehen, dass höchstens ein Viertel der Frauen nach den Wechseljahren und vielleicht 40 Prozent der jungen Frauen einer Chemotherapie bedürfen, um optimale Heilungschancen zu haben.

WIE KÖNNEN BETROFFENE VON IHRER FORSCHUNG PROFITIEREN?

Prof. Harbeck: Chemotherapie bei der Erstbehandlung von Brustkrebs bedeutet etwa ein halbes Jahr Therapie mit schweren akuten, aber auch möglicherweise langfristigen Nebenwirkungen, wie Immunsuppression, Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall, Nervenschäden, Herzschäden um nur die häufigsten zu nennen. Der Alltag, das Familien- und das Berufsleben können empfindlich gestört sein. Langzeitschäden, wie taube Finger/Füße, Herzschäden, Unfruchtbarkeit können verbleiben. Heilung ohne Chemotherapie ist daher wirklich der Königsweg.

WAS IST IHR NÄCHSTES FORSCHUNGSZIEL?

Prof. Nitz: Die Westdeutsche Studiengruppe genießt in Deutschland hohes Ansehen bei Prüfzentren und Betroffenen. Gemeinsam mit allen Partnern im Gesundheitswesen haben wir hier die Struktur und die Erfahrung, um unter Einbeziehen der gewonnenen Erkenntnisse, der immer differenzierteren Auswertung individueller Tumormerkmale und der großartigen neuen Medikamentenentwicklungen weitere Innovation im Rahmen von unseren neuen Studien verfügbar zu machen. Ganz konkret arbeiten wir weiter an der Ablösung der klassischen Chemotherapie durch eine bessere Auswahl der Patientinnen, zielgerichtete Therapieansätze oder neue Antikörper-Wirkstoffkonjugate. Gemeinsam mit unseren Prüfzentren verwirklichen wir hier weltweit einzigartige Studienkonzepte, die bereits für die teilnehmenden Patientinnen vorteilhaft sind, aber hoffentlich auch dauerhaft die Brustkrebsbehandlung verbessern werden.

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